Bereitet Milorad Dodik die Abspaltung vor? Serbischer Teil Bosnien-Herzegowinas will neue Verfassung
Bereits seit Jahren droht Milorad Dodik, Präsident des serbischen Landesteils, mit Abspaltung. Jetzt erhöht die EU ihr Truppenkontingent in Bosnien.
Sarajevo – In Bosnien-Herzegowina spitzt sich die Staatskrise zu: Milorad Dodik, Präsident der serbischen Teilrepublik Republika Srspka, scheint, nachdem am Mittwoch (14. März) ein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde, die Abspaltung des Landesteils vorantreiben zu wollen. Das Parlament der Republika Srpska stimmte in der Nacht zum Freitag (14. März) dafür, eine neue Verfassung aufzusetzen, die nicht nur die Aufstellung eigener Streitkräfte, sondern auch die Abspaltung vom Zentralstaat ermöglichen soll. Das berichtete die Plattform BalkanInsight. Währenddessen verstärkte die EU ihre Truppen im Land.
Milorad Dodik ignoriert Verfassung Bosnien-Herzegowinas
Sollte diese Verfassung wie geplant in einem Monat endgültig beschlossen werden, würde dies das Daytoner Friedensabkommen, das den Bosnien-Krieg 1995 beendete, verletzen. Wegen eines „Angriffs auf die verfassungsmäßige Ordnung“ Bosnien-Herzegowinas ist der Nationalist bereits im Februar zu einem Jahr Haft und einem mehrjährigen Politikverbot verurteilt worden. Am Mittwoch folgte dann ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft in Sarajevo.
Dodik hatte die bosnische Verfassung ignoriert und unter anderem gesamtstaatliche Gesetze in seinem Machtbereich für ungültig erklärt. Weitere Haftbefehle ergingen gegen den Parlamentspräsidenten und den Premier des Landesteiles. Sie sind verantwortlich für Gesetze, die die Zusammenarbeit mit dem Gesamtstaat mit jahrelanger Haft bestrafen würden.
Das Dayton-Abkommen und Bosnien-Herzegowina
Mit dem Abkommen von Dayton endete 1995 der Bosnienkrieg. Es schuf den Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina und die zwei Landesteile: Die serbisch dominierte Republika Srpska und die von Bosniaken – bosnischen Muslimen – und Kroaten bewohnte Föderation Bosnien-Herzegowina. Die Grenze ist im Wesentlichen die Frontlinie, des von serbischen Nationalisten eroberten Territoriums.
Unter dem Eindruck der Kriegsverbrechen, allen voran des Völkermordes serbischer Paramilitärs an Bosniaken in Srebrenica, war es vor allem das Ziel, einen Staat zu schaffen, der für Frieden unter den Nationalisten aller Seiten sorgen sollte. Heute leben in dem Land auf dem Westbalkan 3,2 Millionen Menschen, etwa ein Drittel davon in der Republika Srpska.
Machtvolle Position: Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina
Aus der Gemengelage ergibt sich ein nach ethnischen Kategorien zerlegter, komplex organisierter Staat. Über alldem steht der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina. Dieser kann im Auftrag der Vereinten Nationen Beamte und Richter entlassen und im Zweifel auch Recht per Verordnung setzen. Diese sogenannten „Bonner Vollmachten“ wurden eingerichtet, um das Friedensabkommen durchzusetzen. (kb)
Bosnien-Herzegowina: Milorad Dodik droht dem Gesamtstaat
Angesichts des verhängten Haftbefehls drohte Dodik bereits, die Republika Srpska habe, „die Fähigkeit sich zu verteidigen, und das werden wir auch tun“. Beobachter hielten eine Festnahme Dodiks für unwahrscheinlich. Florian Bieber, Direktor des Zentrums für Südosteuropastudien an der Universität Graz, sagte dem niederländischen Portal NRC: Dodik sei vorbereitet, und wüsste, wie er sich notfalls der Festnahme entziehen könne. „Sollte die Verhaftung scheitern, hätte er einen doppelten Sieg errungen: Er bliebe frei und hätte Sarajevo getrotzt“, so Bieber. Auch eine Flucht zum mit ihm verbündeten ungarischen Autokraten Viktor Orbán sei eine Option. Bieber verwies darauf, dass der wegen Korruption verurteilte Ex-Premier Nordmazedoniens Nikola Gruevski seit 2018 in Ungarn Asyl genießt.
Krise in Bosnien-Herzegowina: Milorad Dodik testet den Westen
In dem diskutierten Verfassungsentwurf stehen diverse weitere Verletzungen des Friedensabkommens von Dayton und der eng damit verwobenen gesamtstaatlichen Verfassung: Per Referendum sollen nicht nur gesamtstaatliche Gesetze, sondern auch die Grenze zur Föderation Bosnien und Herzegowina, der bosniakisch-kroatischen Teilrepublik, verschoben werden können. Weiter will sich Dodik die Möglichkeit vorbehalten, die Republika Srpska in „bundesstaatliche oder konföderale“ Verhältnisse mit anderen Staaten zu bringen. Der Fernsehsender N1 hat eine englischsprachige Zusammenfassung des Entwurfes veröffentlicht. Weiter soll die Verfassung scheinbar erhebliche Einschränkungen von Presse- und Meinungs- und Vereinigungsfreiheit ermöglichen.
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In den vergangenen Jahren drohte Dodik immer wieder mit der Abspaltung vom bosnischen Gesamtstaat. Aktuell versuche er die ungeordnete Weltlage auszunutzen, und „den Westen gewissermaßen zu testen“, erklärte der Wiener Politikwissenschaftler Vedran Dzihic dem ZDF. Die erste Antwort darauf gab der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina am Mittwoch: Die geplante neue Verfassung sei eine „offene Verletzung“ des Dayton-Abkommens, teilte das Büro des Amtsinhabers Christian Schmidt (CSU) mit. Der Hohe Repräsentant ist für die Durchsetzung des Abkommens verantwortlich und dafür mit weitreichenden Durchgriffsrechten im Staatsgefüge Bosnien-Herzegowinas ausgestattet.
EU stockt Truppen-Kontingent in Bosnien-Herzegowina auf – Nato will „kein Sichervakuum“ zulassen
Am Donnerstag wurde das EU-Truppenkontingent der Operation Althea um 400 Soldatinnen und Soldaten auf 1500 Personen aufgestockt. Die seit 2004 laufende Mission folgte auf Nato-Einsätze, die den Frieden im Land sicherten. Nato-Generalsekretär Mark Rutte kündigte eine Reise nach Sarajevo an. Man werde „kein Sicherheitsvakuum“ in Bosnien zulassen, sagte Rutte. Auch US-Außenminister Marco Rubio betonte, dass das „gefährliche und destabilisierende Verhalten“ enden müsste. Dzihic sah darin einen transatlantischen Konsens, dass ein Konflikt auf dem Westbalkan unbedingt zu vermeiden sei.
Inwieweit der Zuspitzung konkret Einhalt geboten werden kann, war am Freitagnachmittag (14. März) noch unklar. Doch die Hetze der nationalistischen Führung der Republika Srpska zeigte Wirkung: Nach der Verabschiedung des Verfassungsentwurfes, soll das Auto eines Abgeordneten der Opposition ausgebrannt sein. Die Menschenrechtsorganisation „Gesellschaft für bedrohte Völker“ warnte vor einer Eskalation der Sicherheitslage und verlangte eine Stärkung der EU-Militärmission und Sanktionen gegen Dodik und sein Umfeld. (kb mit afp)