Seit ihrem Machtverlust 2021 arbeitete die CDU unter Merz an einem neuen Grundsatzprogramm. Jetzt ist es fertig. Einige Punkte bergen Sprengkraft.
Berlin – Aus Sicht der CDU ist es vollbracht: Die Partei hat sich ein neues Grundsatzprogramm erarbeitet, zum vierten Mal in ihrer Geschichte. Auf 71 Seiten ist zusammengefasst, wofür die CDU unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz steht und wie sie in Zukunft Wahlen gewinnen will. Titel des Papiers: „In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen“.
Fast zwei Jahre lang arbeitete die CDU daran, am Montag (11. Dezember) stellte Generalsekretär Carsten Linemann den Entwurf vor. Endgültig beschlossen werden soll das neue Grundsatzprogramm auf einem Parteitag im Mai. Zentrale Punkte: Ein radikaler Kurs in der Asylpolitik samt Bekenntnis zur „deutschen Leitkultur“, einschneidende Reformen zur Rente und ein Comeback der Atomkraft.
Erste Auffälligkeit im CDU-Grundsatzprogramm: Neues Paradigma in der Asylpolitik
Politisches Dynamit birgt der Entwurf des Grundsatzprogramms in Sachen Asylpolitik. „Wir wollen das Konzept der sicheren Drittstaaten realisieren“, heißt es in dem CDU-Papier. Bereits angekommene Asylbewerber sollen in einen Drittstaat ausgeflogen werden, wo sie dann auf das Ergebnis ihres Asylverfahrens warten müssen.
Bei einem positiven Asylbescheid solle der Asylbewerber erst einmal in dem Drittstaat bleiben. Über Kontingente würde Deutschland dann einen Teil der akzeptierten Flüchtlinge aufnehmen. Die Rede ist im Grundsatzprogramm von einer „Koalition der Willigen innerhalb der EU“, die jährlich eine gewisse Zahl an Asylsuchenden aufnimmt. Bedeutet: Es soll eine zahlenmäßige Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen geben.
Gezweifelt werden darf an der Umsetzbarkeit dieses Plans, vor allem wegen völkerrechtlicher Bedenken. Viele NGOs protestieren vehement dagegen, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Mit ihrem radikalen Asylkurs grenzt sich die CDU jedenfalls klar von der Migrationspolitik der Ampel-Koalition ab: Obwohl auch die Bundesregierung die Möglichkeit von Asylverfahren in Drittstaaten theoretisch prüfen will, hält Innenministerin Nancy Faeser nichts davon und setzt stattdessen auf Migrationsabkommen mit einzelnen Herkunftsstaaten.
Zweite Auffälligkeit im CDU-Programm: Leitkultur „ohne Wenn und Aber“
Nachdem auch die Schwesterpartei CSU kürzlich wieder das Schlagwort „Leitkultur“ aus dem parteipolitischen Instrumentenkasten gezaubert hatte, verankert nun auch die CDU die „Leitkultur“ prominent in ihrem Grundsatzprogramm. „Mut zur Leitkultur!“ steht gleich auf der ersten Seite des Grundsatzprogramms. Die Partei schreibt dazu: „Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen.“
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Dazu gehörten die Achtung der Würde jedes Menschen, der Grund- und Menschenrechte, des Rechtsstaats, des Respekts und der Toleranz – und auch die Anerkennung des Existenzrechts Israels. „Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden.“
Islamverbände reagierten bereits mit Kritik: Sie ärgerten sich über die Formulierung „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“ in dem CDU-Entwurf. Einen Kommentar des Münchner Merkur zur Renaissance der Leitkultur im CDU-Grundsatzprogramm lesen Sie hier.
Dritte Auffälligkeit im CDU-Grundsatzprogramm: Länger arbeiten für die Rente
Schwierige Debatten könnte die CDU angesichts ihrer im Grundsatzprogramm vorgestellten Rentenpläne bevorstehen. Denn sie enthält eine Forderung, die bei vielen Bürgern auf wenig Begeisterung stoßen dürfte: Ein Teil der Deutschen soll künftig länger arbeiten. „Die Regelaltersgrenze“ solle „an die Lebenserwartung gekoppelt“ sein, heißt es im CDU-Programm.
Zweiter Konfliktstoff bei der Rente: Eine private Zusatzversicherung soll Pflicht werden. „Da die gesetzliche Rente allein eine auskömmliche Alterssicherung in vielen Fällen nicht garantieren kann, wollen wir für alle eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge einführen.“ Menschen, die sich das nicht leisten können, sollen Zuschüsse vom Staat bekommen.
Anreize soll es für die Menschen geben, die freiwillig länger arbeiten wollen. Ihnen winkt ein steuerfreies Gehalt bis zu einem bestimmten Betrag.
Vierte Auffälligkeit im CDU-Grundsatzprogramm: Zurück zur Atomkraft
Nach der Atomkatastrophe in Fukushima läutete Deutschlands Ex-Kanzlerin Angela Merkel 2011 den Atomausstieg ein. Das will die CDU, sollte sie wieder regieren, rückgängig machen. Die Rückkehr zu Kernkraftwerken ist eine weitere Auffälligkeit im Grundsatzprogramm, der kontroverse Diskussionen lostreten dürfte. „Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten“, heißt es in dem Papier.
Das bedeutet: Kernkraftwerke, die erst vor kurzem abgeschaltet wurden, wie beispielsweise Isar 2 in Bayern, sollen nach Willen der CDU wieder ans Netz gehen. Und es sollen neue, dem aktuellen Forschungsstand entsprechende Atomkraftwerke gebaut werden.
Deutschland müsse „bei Energieinnovationen“ Vorreiter sein, heißt es, und dazu gehöre auch die Atomkraft. „Wir setzen bei der Gesamtenergieversorgung von morgen auf Technologieoffenheit in Anwendung und Forschung. Dazu gehören derzeit Brennstoffzellen, Wasserstoffkraftwerke, klimafreundliche Gaskraftwerke, Kernkraftwerke der vierten und fünften Generation sowie Fusionskraftwerke.“ Ziel sei, den „weltweit ersten Fusionsreaktor“ zu bauen. (smu)
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