Trotz Rekord-Einnahmen aus dem CO₂-Preis – das Klimageld wird anscheinend nicht kommen

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2024 sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland gesunken, derweil sind die Erlöse aus der CO₂-Steuer erneut gestiegen. Das Klimageld findet in den Wahlprogrammen der Parteien wenig Anklang.

Berlin – Wer viel CO₂ ausstößt, soll einen höheren Preis zahlen: Das ist der Sinn des Emissionshandels, das sowohl in Deutschland auf nationaler als auch auf europäischer Ebene existiert. 2024 hat es erneut einen Rekorderlös aus dem CO₂-Preis gegeben, wie die zuständige Stelle nun mitteilt. Die Aussicht auf ein Klimageld, mit dem ursprünglich das eingenommene Geld zurück an die Bevölkerung ausgezahlt werden sollte, gibt es aber immer noch nicht.

CO₂-Preis befüllt den Klima- und Transformationsfonds – das bezahlt den Heizungstausch und die E-Auto-Förderung

Die Einnahmen Deutschlands aus dem Verkauf von Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten haben 2024 eine Rekordhöhe erreicht. Sie summierten sich auf 18,5 Milliarden Euro und lagen damit rund 100 Millionen Euro höher als 2023, wie die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) in Berlin mitteilte. Die DEHSt gehört zum Umweltbundesamt (UBA).

Das Geld fließt vollständig in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem Energiewende- und Klimaschutz-Maßnahmen finanziert werden. Mit dem Geld wird etwa die energetische Gebäudesanierung gefördert, die Dekarbonisierung der Industrie, die Wasserstoffwirtschaft und der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Konkret bezuschusst wird zum Beispiel der Kauf von Bussen mit alternativen Antrieben durch Verkehrsbetriebe.

Der CO2-Preis fließt in Deutschland in den KTF.
Der CO₂-Preis fließt in Deutschland in den KTF. © IMAGO/Joe Sohm

Die Bepreisung von Treibhausgasen soll Wirtschaft und Verbrauchern einen Anreiz geben, weniger fossile Brennstoffe zu verwenden. Es gibt ein europäisches und ein nationales Handelssystem. Kraftwerke, große Industrieanlagen, der innereuropäische Luftverkehr sowie 2024 erstmals der Seeverkehr benötigen die europäischen Berechtigungen. Pro Tonne ausgestoßenem CO₂ müssen sie ein Zertifikat bei der Emissionshandelsstelle abgeben. Erwerben können sie diese Verschmutzungsrechte unter anderem bei Versteigerungen an der Energiebörse in Leipzig. 

Weniger Geld aus dem europäischen CO₂-Preis: Kohlekraftwerke gehen vom Netz

Rund 5,5 Milliarden Euro wurden 2024 im europäischen Handel erlöst, das sind rund 28 Prozent weniger als 2023. Der durchschnittliche Preis der europäischen Emissionszertifikate ging von knapp 84 Euro auf 65 Euro je Tonne zurück. Als Hauptgründe für den Rückgang sieht die DEHSt etwa die gesunkene Nachfrage durch Kohlekraftwerksbetreiber sowie eine insgesamt „durchwachsene wirtschaftliche Entwicklung in der EU“. Im europäischen Emissionshandel wird die Menge der zugeteilten Emissionsberechtigungen jährlich gesenkt, um die Emissionen schrittweise immer stärker zu begrenzen.

Die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel für Wärme und Verkehr stiegen um 21 Prozent auf 13 Milliarden Euro. Die sogenannte CO₂-Abgabe wird unter anderem auf Benzin, Diesel, Heizöl, Flüssig- und Erdgas erhoben. Seit 2024 fällt sie auch bei der Verbrennung von Abfällen an. Bezahlen müssen sie etwa Gaslieferanten oder Unternehmen der Mineralölindustrie. Sie reichen sie dann an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Im Unterschied zu den europäischen Zertifikaten werden die nationalen derzeit nicht verknappt. Das wird erst ab 2028 der Fall sein, wenn deutsche Verbraucher auch im europäischen System erfasst werden.

Hoher CO₂-Preis ab 2027 zu erwarten: Experten fordern Entlastung durch Klimageld

Der CO₂-Preis im nationalen Emissionshandel betrug im vorigen Jahr 45 Euro je Tonne. Zu Jahresbeginn 2025 wurde er auf 55 Euro angehoben. Für dieses Jahr geht die DEHSt entsprechend von höheren Erlösen im nationalen Handel aus. Ab 2026 soll sich der nationale Preis zunächst in einem Korridor und dann frei am Markt bilden wie schon jetzt im europäischen Handelssystem. Experten rechnen dann mit deutlich höheren CO₂-Preisen als zurzeit. 

Die beiden Handelssysteme beziehen sich grundsätzlich auf unterschiedliche Sektoren. Einige Unternehmen werden allerdings aufgrund ihrer breiten Handlungsfelder von beiden Systemen erfasst. Für diesen Fall gibt es Mechanismen, die eine Doppelbelastung ausschließen.

Die CO₂-Bepreisung könne maßgebliche Impulse für den klimaschonenden Umbau der Gesellschaft setzen, erklärte UBA-Präsident Dirk Messner. Dabei komme den Erlösen aus dem Emissionshandel eine entscheidende Rolle zu. Diese Mittel müssten zielgerichtet für eine sozial- und wirtschaftspolitische Flankierung der klimaneutralen Transformation eingesetzt werden. „Um einen Ausgleich für die privaten Haushalte auch bei weiter steigenden CO₂-Preisen sicherzustellen, brauchen wir jetzt rasch ein Klimageld in Kombination mit Förderprogrammen für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen“, führte Messner aus.

Klimageld findet in den Wahlprogrammen kaum statt: Linke wollen 320 Euro pro Person

Danach sieht es aktuell aber nicht wirklich aus. Eine Analyse der Wahlprogramme der Parteien, die am 23. Februar zur Neuwahl stehen, zeigt: Die meisten erwähnen das Klimageld nur schemenhaft – Details bleiben aus. Die CDU schreibt zwar, man wolle einen „sozialen Ausgleich“ schaffen, um Verbraucher und Unternehmen zu entlasten; sie schreibt aber auch, dass sie zuerst die Einnahmen aus dem Emissionshandel nutzen würde, um Stromsteuer und Netzentgelte beim Strom zu senken. Beides zu machen, gilt eher als unrealistisch. Die AfD würde den CO₂-Preis komplett abschaffen und die FDP erwähnt das Klimageld mit keinem Wort.

Die SPD schreibt, sie würde ein Klimageld erst 2027 einführen wollen, wenn das europäische Verfahren auch für Gebäude und Verkehr gilt. Die Grünen hingegen befürworten das Klimageld „so schnell wie möglich“, allerdings lediglich für Personen mit kleinen und mittleren Einkommen. Lediglich die Linke wird in ihrem Wahlprogramm konkret: Sie fordert ein soziales Klimageld in Höhe von 320 Euro pro Person, vor allem für kleine und mittlere Einkommen. Das bisher fehlende Klimageld nennt die Linkspartei „Betrug an den Wähler:innen“.

Bayern möchte mehr aus dem CO₂-Preis bekommen: 25 Prozent sollten an die Länder gehen

„2024 war ein gutes Jahr für den Emissionshandel, aber es bleibt noch viel zu tun“, sagte der Chef der Emissionshandelsstelle, Daniel Klingenfeld, der Deutschen Presse-Agentur dpa. So seien etwa deutlich mehr CO₂-Einsparungen im Verkehrssektor nötig. Dies könne durch den Ausbau der Elektromobilität, den Abbau des Dienstwagenprivilegs sowie anderer klimaschädlicher Subventionen geschehen, schlug er vor.

Aus Sicht von Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber müssen die Bundesländer an den deutschen Einnahmen aus dem Verkauf von Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten beteiligt werden. Mindestens 25 Prozent der Erlöse müssten an die Länder gehen, sagte der Freie-Wähler-Politiker in München. „Die Länder müssen mit zusätzlichen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um Klimaschutzmaßnahmen vor Ort substanziell fördern zu können. Hier muss die neue Bundesregierung wichtige Weichen stellen.“ (mit dpa)

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