Israel-Krieg bei „Hart aber fair“: „Israel bricht internationales Recht“

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Talkrunde „Hart aber fair“ im Ersten. © Screenshot ARD

Louis Klamroth und seine Gäste versuchen dem Jahr 2023 das Beste abzugewinnen. Und kommen zum Schluss, dass es noch schlimmer werden kann.

Berlin – Bevor das ZDF in den nächsten Tagen mit gleich sechs Jahresrückblicken startet – auch eine Form von Masochismus – legte Louis Klamroth in der ARD vor: „2023 – ein Jahr, das uns das Fürchten lehrt“ hieß das Thema. Und da stand natürlich der Überfall der Hamas auf Israel an erster Stelle.

„Das Ausmaß der Gewalt, gerade auch gegen Frauen und Kinder lässt sich nicht in Worte fassen“ meinte die Kriegsberichterstatterin Katrin Eigendorf, Sonderkorrespondentin des ZDF. Es gäbe Bilder, die man sich nicht ansehen könnte, die normale Menschen traumatisieren würden. Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Mitglied im Vorstand der Bundestagsfraktion der FDP, wies auf die besondere Grausamkeit hin, die von Seiten der Hamas ausging.

Krieg in Israel: Versagen der Sicherheitskräfte

Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen? Laut dem Sicherheitsexperten Carlo Masala, Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr, war es ein „klassisches Versagen der israelischen Sicherheitskräfte, ein Negieren der Bedrohung durch die Hamas.“ Zu sehr habe sich Israel darauf verlassen, dass die Hamas an Verhandlungen interessiert sei, hatte Sicherheitskräfte von der Grenze zu Gaza abgezogen und ins Westjordanland verlegt, wo sie radikale Siedler schützen sollten.

Die Solidarität mit Israel war groß in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft. Auch Markus Feldenkirchen, Redakteur im Hauptstadtbüro des Spiegels, gestand dem sonst oft in der Kritik stehenden Bundeskanzler Olaf Scholz zu, dass dieser glaubwürdig die deutsche Staatsräson, der Solidarität mit Israel betont habe. Was genau dies denn im Einzelnen bedeutet, wie sich dies bei einer konkreten Anfrage Israels auswirken würde und vor allem wie dies mit der Zukunft des Nahen Ostens in Einklang zu bringen sein könnte, bleibt allerdings die große Frage.

Israel hat kein politisches Ziel geäußert

Die Zerstörung der Hamas ist das Nahziel Israels, aber was dann? „Israel hat ein militärisches Ziel geäußert, aber noch kein politisches“ meinte Masala und führte die Diskussion vom 7. Oktober in die Gegenwart eines Konfliktes, den manche inzwischen gar als Genozid bezeichnen. Ob dies gerechtfertigt sei, darüber werden Völkerrechtler in den nächsten Monaten und Jahren diskutieren. Ob der israelische Gegenangriff noch verhältnismäßig sei, dazu sagte Markus Feldenkirchen: „Je länger es andauert, desto mehr neigt man dazu zu sagen, es ist nicht mehr verhältnismäßig“. Und Katrin Eigendorf ging sogar noch weiter: „Israel bricht internationales Recht“ meinte die Journalistin, die auch selbst vor Ort im Gaza-Streifen weilte und sich ein Bild von der Zerstörung machen konnte.

Talkrunde „Hart aber fair“ im Ersten. © Screenshot ARD

Bei solchem Humanismus verzog Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister der FDP, die Stirn und betonte Israels weitreichendes Recht auf Selbstverteidigung, das im Extremfall auch über den Schutz der Zivilbevölkerung hinausgeht. Erstaunlicherweise war es seine Parteikollegin Strack-Zimmermann, die sich oft radikal äußert, in Bezug auf den Nahost-Konflikt allerdings differenziert. Auch die Nachbarstaaten Israels hätten kein Interesse an zusätzlichen palästinensischen Flüchtlingen, aber auch nicht an einem Überleben der Hamas.

Krieg in der Ukraine: Gegenoffensive ist verpufft

Dazu komme die Rolle des israelischen Premierministers Netanjahu, dem in Israel eine erhebliche Schuld an dem Überfall der Hamas zugeschrieben wird, der aber laut Masala vor kaum zu lösenden Dilemmata steht: „Netanjahu hat sich mit dem Ziel, die Hamas zu vernichten, so weit aus dem Fenster gelehnt, dass es kein zurück gibt“. Was aber bedeutet, dass Israel einen Krieg führt, der wie ein Vernichtungskrieg wirkt, so Eigendorf.

Der andere Krieg unserer Zeit hat sich längst zu einem Stellungskrieg entwickelt, die groß angekündigte Gegenoffensive im Ukraine-Krieg verpuffte, die russischen Stellungen hielten stand. Inzwischen wird die Kritik am ukrainischen Präsidenten Selenskyj lauter, der nicht nur von seinem obersten General als weltfremd bezeichnet, sondern auch von Wladimir Klitschko, dem Bürgermeister Kiews kritisiert wurde. Dieser hat laut eigenen Aussagen keinen Kontakt zu Selenskyj, auch wenn beider Büros in der Hauptstadt nur ein paar Hundert Meter auseinanderliegen.

„Hart aber fair“ im Ersten Die Gäste der Sendung vom 11. Dezember
Marie-Agnes Strack-Zimmermann FDP-Politikerin
Carlo Masala Sicherheitsexperte
Gerhart Baum FDP, ehemaliger Bundesinnenminister
Katrin Eigendorf Kriegsberichterstatterin
Markus Feldenkirchen Journalist

Beim Thema Ukraine und Russland zeigte sich die kalte Kriegerin Strack-Zimmermann bei „Hart aber fair“ in alter Härte und forderte auch die Lieferung von Offensivwaffen, die der Ukraine einen Sieg ermöglichen würde. Aber wie sollte dieser Sieg aussehen? „Putin setzt auf den Ermüdungseffekt des Westens“, meinte Markus Feldenkrichen und warte nur darauf, dass die Waffenlieferungen zurückgehen, dann würde er das Land erobern. „Auch in der Ukraine bricht etwas auseinander. Das Land steht nicht mehr geeint zusammen und hinter seinem Präsidenten“ versuchte Katrin Eigendorf die Situation in der Ukraine zu beschreiben, Vorwürfe der Isolation, auch der Korruption werden lauter, nun kommt auch noch der Winter.

2024: Das Jahr der Wahlen

Und im nächsten Jahr stehen wegweisende Wahlen an. In Thüringen, wo die AFD, wenn die demokratischen Parteien nicht aufpassen, an die Macht kommen könnte. Vor allem aber in den USA. Und wenn dort Donald Trump gewinnen sollte, was ganz gewiss nicht ausgeschlossen erscheint, dann wird der Versuch, irgendwie zu einem Frieden in der Ukraine zu kommen, noch viel schwieriger.

Alle bisherigen Sanktionen scheinen Putin nicht zu schaden, er sitzt fester im Sattel als zu Beginn des Krieges, da waren sich alle Gäste bei „Hart aber fair“ einig. Angesichts dieser globalen Krisen wirkte das deutsche Haushaltsloch wie eine Bagatelle, auch wenn die Ampelkoalition es offenbar nicht schafft, noch in diesem Jahr, vor Weihnachten, einen korrekten Haushalt zu präsentieren. Der Staat sei dennoch vollständig handlungsfähig, betonte Finanzminister Christian Lindner heute, was beruhigen sollte und vielleicht auch die ewigen Nörgler, Skeptiker und Miesmacher in diesem Land erkennen lässt, dass es diesem Land im Kern trotz allem sehr, sehr gut geht. (Michael Meyns)

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