Nach Aus für Erstaufnahme in Hausham: Landrat mit dringendem Appell an Gemeinden

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Appellieren für mehr Solidarität: (v.l.) Landrat Olaf von Löwis und Miesbachs Bürgermeister Gerhard Braunmiller, hier an der Seite vom Integrationsbeauftragten des Landkreises, Max Niedermeier, beim Pressegespräch zum Thema Asyl in der Miesbacher Berufsschule. © THOMAS PLETTENBERG

Drei Turnhallen muss der Landkreis Miesbach aktuell immer noch für die Unterbringung Geflüchteter nutzen. Vor allem das Aus für die Erstaufnahme in Hausham besorgt den Landrat.

Landkreis – Drei Turnhallen muss der Landkreis Miesbach in Ermangelung anderer Unterkünfte aktuell immer noch für die Unterbringung Geflüchteter nutzen. Dass der nun vom Landratsamt veranstaltete Presserundgang in der Miesbacher Berufsschulturnhalle stattfand (wir berichteten) hatte vor allem einen triftigen Grund: Für die hier untergebrachte Erstaufnahmeeinrichtung (neuerdings dezentrale Drehscheibe genannt) gibt es nach dem Scheitern der Planungen im früheren Haushamer Impfzentrum nach wie vor keine Alternative. Landrat Olaf von Löwis und Miesbachs Bürgermeister Gerhard Braunmiller nutzten den Termin deshalb nochmals für einen eindringlichen Appell an die umliegenden Gemeinden.

Eineinhalb Jahre habe der Landkreis zusammen mit dem Eigentümer an der Erstaufnahmeeinrichtung gearbeitet, berichtete Löwis. Umso bitterer sei nun, dass man wieder ganz am Anfang stehe. Wie berichtet, hatte zunächst der Haushamer Gemeinderat dem Vorhaben sein Einvernehmen verweigert. Als das Landratsamt dennoch die Baugenehmigung erteilte, reichte die Gemeinde Klage ein. Die damit verbundenen weiteren Verzögerungen und Risiken durch den Prozess hätten das Landratsamt und den Eigentümer dazu gebracht, die Pläne zu beerdigen, machte Löwis mit den Vertretern der zuständigen Fachbereiche in der Kreisbehörde nochmals deutlich.

Sammelunterkunft in Warngau löst Erstaufnahmeproblem nicht

Der Landrat betonte dabei, dass im Haushamer Impfzentrum zwar nur 80 Plätze zur Verfügung gestanden hätten, die Einrichtung aber dennoch essenziell gewesen wäre, „die Turnhallen wieder freizubekommen“. Denn während für die Zeit nach der Erstaufnahme mit der geplanten dezentralen Unterkunft auf dem VIVO-Gelände in Warngau mit einer Kapazität für bis zu 500 Personen – zumindest befristet auf zwei Jahre – eine Lösung in Sicht sei, müsse die Erstaufnahme selbst in einer dem Landratsamt nahen Stelle erfolgen. Für die gebe es nach dem Aus in Hausham Stand jetzt aber keine andere Möglichkeit als die derzeitig dafür genutzte Berufsschulturnhalle.

Löwis fürchtet nach dem Vorgehen von Gemeinderat und Gemeinde Hausham eine Art verhängnisvolle Blaupause. So könnte der Eindruck entstehen, man müsse sich nur lange genug wehren, um die vor allem von Nachbarn grundsätzlich immer auf Ablehnung stoßenden Unterkünfte für Geflüchtete zu verhindern. „Der Bürgermeister, dem das gelingt, ist am Ende der Held“, stellte Löwis bitter fest. „Der Landrat als Bote wird dafür geköpft.“ Er selbst halte das schon aus, meinte Löwis und verwies auf die Erlebnisse in Warngau. Die würden ihm bis heute wehtun, so Löwis, aber er sei froh, zusammen mit der Ende 2023 am Landratsamt gegründeten Taskforce die (wenn auch auf zwei Jahre befristete) Lösung gefunden zu haben. Umso mehr, weil dem Landratsamt bei der Suche nach Unterkünften ein immer schärferer Wind ins Gesicht blase. Dagegen zur Wehr setzen könne man sich kaum, weil man als untergeordnete Behörde im Dilemma zwischen klarer gesetzlicher Verpflichtung zur Unterbringung Geflüchteter auf der einen und deutlich weniger klar geregelter Mitwirkungspflicht der Gemeinden handle. Dass es den Bürgermeistern oft nicht anders gehe, fügte der Integrationsbeauftragte des Landkreises, Max Niedermeier, an: „Auch sie bekommen böse Schreiben und Druck von Bürgern und Gemeinderäten.“

Holzkirchen und Schliersee als Positivbeispiele

Als Positivbeispiel nannte der Landrat die seit Anfang August voll belegbare Containerunterkunft für 218 Geflüchtete am Moarhölzl in Holzkirchen (98 Personen aus der Tegernseer Turnhalle seien bereits eingezogen) und nun ebenfalls bezugsfertige ehemalige Firmengebäude von Warnecke & Böhm in Schliersee für bis zu 40 Geflüchtete.

Dass es dringend weitere Unterkünfte und eine Alternative für die Erstaufnahme brauche, stellte auch der Miesbacher Bürgermeister heraus. Durch die Belegung der Turnhallen leben aktuell 616 Geflüchtete in der Kreisstadt, bezogen auf die Einwohnerzahl läge das Soll nur bei 279. Die Folgen würden in erster Linie die Sportvereine zu spüren bekommen, sagte Braunmiller. „Die Nachwuchsarbeit liegt am Boden.“ Auch die Schulen würden die Hallen schmerzlich vermissen. Das sorge in der Bevölkerung zunehmend für Unruhe. „Die Fragen werden mehr.“

Taskforce akquiriert, „was das Zeug hält“

Bei allen Sorgen rund um die Unterbringung von Geflüchteten konnte Landrat Olaf von Löwis beim jüngsten Pressetermin auch eine positive Nachricht übermitteln: Der Landkreis Miesbach erfülle die ihm per Königssteiner Schlüssel zugewiesene Quote so gut wie noch nie, nämlich zu 92,5 Prozent. Konkret leben derzeit im Landkreis Miesbach circa 2188 Geflüchtete, davon 1138 aus der Ukraine und 1050 Personen aus dem Bereich Asyl (unter anderem Afghanistan, Türkei, Jemen, Nigeria und Syrien). Zum Vergleich: In den Jahren 2015/2016 waren es insgesamt 1200 Asylbewerber, wobei die Zahl bis vor Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine auf 382 gesunken war.

Der Fachbereich 21 Ausländer- und Asylangelegenheiten am Landratsamt betreut derzeit 40 Unterkünfte im Landkreis. Die Ende 2023 eingerichtete Taskforce akquiriere, „was das Zeug hält“, betonte Löwis. Dass es dennoch selbst bei Vorliegen eines konkreten Angebots meist noch viel Vorbereitungszeit brauche, erklärte eine Vertreterin des Fachbereichs mit den umfangreichen Vorgaben, nicht zuletzt von der Regierung von Oberbayern. Zunächst müsse man Pläne sichten und die Gebäude nach Möglichkeit auch vor Ort besichtigen. Nächster Schritt sei bei einer Belegung mit acht Personen oder mehr die Beantragung einer Nutzungsänderung. Nicht zu vergessen sei die Prüfung der Miet-/Pachtvorstellungen des Eigentümers sowie die beabsichtigte Laufzeit. Trotz aller Dringlichkeit sei das Landratsamt hier der Wirtschaftlichkeit verpflichtet, da es ja um Steuergelder gehe. Ferner gelte es, die Kosten mit der Regierung von Oberbayern abzustimmen, da diese ja dafür aufkomme. Generell wichtig sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gemeinden, in deren Bereich die Objekte liegen, betonte die Mitarbeiterin. Dem entgegen stehe nicht selten der Wunsch der Eigentümer, in der Frühphase der Verhandlungen noch nicht in der Öffentlichkeit zu stehen.

Generell eine große Herausforderung bleibe die Tatsache, dass das Landratsamt erst eine Woche im Voraus erfahre, dass wieder ein Bus mit Geflüchteten in den Landkreis kommt. Zumal man dann immer noch nicht wisse, wer überhaupt darin sitze, sagte eine Mitarbeiterin des Landratsamtes. Für den Landrat gibt es letztlich nur eine politische Lösung des Dilemmas für die Landkreise: Der Zustrom an Geflüchteten müsse auf den Personenkreis begrenzt werden, die eine Chance auf eine langfristige Bleibeperspektive haben.

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