Gemeinde St.-Mang-Kirche stellt sich den Herausforderungen am Friedhof unter der Burghalde

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Mehr Blumen für die Hoffnung wünscht sich Karin Schaber auf dem evangelischen Friedhof unter der Burghalde. © Lajos Fischer

Auf den evangelischen Friedhof „Unter der Burghalde“ als „Ort einer würdigen Erinnerungskultur“, wie ihn Bürgermeisterin Erna-Kathrein Groll bezeichnete, lenkten einige Teilnehmende die Aufmerksamkeit im Rahmen der Jahresversammlung des Heimatvereins Kempten.

Kempten – Bei der ersten Anregung ging es „nur“ um ein bisschen Material, mit dem der Bauhof Risse in der Treppe der Aussegnungshalle beseitigen könnte. Es sei für die Trauergäste nicht angenehm, diese während der Trauerfeier die ganze Zeit vor den Augen zu haben. Bei einem anschließenden Ortstermin fiel zusätzlich auf, dass an den Säulen der Putz stark bröckelt. Der Friedhof befindet sich im Besitz der Gemeinde St.-Mang-Kirche, verwaltet wird er durch das evangelische Kirchengemeindeamt. Aber die Aussegnungshalle gehört der Stadt. Für die Bausubstanz ist das Amt für Gebäudewirtschaft zuständig. Dieses erklärte auf die Anfrage unserer Zeitung, dass ein Ingenieurbüro die Risse seit mehreren Jahren beobachte und dabei keine Zunahme habe feststellen können. Im Jahr 2024 werde nichts unternommen, weil wegen der aktuellen Finanzlage im städtischen Haushalt nur sicherheitsrelevante Maßnahmen eingeplant seien.

Im weiteren Verlauf der Diskussion im Heimatverein ging es um die Bewahrung des historischen Erbes, der Denkmäler bedeutender Kemptener Persönlichkeiten und der besonderen Atmosphäre auf dem Friedhof. Lauter Anliegen, die die evangelische Kirche zurzeit intensiv beschäftigen, wie Pfarrer Hartmut Lauterbach dem Kreisboten gegenüber versicherte: „Im Moment befinden wir uns als Kirchengemeinde St. Mang (nach zahlreichen Sanierungsarbeiten in und um die St.-Mang-Kirche) am Anfang eines neuen Prozesses, um der Verantwortung für diesen besonderen Ort in Kempten gerecht zu werden und dementsprechend zu handeln.“

Entstehungsgeschichte des Friedhofs St. Mang

„Friedhöfe befanden sich früher immer direkt an den Kirchen, weil man in geweihter Erde begraben und bei der Auferstehung der Toten möglichst nah an Jesus Christus sein wollte“, erklärt Karin Schaber, die als ehrenamtliche Mitarbeiterin für das Archiv und die Bibliothek der St.-Mang-Kirche die Geschichte des Friedhofs sehr gut kennt. Durch die Reformation sind diese Elemente weggefallen. Dank dem „Großen Kauf“ erlangte 1525 die Reichstadt ihre Unabhängigkeit vom Fürstabt, der vorher unter anderem über das Stellenbesetzungsrecht in der St.-Mang-Kirche verfügte. Die neu erworbene Freiheit nutzte der Rat 1527 zur Anstellung des ersten evangelischen Predigers: Der Anfang eines Prozesses, in dem sich die Reformation in der Reichsstadt durchsetzte. Die Unterzeichnung der Confessio Augustana 1530 und der Beitritt zum Schmalkal­dischen Bund 1535 sind wichtige Marksteine auf diesem Weg, den Wolfgang Petz 1998 in seinen Beiträgen im Katalog zur Landesausstellung „Bürgerfleiß und Fürstenglanz“ genau nachzeichnete.

Zwischen 1535 und 1537 entstand der neue Friedhof außerhalb der Stadtmauern, auf einem Gelände unterhalb der Burghalde, das sich seit 1379 in städtischem Besitz befand und als „Thier- und Baumgarten“ genutzt wurde. Damals verwendete man die Bezeichnung „Gottesacker“, wie für alle Begräbnisstätten, die nicht im Kirchhof angelegt waren, erklärt Schaber. Es handelte sich um eine typisch evangelische Erscheinung, die jedoch zunächst für alle gewöhnungsbedürftig war. Zu den Gründen der Verlegung zählen die zahlreichen Pestepidemien und Seuchen, die die Stadt im 16. Jahrhundert heimgesucht haben. Zudem wurde der alte Friedhof zu klein, auch weil, wie Petz feststellt, die Bevölkerungszahl massiv anstieg, was zum Teil auf die Zuwanderung in eine prosperierende Stadt zurückzuführen ist, zum Teil aber auch mit den demografischen Folgen der Entstehung der ersten modernen „Weltwirtschaft“ (Braudel, Wallerstein), die auf einer Arbeitsteilung zwischen dem westlichen und östlichen Teil Europas basierte, zu tun hat. So kann die Entstehung des Friedhofes sogar mit einem epochalen Umbruch der europäischen Wirtschaftsgeschichte in Verbindung gebracht werden. Man könnte auch fragen: Welchen Anteil hatten Mitglieder von Kemptener Kaufmannsfamilien, deren Angehörige auf diesem Friedhof ruhen, an dem folgenreichen Strukturwandel des Fernhandels, der in diesem „langen 16. Jahrhundert“ seinen Anfang nahm?

Wichtige „Baustellen“

Die Leichenpredigten fanden bis 1546 in der St. Michaelskapelle, anschließend bis 1815 in der Kapelle des ­St.-Anna-Klosters, dann unter freiem Himmel statt. Wolfgang Gutser berichtet in seinem 2021 im Band „Evangelische Friedhöfe in Bayern“ erschienenen Beitrag da­rüber, dass die 1822 für den Organisten ­Matthias Satzger bei strömendem Regen gehaltene Predigt der Auslöser für den Bau der 1841 eingeweihten Gottes­ackerkapelle war. Für diese hat man heute keine richtige Verwendung. Durch das Schlüsselloch nimmt man einen modrigen Geruch wahr und man sieht, dass sie als provisorischer Lagerraum dient. Die Fassade wurde zwar 2004 renoviert, aber für die Innensanierung fehlen die finanziellen Mittel. Für die Instandsetzung der Fenster und der Tür laufen die Vorbereitungen, berichtet Karin Merz vom Evangelischen Kirchengemeinderat. Eine zukünftige Verwendung des Gebäudes sei auch Gegenstand der laufenden Beratungen.

Die „vielen Efeuranken“ tragen in der Beschreibung von Gutser zur Schönheit des Friedhofes bei. Bei der Mauer zur Burg­halde habe man diese im letzten Sommer entfernt, erläutert Merz, weil sie diese beschädigen und das Eindringen von Wasser erleichtern. Die Spuren, die sie hinterlassen haben, sind an der dringend renovierungsbedürftigen Grabstätte der Familie Gyr eindeutig zu sehen. Die Pflege und Instandhaltung der zahlreichen Grabmäler, die unter Denkmalschutz stehen (ein Bericht dazu folgt), bedeuten eine große Herausforderung. Deswegen suche der Kirchengemeinderat die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz und dem Heimatverein, erzählt Merz.

Manche Gräber in desolatem Zustand

Da ihn in letzter Zeit oft Beschwerden über den Zustand mancher Gräber und über Unkraut auf den Wegen erreicht haben, habe er mit Bürgermeisterin Groll und Vertretern der Kirchen- und Stadtverwaltung die Situation genauer angeschaut, erzählt Stadtrat Ullrich Kremser. Für das Sauberhalten der Wege wurde inzwischen eine Maschine angeschafft. „Manche Gräber verkommen total“, sagt er. Um diesem entgegenzuwirken, kümmere er sich mit seiner Frau Maria zusammen beispielsweise um das Grab des Astronauten Reinhard Alfred Furrer und seiner Familie, das dem Grabmal der Familie Kremser gegenüber liegt.

„In letzter Zeit wurden manche Grabsteine abgeräumt. Ich hoffe, es waren keine historischen dabei“, äußert Kremser ein Bedenken, das auch bei der Veranstaltung des Heimatvereins angesprochen wurde. Konkrete Namen nannte jedoch niemand. Vor allem an der Wand zur Burg­halde gibt es einige unschöne Stellen und Löcher nach der Entfernung von Tafeln. „Wenn das Nutzungsrecht abgelaufen ist, müssen die Angehörigen die Steine entfernen“, sagt Merz. Ehrengräber und denkmalgeschützte Steine seien davon nicht betroffen. Auch Grabmäler, die älter als 100 Jahre sind, lasse man stehen.

„Für mich als Pfarrer ist der evangelische Friedhof unter der Burghalde ein bedeutender Ort in der Stadt Kempten. Hier verabschieden wir uns von unseren Verstorbenen, Menschen trauern und suchen Trost. Besonders ist für mich, dass der Friedhof zentral in der Stadt gelegen ist und dennoch Ruhe und Frieden ausstrahlt“, meint Pfarrer Lauterbach. Vor allem zu Ostern gehe es nicht nur um das Gedenken an die Toten, auch die Hoffnung auf die Auferstehung schwinge mit, sagt Schaber. Der Blumenschmuck an den Gräbern ähnele einem kleinen Garten und weise auf den Paradiesgarten hin.

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