Putins Mann im Gepäck: Stichwahl in Rumänien – im Ukraine-Krieg drohen Probleme

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Rumäniens Schicksalswahl am Sonntag könnte ein scharf-rechtes Duo an die Macht befördern. Das hätte Folgen – auch für EU, Nato und Ukraine-Krieg.

Rumänien steht am Sonntag vor einer Schicksalswahl: Favorit in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl ist Umfragen zufolge George Simion, der Chef der rechtsradikalen AUR. Eng im Bunde ist er mit Călin Georgescu – jenem Verschwörungstheoretiker und Russlandtreuen, der Ende 2024 wohl mit massiver Social-Media-Hilfe Russlands den annullierten ersten Anlauf zur Präsidentenkür gewonnen hatte. Simion bezeichnet sich nun als Georgescus „Ersatzkandidat“. Und er will bei einem Wahlsieg Georgescu zum Ministerpräsidenten machen.

Wie ernst ist die Lage? Sehr ernst, meint Raimar Wagner. „Wenn man sagt, die Zukunft Rumäniens steht auf dem Spiel, dann sagt man nicht zu viel“, erklärt der Projektbüroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Rumänien im Gespräch mit dem Münchner Merkur. Georgescu wolle Rumänien aus Nato und EU herauslösen – und er propagiere ein Ein-Parteien-System.

Rumänien vor der Stichwahl: TikTok-Extremist könnte über Umwege an die Macht kommen

Die Annullierung des ersten Präsidentschaftswahlgangs aus dem November wegen einer russisch manipulierten Kampagne auf TikTok hatte sogar auf weltpolitischer Bühne Wellen geschlagen: US-Vizepräsident J.D. Vance rügte die Entscheidung des rumänischen Verfassungsgerichtshofes bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Wenn eine Demokratie mit ein paar Hunderttausend Dollar zerstört werden könne, dann sei sie wohl nicht sonderlich stark gewesen, spottete er.

Die Rechtsextremen George Simion und Călin Georgescu greifen in Rumänien nach der Macht – ganz im Sinne von Wladimir Putin.
Die Rechtsextremen George Simion und Călin Georgescu greifen in Rumänien nach der Macht – ganz im Sinne von Wladimir Putin. © Alex Nicodim/Kristina Kormilitsyn/Imago

Der Vorgang polarisiere auch in Rumänien immer noch, bestätigt Wagner. Das „nationalistische, souveränistische Lager“ nehme das Urteil als Verrat im Sinne der langjährigen Regierungsparteien wahr. An der Manipulation an sich gebe es aber keine Zweifel mehr: Georgescu sei über drei Wochen weltweit auf Rang neun der TikTok-Trends gewesen – und die chinesische Plattform selbst habe russische Manipulation des Algorithmus in einem Bericht an die EU bestätigt. Der Experte, selbst Angehöriger der deutschen Minderheit in Rumänien, bestätigt aber auch tieferliegende Probleme.

Călin Georgescu: TikTok-Wunder – und Bewunderer von Putin und Faschisten

Călin Georgescu ist eine durchaus schillernde Gestalt. Mehr als ein Jahrzehnt lang war er im Umweltministerium tätig – und von 2010 bis 2012 gar UN-Berichterstatter. Georgescu inszeniert sich als religiös und verherrlicht rumänische Faschisten der 30er- und 40er-Jahre als „Helden“. „Er ist ein Putin-Bewunderer“, sagte Wagner unserer Redaktion. Der Rechtsradikale habe zudem Gefahren des Coronavirus negiert. Sein Glaube und starkes Immunsystem schützten ihn vor Infektionen, behauptete Georgescu in einem Video. Sein TikTok-Account zählte Ende 2024 3,7 Millionen Likes.

Über die vergangenen 30 Jahre hätten Sozialdemokraten und Konservative die Regierung gestellt. In dieser Zeit habe Rumänien zwar einen Aufschwung erlebt – allerdings habe das Land auch ein massives Haushaltsdefizit. Bei vielen Bürgern sei ein Eindruck von Korruption entstanden. Und der eines Fortschritts trotz, nicht wegen der Regierungspolitik. Eine überwältigende Mehrheit der Wähler habe zuletzt mit dieser Politik abgerechnet.

Stichwähl in Rumänien: Hoffnung der Demokraten – Wer ist Nicușor Dan?

Wenn nun tatsächlich das Duo Simion und Georgescu als Staats- und Regierungschef in Amt und Würden komme, drohe ein massiver Wandel. Auch die Unterstützung des Nachbarlandes Rumänien für die Ukraine stünde auf dem Spiel. Beobachter im Land sähen mittlerweile weniger eine Personenwahl als eine Richtungsentscheidung zwischen liberaler Demokratie und Autoritarismus und Faschismus.

Auf Nicușor Dan ruhen die Hoffnungen der liberalen Demokraten in Rumänien.
Auf Nicușor Dan ruhen die Hoffnungen der liberalen Demokraten in Rumänien. © IMAGO/Alex Nicodim

Vielleicht gerade deshalb könnte Simions Gegenkandidat Nicușor Dan eine Chance haben. Der Mathematiker und parteilose Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest gilt zwar nicht als Charismatiker. Aber, so Wagner, als Demokrat. „Er selber ist ein konservativer Liberaler nach meiner Einschätzung“, sagt der Vertreter der FDP-nahen Stiftung. Zudem habe Dan einen Ruf als „Unabhängiger“ – das könnte angesichts des Ärgers über die Regierungsparteien ein Vorteil sein. Er hatte 2017 die von ihm selbst mitgegründete Partei „Union Rettet Rumänien“ wegen eines Streits um die Verankerung der „Ehe zwischen Mann und Frau“ in der Verfassung verlassen. Dan wollte eine neutrale Position, der Parteivorstand wollte den Vorstoß ablehnen.

Rumäniens Schicksals-Stichwahl: Auch die EU und die Nato müssen bangen

Gewinnt Dan nicht, könnte auch Europa vor massiven Problemen stehen. Etwa die Chefposten bei Rumäniens Geheimdiensten könnte Simion laut Wagner neu besetzen. Und natürlich hat Rumänien – ähnlich wie Ungarn – in vielen EU-Entscheidungen eine Art Veto-Recht. Auch Simion und Georgescu könnten im Sinne Russlands Blockadepolitik betreiben. Ulf Steindl, Experte für europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, sieht im Gespräch mit unserer Redaktion Risiken.

„Umschwünge“ durch nationale Wahlen und das Erstarken populistischer Bewegungen könnten immer die gemeinsame Position der EU und langfristige Strategien untergraben. Gerade in der Verteidigungspolitik, wo Einstimmigkeit nötig oder zumindest angestrebt ist. Rumänien sei dabei nur das „letzte und aktuellste Beispiel“. Das Land ist auch ein wichtiger Standort der Nato. Vor allem Viktor Orbáns Ungarn, aber auch die Slowakei und zwischenzeitlich Polen bereiten immer wieder Probleme.

Eine Lösung gebe es zwar in Form von „Koalitionen der Willigen“, wie zuletzt mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Dennoch schwäche das die „Kohärenz“ in der EU-Politik. Mittel- bis langfristig sollte die EU qualifizierte Mehrheiten statt Einstimmigkeit zur Maßgabe machen, meint der Wissenschaftler des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik. Bis dahin müsse man aber „pragmatische“ Lösungen suchen. Mit anderen Worten: Es bleibt schwierig – und eine prorussische Regierung in Rumänien würde das Problem vertiefen.

Präsidentenwahl in Rumänien: „Schock“ und „Panikzustand“

Doch vor dem Wahlgang am Sonntag gibt es noch Hoffnung. Umfragen sahen Simion mit vier bis fünf Prozentpunkten in Front. Im ersten Durchgang war Simion gute 20 Prozentpunkte vor Dan gelegen. Wagner zufolge ruhen die Hoffnungen darauf, eher progressive Nicht-Wähler in Rumäniens städtischen Gebieten anzusprechen – sie könnten den Vorsprung noch ausgleichen. Ausgeschlossen sei das nicht: Das Ergebnis der ersten Runde habe viele Rumänen in eine „Schock-“ und „Panikzustand“ versetzt. Künstler, Vereine, Medien und alle Kirchen – mit Ausnahme der orthodoxen – riefen zur Wahl Dans auf.

Am Wochenende vor der Wahl gingen Tausende in Bukarest und anderen Städten für die Bindung an Europa auf die Straße. Simion, Politiker mit Hooligan-Vergangenheit, knüpfte angesichts dessen direkt an Erzählungen aus Russland an: Er warf Dan in einem Tweet vor, „einen Maidan gegen den Willen des rumänischen Volkes“ zu schaffen. Der Maidan, Symbol für die letztlich erfolgreichen Proteste der Ukrainer gegen einen prorussischen Kurs, ist ein Lieblingsfeindbild des Kreml – die Rede ist dann oft von „Farbenrevolutionen“. Inwiefern eine Demonstration gegen den Willen eines Volkes stattfinden kann, blieb aber unklar. Auch von „Betrug“ schrieb Simion – ohne weitere Erläuterungen. (fn)

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