Am Freitag, 3. Oktober, wurde in Memmingen der „Memminger Freiheitspreis 1525“ an Christian Streich verliehen. Die Preisverleihung und der Schwabentag standen im Zeichen von Demokratie, gesellschaftlichem Engagement und kultureller Vielfalt.
Memmingen – Der „Tag der Deutschen Einheit“ ist deutschlandweit ein gesetzlicher Feiertag, doch in Memmingen war der 3. Oktober in diesem Jahr dazu noch etwas ganz Besonderes. Dort fand nicht nur die Verleihung des „Memminger Freiheitspreis 1525“ statt, auch der Bezirk Schwaben richtete dieses Mal den „Schwabentag“ in der Maustadt aus.
Bereits um 10 Uhr ging es sportlich los. Der ehemalige Fußball-Bundesligatrainer und diesjährige Freiheitspreisträger Christian Streich eröffnete als Schirmherr das inklusive Fußballturnier auf dem Hallhof. Verschiedene Teams der „Bananenflanke“ aus der Region spielten um den Sieg.
Das Team „Bananenflanke“ ist ein gemeinnütziger Verein, der deutschlandweit Fußballturniere für inklusive Mannschaften von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen organisiert.
Für Preisträger Christian Streich war der Tag organisatorisch eine Herausforderung: Gleich nach der Turniereröffnung musste er vom Sportdress in den „feinen Zwirn“ wechseln und zur Martinskirche eilen, um dort den diesjährigen „Memminger Freiheitspreis 1525“ entgegenzunehmen. Rund 1.000 Gäste folgten der feierlichen Preisverleihung in der Martinskirche und etwa 1.500 Zuschauer im Livestream.
Nach seiner Begrüßung widmete sich Oberbürgermeister Jan Rothenbacher ganz der wichtigsten Person des Tages: dem neuen Preisträger des „Memminger Freiheitspreises 1525“ Christian Streich. „Als prägende Persönlichkeit des deutschen Fußballs zeichnet sich Christian Streich nicht nur durch sportliche Erfolge aus, sondern auch durch sein engagiertes Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit und jegliche Form von Diskriminierung“, würdigte das Memminger Stadtoberhaupt den Preisträger in einem bewegenden Festakt zur Preisverleihung.
Auch Laudatorin Claudia Roth machte aus ihrer Begeisterung für den langjährigen Fußball-Bundesligatrainer Christian Streich keinen Hehl. Vor 500 Jahren haben in Memmingen einfache Frauen und Männer, Bäuerinnen und Bauern, ihre Stimme erhoben, erinnerte Staatsministerin a.D. Claudia Roth in ihrer Laudatio an die Zwölf Artikel von 1525.
Sie haben aufgeschrieben, was damals unerhört war: Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde. Ihre Zwölf Artikel waren wie ein Flankenlauf ins Offene, wie ein Ball, der das Spielfeld Europas veränderte.
Roth weiter: „Heute ehren wir einen Mann, der diesen Ball aufgenommen hat. Einen, der ihn weiterspielt in unsere Zeit hinein. Einen, der zeigt, dass Freiheit und Menschenwürde immer wieder verteidigt werden müssen.“
Christian Streich erhält „Memminger Freiheitspreis 1525“: Fußball als Plattform für Demokratie
Für Christian Streich sei Fußball mehr als Taktik und Technik, mehr als der aktuelle Tabellenplatz, betonte die Laudatorin. „Fußball sollte in Sachen Haltung immer Champions League sein, denn die Stadien sind Resonanzräume.“ Christian Streich habe das Stadion zum Lernort für Demokratie gemacht.
Die ehemalige Staatsministerin für Kultur und Medien der vorherigen Bundesregierung bot dem Publikum etliche Zitate, mit denen Christian Streich seit 2015 gegen Rassismus und für Vielfalt Stellung bezog.
Für Roth war es umso erfreulicher, dass der erfolgreiche langjährige Fußball-Bundesligatrainer Woche für Woche ein Millionenpublikum in und um die Stadien erreichte. Sport sei niemals unpolitisch, betonte Claudia Roth, und Reichweite bedeute auch Verantwortung. Christian Streich habe sich mit Leidenschaft dieser Verantwortung gestellt.
„Du erreichst Menschen, die vielleicht nie eine Ausstellung besuchen würden, oder die nur selten ins Theater gehen, die eher kein politisches Manifest lesen – aber Dir hören sie zu. Weil Du nicht nur ein Kulttrainer und nicht nur eine Ikone für sie auf dem Fußballplatz bist, sondern vor allem, weil Du Haltung zeigst, in jedem Moment deines Lebens. Du wirkst im Kleinen – in der Kabine, im Gespräch mit jungen Spielerinnen und Spielern, im Alltag –, und im Großen – in Interviews, in Pressekonferenzen, mit Worten, die mitten ins Herz treffen.“
Und wir wissen: Das Spiel der Freiheit kennt keinen Abpfiff. Es geht in die Verlängerung.
Christian Streichs Beispiel inspiriere alle weiterzuspielen – für die Freiheit, für die Demokratie, für das Leben. „Und wir wissen: Das Spiel der Freiheit kennt keinen Abpfiff. Es geht in die Verlängerung“, betonte Claudia Roth.
Christian Streich erhält „Memminger Freiheitspreis 1525“: Die gesellschaftliche Verantwortung der Demokratie gegenüber
Als Christian Streich seine Urkunde entgegennahm, gab er zunächst einen tiefen Seufzer von sich. Der Fußball habe ihn vieles gelehrt, denn zahlreiche Spieler kamen von überallher aus anderen Ländern.
Wenn man es als Trainer zulässt, dass die Spieler aus anderen Kulturen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten frei ausleben können, in einem demokratischen Sinne frei, dass sie sich frei fühlen in der Fremde, dann sind sie jeden Tag besser geworden. Ich hatte das Glück, dass diese Werte in Freiburg schon von meinen Vorgängern gelebt wurden.“
In Pressekonferenzen sei Streich auch zu politischen Ereignissen gefragt worden. Dann habe er darauf geantwortet und niemand habe ihm das Wort verboten – nicht im Verein und auch sonst nirgends. Er sei kritisiert oder gelobt worden, aber alle hätten ihn reden lassen.
Warum durfte ich reden? Weil ich in einem freien, demokratischen Land lebe. Ich durfte meine Meinung äußern.
Diesen Rahmen der Demokratie gelte es zu schützen, forderte Christian Streich auf. Dass er auch heute noch kein Blatt vor den Mund nimmt, machte er am Ende seiner Dankesrede deutlich. „Jetzt bin ich 60 Jahre alt und habe noch keinen Krieg erlebt. Ich habe 60 Jahre lang sagen dürfen, was ich wollte. Und jetzt sind Bestrebungen da, dass die Menschen nicht mehr sagen dürfen, was sie wollen. Jetzt soll es eingeschränkt werden. Jetzt sollen ethnische Gruppierungen ausgeschlossen werden, die so viel für unsere Demokratie getan haben und jeden Tag so viel einbringen. Was für eine Absurdität! Und was für ein Angriff auf unsere kulturelle Vielfalt!“
Er sparte auch nicht an Kritik und ging unter anderem mit den Vereinigten Staaten von Amerika und deren aktueller Regierung hart ins Gericht. Er sei sich nicht sicher, ob er seine Meinung dort in aller Öffentlichkeit noch sagen könne, da diese älteste kontinuierlich bestehende Demokratie der Welt seiner Ansicht nach unverkennbar auf dem Weg in die Autokratie sei.
Christian Streich erhält „Memminger Freiheitspreis 1525“: Musikalischer Festakt und historische Bezüge
Den „Memminger Freiheitspreis 1525“ nehme er stellvertretend für alle entgegen, die Ausgrenzung widersprechen, sagte Christian Streich. „Es geht darum, dass man jeden Tag hinschaut und wenn jemand dummes Zeug erzählt, auch sagt: Nein, so geht es nicht! Mehr ist es nicht, aber es ist notwendig, dass das die ganze Zeit passiert.“
Worte, die die Anwesenden mit „Standing Ovations“ lautstark unterstrichen. Christian Streich dankte auch für die „großartige Musik“ im Festakt, die ihn fast zu Tränen gerührt habe. Unter der Gesamtleitung von Kirchenmusikdirektor Hans-Eberhard Roß sangen und spielten der Konzertchor St. Martin, das Bachkantatenorchester St. Martin, die Kinderkantorei St. Martin und der Bläserchor St. Martin (Leitung Rolf Spitz).
Christian Streich erhält „Memminger Freiheitspreis 1525“: Verlesung der Zwölf Artikel
„Freiheit ist das Thema für eine Stadtgesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt“, erklärte Dekanin Claudia Schieder, Sprecherin des Kuratoriums, die durch das Programm des Festakts führte. Daher wurden die Zwölf Artikel von Vertreterinnen und Vertretern der Memminger Stadtgesellschaft verlesen, unter anderem von Repräsentanten des Stadtrats, der Jugend, des Gerichts oder der Vereine. Ökumenische Segensworte von Prodekan Pater Joshy Palakunnel und Dekan Christoph Schieder beschlossen die Preisverleihung.
Schwabentag des Bezirks unter Motto „Demokratie gestalten“
Anlässlich der Preisverleihung fand der diesjährige „Schwabentag“ des Bezirks Schwaben und der Stadt Memmingen unter dem Motto „Demokratie gestalten“ statt. Draußen, um St. Martin herum, nahm der Tag derweil Anlauf für allerlei Aktivitäten, musikalischen Genuss, neugierstillende Information und spielerische Unterhaltung für Groß und Klein.
Auf dem Marktplatz begrüßten Oberbürgermeister Jan Rothenbacher und Petra Beer als Vertreterin des Bezirkstagspräsidenten die Menschen und eröffneten den „Schwabentag“. Drei Konzerte folgten dort bis zum Abend. Die Deutsch-Kanadierin Ceci aus Augsburg mit ihrer Band, das Trio „ScheinEilig“ spielte danach eine „Oriental-Folk-Funk“- Mischung, in der Tradition auf Moderne traf.
Später dann spielte die Stadtkapelle Memmingen noch traditionelle Blas- und Unterhaltungsmusik. Abgeschlossen wurde der Abend durch eine musikalische Mitmachaktion von „Deutschland singt und klingt“. Das Ensemble Paraplui lud die Besucher zum gemeinsamen Singen ein.
Treffpunkt Stadthalle mit Markt der Möglichkeiten und offene Tür beim Landgericht
Auch die Stadthalle spielte beim „Schwabentag“ eine wichtige Rolle als Location. In und am Platz vor der Stadthalle brachten sich zahlreiche Organisationen und Initiativen mit Infoständen, Mitmachaktionen und Podiumsdiskussionen ein.
Begeisterten Applaus der Zuschauer erhielt Preisträger Christian Streich in einem sympathischen Interview mit Fernsehmoderator Johannes B. Kerner zu Themen wie Karriere, Gesellschaft, Haltung und auch Persönlichem.
Der Bezirksjugendring organisierte eine Podiumsdiskussion mit Vertretern einer Jugendkonferenz und den regionalen Politikern zum Thema „Freiheitsrechte heute“. Draußen vor der Halle standen vor allem bei Mitmachaktionen und Spielen die Kinder im Mittelpunkt.
Das Landgericht Memmingen nutzte ebenfalls den großen Besucherandrang und hatte zu einem „Tag der offenen Tür“ eingeladen.
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