Zahlreiche Besucher erhalten erlebnisreiche Einblicke in Justitias Hallen

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Zahlreiche Besucherinnen und Besucher lauschten gespannt den Erzählungen von Landgerichtspräsident Konrad Beß. © Linda Mayer-Verbeek

Am Freitag, 3. Oktober, nutzten mehrere Hundert Besucher die Gelegenheit, das Landgericht Memmingen beim ersten Tag der offenen Tür kennenzulernen.

Memmingen – Am 3. Oktober 2025 war so einiges geboten in Memmingen. Neben dem krönenden Abschluss des Gedenk- und Eventjahres „500 Jahre Zwölf Artikel“ mit der Verleihung des Freiheitspreises an Christian Streich und dem Schwabentag fand im Landgericht Memmingen der erste Tag der offenen Tür statt.

In Anbetracht des gebotenen Programms an diesem Tag fanden sich erstaunlich viele Besucherinnen und Besucher, mehrere Hundert an der Zahl, im Landgericht. Gebannt lauschten sie bei den Führungen von Landgerichtspräsident Konrad Beß, Stadtarchivar Christoph Engelhard und Künstlerin Dr. Corinna-Rosa Falkenberg.

Landgericht Memmingen Tag der offenen Tür Gemälde König Maximilian II. von Bayern
Der Maximiliansbau, in dem das Landgericht Memmingen untergebracht ist, verdankt seinen Namen König Maximilian II. von Bayern. Wieso? Weil der Grundstein des Gebäudes am 28. November 1856 gelegt wurde – am 45. Geburtstag des Monarchen. Das Gemälde hängt im Treppenhaus des Landgerichts. © Linda Mayer-Verbeek

Schon zu Beginn standen Interessierte im Eingangsbereich des Landgerichts Schlange. Einzeln wurden sie durch die Schleuse gelassen. „So einen Ansturm haben wir selten“, sagte ein Justizangestellter scherzhaft zu den wartenden Gästen.

Beim Landgericht trifft Historie auf Neuzeit. Nicht nur bei der Architektur des dreiteiligen Gebäudekomplexes, wie Christoph Engelhard und Konrad Beß im Rahmen der Veranstaltung berichteten.

Die willkürlichen Strafmaße sollen aufgehoben und nicht nach Gunst, sondern nach altem Herkommen neu festgesetzt werden.

Neu ziert Artikel 9 der Zwölf Artikel das Treppenhaus des Maximiliansbaus. Konrad Beß stellte den Schriftzug, dem gegenüber das Antlitz von König Maximilian II. hängt, vor. Der Wortlaut sei nicht ganz derselbe wie 1525. Diesen habe er auf die Neuzeit angepasst. Dennoch habe die Schrift auch heute noch eine universelle Gültigkeit. Denn Urteile sollen gerecht, dem Strafmaß angepasst und ohne Willkür der Akteure getroffen werden.

Zahlreiche Besucher erhalten erlebnisreiche Einblicke in Justitias Hallen: Spital, Schule, Gericht

Bis ins 13. Jahrhundert zurück reicht die Geschichte des heutigen Hallhofs Nr. 4 – ein Gebäude mit vielfältiger Nutzung. Und wer könnte diese Geschichte besser erzählen als Stadtarchivar Christoph Engelhard.

Mit viel Witz und noch mehr spannenden Fakten erweckte er die Geschichte des Bauwerks zum Leben. Zunächst war es ein Spital, das erst vom Hospitalorden vom Heiligen Geist und später als „Unterhospital“ von der Reichsstadt Memmingen betrieben wurde. Danach beherbergte es die Karolinenschule und anschließend die erste „Kinderbewahranstalt“, einen Vorläufer der Kindertagesstätten.

Landgericht Memmingen Tag der offenen Tür Führung Stadtarchivar Christoph Engelhard
Mit viel Witz und noch mehr spannenden Fakten erweckte Stadtarchivar Christoph Engelhard die Geschichte des Bauwerks „Hallhofschule“ zum Leben. © Linda Mayer-Verbeek

Ab 1860 wurde das Gebäude als Schule genutzt, was den heute noch geläufigen Namen „Hallhofschule“ erklärt. Fünf Jahre später kam eine milchwirtschaftliche Untersuchungsanstalt hinzu. Ab 1931 war es die Höhere Mädchenschule, aus der das heutige Vöhlin Gymnasium hervorging. Mitte der 1980er Jahre wurde das Gebäude in die Erweiterung des Landgerichts einbezogen.

Das Landgericht Memmingen in seiner heutigen Form setzt sich aus der „Hallhofschule“, dem Maximiliansbau und dem Verbindungsgebäude zusammen. Wer hätte gedacht, dass hier rund 120 Personen – darunter Richter, Rechtspfleger, Staatsanwälte und Verwaltungsfachkräfte – arbeiten? „Deshalb kommen viele unserer Kollegen schon früh morgens zum Arbeiten, damit sie noch einen Stellplatz in der Tiefgarage ergattern“, erklärte Konrad Beß mit einem Augenzwinkern.

Nicht nur strafrechtliche Prozesse behandelt das Landgericht. Das Zivilrecht mache den größeren Teil der Verhandlungen aus. Besonders viele Fälle betreffen auch das Fluggastrecht, was der Nähe zum Allgäu Airport geschuldet ist.

Zahlreiche Besucher erhalten erlebnisreiche Einblicke in Justitias Hallen: Prachtvoller Eyecatcher im Foyer

Ein besonderes Highlight und Beß’ Lieblingsstück im Landgericht ist das 18-teilige Glasfensterbild „ReinekeFuchs“ von Markus von Gosen. Es zeigt die Gerichtsszene aus Goethes gleichnamigem Epos, in dem der Reineke aufgrund verschiedener Anschuldigungen zum Gericht des Königs Nobel vorgeführt wird. Eingebettet in das Glaskunstwerk sind unter anderem das Zeichen „Paragraph“ sowie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

Zahlreiche Besucher erhalten erlebnisreiche Einblicke in Justitias Hallen: Wie läuft ein Strafprozess ab?

Andrang herrschte bei den nachgestellten Strafprozessen: Bis auf den letzten Platz gefüllt war der Zuschauerraum, in den Türen standen Leute und auch im Strafraum waren die Plätze gut belegt. Mit Spannung verfolgten Menschen allen Alters, wie ein Strafprozess am Landgericht abläuft.

Landgericht Memmingen Tag der offenen Tür nachgestellter Strafprozess
Beim nachgestellten Strafprozess erfuhren zahlreiche Besucherinnen und Besucher jeden Alters, wie es bei Gericht zugeht. Die Aktion zeigte, dass Recht nicht nur trockene Theorie, sondern ein spannendes Erlebnis ist. © Linda Mayer-Verbeek

Der Tag der offenen Tür zeigte eindrücklich, dass im Landgericht – entgegen der Vorstellung vieler – durchaus auch Spaß vertreten ist und dass Recht ein Erlebnis sein kann.

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