Bei Deutschlands Verbraucherschützern häufen sich die Beschwerden über schrankenlose Parkplätze, die die Kennzeichen per Video erfassen. Denn oft haben die Kunden keinen Nachweis, wenn sie eine saftige Zahlungsaufforderung bekommen. Nach einem kuriosen Vorfall in Weilheim will ein verärgerter Autofahrer jetzt klagen.
„Am Parkplatz am Unteren Graben in Weilheim spukt es“, sagt Wolfgang Schnetzer. Der 75-Jährige aus dem Herrschinger Ortsteil Breitbrunn hat seinen Humor noch nicht verloren, und tatsächlich wäre die Geschichte zum Lachen, wenn sie nicht bitterernst wäre. Denn seit Monaten ärgert sich Schnetzer mit einem Fall herum, der an Absurdität nicht zu überbieten ist. Doch der Reihe nach.
Am 12. Mai war Schnetzer wegen eines Zahnarzttermins in Weilheim und parkte seinen Volvo mit dem Nummernschild STA FF-543 auf dem privaten Parkplatz am Unteren Graben. Die Gebühr betrug 1,50 Euro, Schnetzer hat sie bezahlt, wie er auf einem Kontoauszug nachweisen kann. Eine Woche später, am 19. Mai, war er wieder in Weilheim, selber Parkplatz, aber anderes Auto – dieses Mal war er mit seinem BMW Cabrio unterwegs, Kennzeichen M ZZ-7711. „Und dann ging es los“, sagt Schnetzer.
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Er beteuert: „Ich war an diesem Tag nicht mit diesem Auto auf dem Parkplatz“
Am 4. Juni erhielt er eine Zahlungsaufforderung der Firma Park+Platz, die den Parkplatz in Weilheim betreibt. Er habe seinen Wagen dort fast eineinhalb Stunden abgestellt und die Gebühr von drei Euro nicht bezahlt, weshalb ihm 39,09 Euro in Rechnung gestellt werden, wurde ihm schriftlich mitgeteilt. Der Parkvorgang sei mit dem kamerabasierten Kennzeichenerfassungssystem dokumentiert. Das Entscheidende: Die Firma gab als Nummernschild die Münchner Nummer an.
Schnetzer beteuert aber, an dem Tag mit dem Volvo in Weilheim gewesen zu sein. Er hat uns eine eidesstattliche Versicherung seiner Frau geschickt, die bezeugt, dass ihr Mann an diesem Tag mit dem Volvo nach Weilheim gefahren war und der Cabrio-BMW den ganzen Tag in der Garage gestanden habe. Park+Platz schickte ihm als Beleg zwei Screenshots mit Zeitstempel, die Schnetzer aber anzweifelt: „Die verweisen nur auf ihr System, das offenbar fehlerhaft arbeitet. Denn ich war an diesem Tag nicht mit diesem Auto auf dem Parkplatz.“
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Andere Bilder wurden von der Firma angeblich gelöscht
Dass seine Zweifel an dem System begründet sind, belegt Schnetzer mit einer weiteren Anekdote des ohnehin schon kuriosen Falls. Als er im Internet am 11. Juni den Parkverlauf bei Park+Platz anschaute, traute er seinen Augen nicht: Da stand, dass er seit dem 12. Mai auf dem Parkplatz am Unteren Graben stehe und bereits Gebühren von 593,50 Euro offen seien. Pikant: Als Kfz-Kennzeichen wurde die Starnberger Nummer angegeben, mit dem Schnetzer in Weilheim war, was Park+Platz ja anzweifelt. Der 75-Jährige hat gleich einen Screenshot gemacht, was eine gute Idee war, denn kurz darauf war nichts mehr zu sehen – die Firma hatte den offensichtlichen Fehler kurzerhand gelöscht. „Außerdem war ich mit dem Auto zwischenzeitlich beim TÜV, was ich belegen kann“, sagt Schnetzer.
Was ihm auch komisch vorkommt: Die Bilder vom angeblichen Parkvorgang seines Cabrios mit Münchner Kennzeichen am 12. Mai hat der Parkplatz-Betreiber zugeschickt, die vom tatsächlich stattgefunden Parkvorgang dieses Autos am 19. Mai gemachten Bilder seien dagegen gelöscht worden, habe ihm das Unternehmen mitgeteilt. Jetzt wäre es natürlich interessant, was Park+Platz zu dem Fall zu sagen hat, doch die Firma wollte sich auf Anfrage der Heimatzeitung nicht äußern.
Schnetzer hat die Rechnung über 39,09 Euro zähneknirschend bezahlt, weil er weiß, dass Inkasso-Firmen da nicht mit sich reden lassen. Doch auf sich beruhen lassen will er den Fall nicht: Er hat schon zahlreiche Anwaltskanzleien angeschrieben, ob sie Interesse haben, den Fall seines „Geister-Autos“ zu vertreten. Denn ihm geht es grundsätzlich um die Probleme beim schrankenlosen Zahlen, bei dem die Quittung am Automaten oft nicht ausgespuckt wird und der Nutzer keinen Nachweis hat. „Und selbst wenn, wer hebt denn einen Parkzettel zwei Monate auf? So entwickelt sich die schrankenlose Zukunft bei Parkplätzen zum schrankenlosen Griff ins Portemonnaie“, ärgert sich Schnetzer.
Weiter Ärger am Ärztehaus-Parkplatz
Auch am schrankenlosen Parkplatz am Weilheimer Ärztehaus reißen die Beschwerden nicht ab. Dort funktioniert der Automat öfter nicht, sagt Nicole Nawrath aus Peißenberg. „Ich musste öfter ins Ärztehaus, weil meine Tochter in Behandlung war, aber jedes Mal funktionierte etwas nicht: Mal gibt dort kein Wechselgeld, die Bankkarte wird oft nicht akzeptiert und die Belege kommen auch nicht heraus“, ärgert sie sich. Sie hat schon eine 54-Euro-Zahlungsaufforderung vom Betreiber bekommen, obwohl sie eigenen Angaben zufolge bezahlt hat, aber es nicht belegen konnte. Sie habe viele andere getroffen, denen es ebenso ergangen ist. „Jeder schüttelt da nur noch den Kopf, das ist eine Frechheit“, sagt Nawrath.
Die Mobility Hub Parkservice GmbH mit Sitz in Grünwald teilte auf Anfrage mit, dass die geschilderten Probleme bekannt seien und behoben wurden. „An beiden Automaten funktioniert die Münzzahlung wieder einwandfrei, inklusive der Ausgabe von Wechselgeld und Quittungen“, sagte eine Sprecherin. Bei Kartenzahlung könne es wegen unterbrochener Internetverbindung zu Problemen kommen. Dann solle man es nochmal probieren oder online bezahlen. „Wir nehmen jede Beschwerde ernst und prüfen sie sorgfältig“, heißt es, es gebe in Ausnahmefällen auch Kulanzregelungen.
Vor rund einem Monat klebte jedoch am Automaten ein handgeschriebener Zettel „kein Wechselgeld“, der war vergangene Woche immer noch da.