Bad Tölz entscheidet über Diesel oder Elektro für neues Buskonzept – Debatte um Zukunft des ÖPNV
Der Stadtrat von Bad Tölz hat über die zukünftige Ausrichtung des Stadtbusbetriebs beraten. Im Mittelpunkt standen die Wahl zwischen Diesel- und Elektrobussen sowie die Ausweitung des Fahrplans ab Dezember 2027.
Bad Tölz – Elektro oder Diesel, Kosten oder Umweltschutz – zwischen diesen beiden Polen hatte sich der Tölzer Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung vor der Sommerpause zu befassen. Die Entscheidung dürfte weitreichend sein und heute noch nicht absehbare Folgen haben.
Bad Tölz ringt um die Zukunft des Stadtbusverkehrs zwischen Diesel- und Elektrobussen
Etliche Tölzer erinnern sich sicher noch an den Tölzer Stadtbus, der früher vom Bus- und Taxiunternehmen Hans Much bedient worden war. Vor Jahrzehnten ging dann die Konzession an den Regionalverkehr Oberbayern (RVO), der zahlreiche Buslinien im Oberland betreut.
Der alte Vertrag mit dem RVO endet am 31. Dezember 2025. Dann folgt ein zweijähriges Übergangskonzept mit im Wesentlichen derselben Leistung wie bisher. Mit Wirkung zum 12. Dezember 2027 schreibt die Stadt dann in Zusammenarbeit mit dem Landkreis einen neuen, zehnjährigen Vertrag aus und hat sich dafür von der „MVV Consulting“ beraten lassen. Um dessen Modalitäten ging es nun bei der Beratung im Stadtrat.
Bestandsanalyse und Kostenvergleich der Varianten
Geschäftsleiter Falko Wiesenhütter stellte den Räten zunächst einmal die Ergebnisse einer Bestandsanalyse, Bürgerbefragung und eines Workshops vor. Wichtige Erkenntnisse daraus: Es sind vor allem Senioren und – leider – wenig junge Menschen, die ihre Meinung äußerten. Ein besserer Takt und ausgeweitete Betriebszeiten wurden als größte Wünsche ausgemacht. Positiv fanden die Befragten am Stadtbus die gute Erreichbarkeit, die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit.
Mit den Daten hat die „MVV Consulting“, die vom Stadtrat im Juni 2024 mit der Bestandsanalyse beauftragt worden war, für die Stadt zwei Varianten erarbeitet. Der wesentliche Unterschied ist laut Wiesenhütter, dass ein fast vollständiger Halbstundentakt bei Variante zwei erreicht wird, indem ein dritter Bus eingesetzt wird. Das macht diese Variante aber auch teurer, und zwar bei Dieselbussen: 950.000 bis 1,06 Millionen Euro, beim Einsatz von Elektrobussen 1,08 Millionen bis 1,21 Millionen Euro im Jahr.
Entscheidung für Variante eins und finanzielle Überlegungen
Nach längerer Diskussion einigte man sich mehrheitlich auf die Variante eins (19:3 Stimmen). Sie sieht nur zwei Busse und bietet den Halbstundentakt nur auf den Hauptrouten zwischen Bahnhof, Busbahnhof Isarkai und Badeteil. Auf den restlichen Routen ist Stundentakt. Betriebszeit ist Montag bis Freitag von 6 bis 22 Uhr. Der Schülerverkehr kann integriert werden. Die Kosten belaufen sich im Jahr bei einem Dieselfahrzeug auf 750.000 bis 840.000 Euro und beim E-Bus auf 830.000 bis 930.000 Euro.
Das sind jedoch bislang nur rechnerische Kosten, wie Wiesenhüter sagte, denn die Einnahmen aus dem Ticketverkauf sowie ÖPNV-Förderungen und -Zuweisungen sind von den Kosten abziehbar. Möglicherweise wird auch die Anschaffung von E-Bussen gefördert. Wiesenhütter rechnet damit, „dass wir dann die Differenz zwischen Diesel und E-Bus halbieren können“.
Rufbus-System und Anbindung von Ortsteilen
Zweiter Bürgermeister Michael Lindmair berichtete aus dem Workshop, wo sich gezeigt habe, dass ein Rufbus-System für Bad Tölz nicht sinnvoll sei. Das sei für dünn besiedelte Gebiete besser. Ein Problem ist allerdings der Ortsteil Ellbach im Osten, wo die dort wohnende Grünen-Stadträtin Johanns Pfund „auf Mitfahrbänke“ hofft.
Bürgermeister Ingo Mehner gab allerdings zu bedenken, dass es im Oberland auch noch andere Busverbindungen gebe, über die Ellbach und Kirchbichl mitbedient werden könnten. Im Stadtrat hatte es schon einmal eine Diskussion über Mitfahrbänke gegeben, in deren Verlauf große Bedenken geäußert worden waren, Kinder zu völlig fremden Menschen ins Auto steigen zu lassen.
Bei der Abstimmung votierten nur Michael Ernst und Willi Streicher von der SPD sowie Martin Harrer (FWG) mit Blick auf die bessere Anbindung des Moralt-Areals für die Variante zwei. Bekanntlich soll im Süden der Stadt entlang der äußeren Lenggrieser Straße ein neuer Stadtteil für 1.000 Einwohner entstehen.
Diskussion über Antriebsart: Diesel vs. Elektro
Lange und kontrovers diskutiert wurde die Antriebsart Diesel- oder Elektromotor. Schon eingangs hatte CSU-Fraktionssprecher René Mühlberger für die veraltete Antriebstechnologie plädiert und offenbar den Großteil seiner Fraktionskollegen „auf Linie gebracht“. Sogar Bürgermeister Ingo Mehner, der vor geraumer Zeit die Inbetriebnahme eines Elektrobusses medienwirksam begleitet hatte, stimmte dagegen, ebenso Anton Mayer, Christof Botzenhart, Christine Brandl, Karsten Bauer und Gabriele Frei. Ihr Argument waren die immer geringerer Haushaltsmittel der Stadt. Aus Kostengründen solle man auf den Dieselmotor setzen. Karsten Bauer meinte gar: „Dieselfahrzeuge sind viel sauberer geworden“.
Plädoyer für Elektrobusse und zukünftige Planungen
Die beiden CSU-Stadträte Matthias Winter und Julia Dostthaler waren indes wie alle anderen Stadträte der Grünen, FWG und SPD entschieden anderer Ansicht. „Wir sind ein Bad und werben mit Gesundheit“, plädierten Winter und Julia Dostthaler für den künftigen Einsatz der E-Busse. Willi Streicher (SPD) sah keinen Grund, den bereits bestehenden hohen E-Bus-Anteil (geschätzt 80 Prozent) wieder aufzugeben. Er plädierte vehement für Elektrofahrzeuge und fügte als Argument an, dass die Stadtwerke „grünen Öko-Strom“ anbieten. Allerdings, so musste er sich von Mehner sagen lassen, bezieht der RVO als großes überregionales Busunternehmen seine Energie nicht von den Tölzer Stadtwerken, obwohl die RVO-Busse im Tölzer Farchet stationiert sind und dort auch geladen werden.
Zudem gab Mehner zu bedenken, dass der Dieselpreis, der sich in den kommenden Jahren sicher durch entsprechende CO₂-Abgaben verteuere, das Problem des RVO, nicht der Stadt sei. Die übernimmt laut Beschluss die Defizite des Stadtbusbetriebs in Höhe von maximal 930.000 Euro jährlich im Rahmen eines „Bruttovertrags“. Einnahmen durch Fahrscheine und Zuschüsse werden davon abgezogen.
Unklar blieb bei der ganzen Diskussion, ob es nicht für Elektrobusse eine Förderung des Staates gebe. Zudem seien die Busse ihn der Anschaffung zwar deutlich teurer, aber wesentlich günstiger im Unterhalt. Peter von der Wippel (FWG) meinte: „Wir sollten schon auf Zukunftstechnologie setzen.“ Für den E-Bus waren schließlich die Stadträte Winter, Dostthaler (CSU), Kollmeier, Pfund, Bigos, Hoch, Weixner (alle Grüne), Lindmair, Bomhard, Niedermaier, von der Wippel, Harrer, Fottner (alle FWG) sowie Streicher und Ernst.
Zukunftstechnologie und flexible Ausschreibung
Der Beschluss sieht vor, dass der Landkreis die Ausschreibung und Vergabe der neuen Verkehrsleistung ab 12. Dezember 2027 übernimmt. Die Vertragsdauer beträgt zehn Jahre. Eine Hintertür für den E-Bus wurde auch geschaffen: Den Bietern wird im Rahmen eines befristeten Übergangsbetriebs die Möglichkeit gegeben, gebrauchte Diesel- oder Batteriebusse einzusetzen.
Betriebszeiten wird im Vergleich zum Status quo deutlich ausgeweitet
Letztendlich wird das zu erwartende Defizit am leichtesten dadurch verringert, dass sich viele Menschen entschließen, das verbesserte Busangebot auch zu nutzen. Deshalb werden die Betriebszeiten an den Wochentagen im Vergleich zum Status quo deutlich ausgeweitet, am Wochenende verkehren die Busse von 6.30 bis 21.30 Uhr im Stundentakt und es werden neue Haltestellen eingerichtet. Allerdings, das Ganze startet eigentlich erst im Jahr 2028. Karl Bock
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