Delling über Block: „Stehe bei einer liebevollen Mutter, die durch die Hölle geht“

Um kurz nach zehn Uhr betritt Gerhard Delling die Lobby des Grand Elysée Hotels in Hamburg. Er hat für das Gespräch einen Konferenzraum reserviert. Seit der Entführung der Block-Kinder steht auch er im Zentrum des Interesses. Welche Rolle hat er gespielt? Was hat er gewusst? Fast drei Stunden erklärt Delling seine Sicht – offen und doch immer bedacht, die roten Linien des juristisch Ratsamen nicht zu übertreten.

FOCUS: Herr Delling, seit dem 11. Juli beschäftigt sich das Gericht mit der Entführung der Kinder Ihrer Lebensgefährtin. Wie geht es Ihnen in diesen Wochen des Prozesses?

Gerhard Delling: Man arrangiert sich irgendwie damit. Es fühlt sich an wie die harte journalistische Arbeit bei den Olympischen Spielen: arbeiten, weitermachen, sich konzentrieren – und irgendwann hofft man, dass das normale Leben wieder anfängt. Aber ich will hier gar nicht über mich sprechen und schon gar nicht schmutzige Wäsche waschen. Ich möchte nur, dass endlich die Fakten Berücksichtigung finden und zu einer Klärung führen. Und dass ganz am Ende – so bald wie möglich – alle, aber vor allem die Kinder, eine Chance für einen Neuanfang haben.

Welche Fakten meinen Sie konkret?

Da ist zum einen die Tatsache, dass ich die Kinder ja im Jahr 2021 erlebt habe – acht Monate lang. Es herrschte Corona, wodurch wir gezwungenermaßen in unserem Mikrokosmos regelmäßig zusammen waren. Es waren vor allem diese Kinder und ihre Fröhlichkeit, Aufgeschlossenheit, Liebe und Zuneigung, die Christina und mich so eng zusammenkommen ließen. Wegen der damaligen Kontaktsperren lebte ich bisweilen vier bis fünf Tage die Woche dort.

Da gab es sicher auch mal Stress, oder?

Nein, nichts Ernsthaftes und schon gar nicht Gewalt! Wenn ich Gewalt jemals mitbekommen hätte, wäre ich ganz sicher nicht mit Christina zusammengeblieben. Das ist eine weitere „Merkwürdigkeit“, die von Herrn Hensel ständig anders dargestellt und leider auch immer wieder publiziert wird. Ich war dabei: Es gab keine Gewalt durch die Mutter. Das haben ja auch alle Institutionen bestätigt, dass es dafür keine Anzeichen gab: das Oberlandesgericht (OLG), die Schule, die Kinderärztin, das Jugendamt, Freunde, Verwandte und nicht zuletzt die Tochter Greta!

Greta, die Zweitälteste, blieb als Einzige bei ihrer Mutter.

Nur bei der kleinsten Vermutung, dass Christina gegenüber ihren Kindern gewalttätig sein könnte, hätte sie doch niemals vom OLG das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen bekommen; und schon gar nicht vom Amtsgericht das alleinige Sorgerecht für Greta!

Gab es nicht Beschlüsse dänischer Gerichte zugunsten des Vaters?

Die dänischen Gerichte haben das Urteil des OLG vollumfänglich anerkannt. Man wollte aber nicht vollstrecken. Damit waren die Kinder von einem Tag auf den anderen komplett aus ihrem bisherigen Leben herausgerissen. Nichts davon hat seitdem mehr Bestand. Das ist eine weitere Tatsache, die doch niemand auf dieser Welt für richtig erachten kann. Dafür muss man doch kein Psychologe sein, um zu erkennen, dass das nicht gut sein kann für Kinder, nicht einmal für Erwachsene.

„Und ich war live dabei: Diese Kinder liebten ihre Mutter innig und tief.“

Johanna, Klara und Theo wollten freiwillig beim Vater bleiben. Sie haben damals ausgesagt, dass sie von der Mutter geschlagen und nicht gut behandelt worden seien und Angst vor ihr hätten.

Das ist das Erschütternde, das einem Angst machen muss! Damit ist belegt, dass sie sich in höchster Gefahr befinden. Niemals zuvor haben sie das geäußert; niemandem ist es jemals aufgefallen. Und ich war live dabei: Diese Kinder liebten ihre Mutter innig und tief. Ich habe es doch miterlebt, wie an jedem einzelnen Tag vor allem Klara nicht ins Bett gehen wollte, wenn Mama nicht noch zum Kuscheln mitkam. Theo kam jeden Morgen zum Toben ins Bett seiner Mama. Und wenn ich dort war, wollte er nicht aufstehen, bevor ich ihm nicht eine Geschichte erzählt habe. Daran hat er sich sogar noch erinnert, als er im Januar 2024 bei seiner Mutter war.

In den vier Tagen nach der Entführung in der Silvesternacht, als Christina Block die Kinder bei sich in der Villa in Hamburg hatte.

Selbst die Freundinnen von Johanna …

„Es ist grundsätzlich gut, dass dieser Fall so eine Aufmerksamkeit erhält.“

… der ältesten Tochter, die als Erste zum Vater ziehen wollte …

… waren mehrmals die Woche bei uns, um mit uns zu essen und zu spielen. Ich hatte nämlich von meinen Kindern ein besonderes Brettspiel bekommen und mitgebracht. Es war wirklich – trotz der schweren Corona-Zeit – eine sehr liebevolle Atmosphäre, die mich so eingenommen hat, dass ich sogar meinen engen Freunden davon vorschwärmte. Mit der Kindesentziehung durch den Vater war das alles zerstört – wie wir heute wissen: nachhaltig!

Der Vater zeichnet ein anderes Bild. Er spricht vor dem Hamburger Landgericht von Gewalt, von Vernachlässigung …

Aber warum lässt man ihn das überhaupt immer wieder ohne kritische Auseinandersetzung sagen?! Wie erwähnt: Alle Institutionen, aber vor allem das gesamte Umfeld – viele, viele Menschen – bekunden das Gegenteil.

In dem Strafverfahren geht es um eine entscheidende Frage: Wer hat die Entführung der Kinder beauftragt? Wer hat ein israelisches Kommando nach Dänemark geschickt? Dazu wollen Sie außerhalb des Gerichtssaals nichts sagen, das verstehen wir. Aber wieso sollen die Menschen Ihre Version glauben?

Wir haben doch hier auf der einen Seite eine Mutter, die sich noch nie etwas hat zuschulden kommen lassen, die offen ist, freundlich, die man so und niemals anders kennt, die ganz normal und hart gearbeitet hat, ohne Allüren, und die vier Kinder geboren und so ziemlich allein großgezogen hat. Und auf der anderen Seite einen Menschen, der ihr und ihrer Familie gedroht hat, der ein höchstrichterliches Urteil einfach nicht befolgt hat, der die Kinder unrechtmäßig in Dänemark behalten hat, der sie dort mit der Falschbehauptung, er hätte das alleinige Sorgerecht, in der Schule angemeldet hat, der über Jahre das gesamte offizielle deutsche Helfersystem zur Sicherung des Kindeswohls in unserer Gesellschaft abgehalten und zum Teil beschimpft hat, gegen den es mehrere eidesstattliche Versicherungen über – vorsichtig ausgedrückt – „Fehlverhalten“ nicht nur im Unternehmen gibt und der nachweislich die Kinder entgegen höchstrichterlicher Entscheidungen einfach bei sich behalten hat, weshalb er mit seiner neuen Frau demnächst vor Gericht stehen wird, während für die Mutter ja immer noch die Unschuldsvermutung gelten muss! Wieso lässt man ihn immer wieder unwidersprochen Zweifel an der integren Mutter schüren und hinterfragt seine Behauptungen kaum bis gar nicht?

Fakt ist: Die Kinder wurden entführt. Fakt ist auch, dass vorher immer wieder von der Familie Block beauftragte Sicherheitskräfte in Dänemark am Haus von Stephan Hensel vor Ort waren, oder?

Das ist doch auch so eine Schizophrenie in der Darstellung: Da entzieht jemand der Mutter die Kinder, zieht sich nach Dänemark zurück in ein Haus mit – wie er aussagte – bis zu elf Kameras, schottet die Kinder also mehr oder weniger ab und beschwert sich darüber, dass die Mutter alles tut, um zu sehen, ob die Kinder noch leben, wie es ihnen geht, ob sie in die Schule gehen. Was hätte sie denn sonst machen sollen? Sich sagen: „Schade, die Kinder sind weg, sie sind in Gefahr, wie mir alle deutschen Institutionen bestätigen und ich aus eigener Erfahrung weiß, aber egal, ich lebe mein Leben einfach weiter?“ Als liebende, aber allein verantwortungsvolle Mutter musste sie doch darum kämpfen, dass dieser Zustand aufgelöst wird. Sie lässt doch ihre Kinder nicht im Stich! Ansonsten wäre sie eine Rabenmutter.

Glauben Sie, dass viele Menschen mit solchen Mitteln um ihre Kinder kämpfen?

Davon bin ich überzeugt. Nur das wird nicht so publik. Sowohl Christina als auch ich haben mittlerweile unzählige Zuschriften bekommen von Frauen und Männern, die berichten, dass es ihnen – nicht so extrem – aber ziemlich ähnlich ergeht. Es heißt, es gebe Tausende solcher Fälle – allein in Deutschland – JEDES Jahr! Ich tue mich so schwer mit dem Begriff „Fälle“. Das sind schlimme Lebensschicksale, die alljährlich mehr als hunderttausend Menschen betreffen, wenn man die Mütter, Väter, Großeltern, Verwandten und engen Freunde einbezieht.

Ist das deutsche Rechtssystem Teil der Lösung oder des Problems?

Dass das möglich ist, zeigt, dass das System offensichtlich nicht funktioniert. Es ist auch als Journalist für mich ein ganz wichtiges Ziel, dass sich etwas ändert, und zwar möglichst in naher Zukunft! Deswegen ist es grundsätzlich gut, dass dieser Fall so eine Aufmerksamkeit erhält – auch wenn es gerade in der aktuellen Ausprägung für die Betroffenen schwer erträglich ist.

Vor allem leiden die Kinder. Die bei ihrem Vater lebende Klara will nun vor Gericht aussagen. Sie ist 14 Jahre alt. Was denken Sie darüber?

Ich finde es unverantwortlich, dass Klara offenbar unbedingt vor versammelter Presse aussagen soll oder angeblich will. Das steht dann auf Lebzeiten alles im Netz. Jeder verantwortungsvolle Elternteil muss ein Kind doch davor bewahren.

Sie kritisieren das Verhalten des Vaters. Wie erklären Sie sich seine Motive?

Das ist sicherlich individuell immer etwas verschieden. Aber wie ich gelernt habe, geht es fast immer um gekränkte Eitelkeiten und nicht selten um Geld. Und oftmals hat es mit einer psychischen Störung der Personen zu tun. Wie sonst ist es zu erklären, dass jemand seine eigenen Kinder in einen so schwerwiegenden Loyalitätskonflikt drängt, wohl wissend, dass alle Kinder dieser Welt Vater UND Mutter brauchen. So ist es auch in diesem Fall. Greta braucht selbstverständlich auch ihren Vater.

Wie geht es ihr seit der Trennung?

Ich erzähle ihr regelmäßig, dass – spätestens wenn dieser Prozess hoffentlich bald vorbei ist – sie ihr ganz eigenes Verhältnis zu ihrem Vater gestalten und haben wird. Das beruhigt sie meist ein wenig, denn sie leidet natürlich darunter, dass sie zu ihm, aber vor allem auch zu ihren Geschwistern keinen Kontakt hat.

Sie haben wiederholt das Verhalten der Behörden gegenüber Christina Block kritisiert. Worin sehen Sie deren Versagen?

Vor allem direkt nach der Entziehung der Kinder durch den Vater im August 2021 hätte das Familiengericht schnell und offen handeln müssen. Die Mutter, der die Kinder entzogen wurden, sollte sie nicht einmal sehen, als der Vater sie zum Gerichtstermin nach Hamburg brachte. Das heißt, er war mit seiner neuen Frau die ganze Zeit in der Nähe, als mit den Kindern gesprochen wurde. Die Mutter aber wurde da bereits ganz offiziell ferngehalten und so aus den Gedanken der Kinder ausgeblendet.

Block-Krimi
Kaum eines Blickes würdigen sich die Angeklagte Christina Block (mit ihren Verteidigern Ingo Bott und Paula Wlodarek) und ihr Ex-Mann Stephan Hensel (r., mit seinem Anwalt Philip von der Meden) im Hamburger Prozess wegen Kindesentführung Marcus Brandt/dpa, Christian Charisius/dpa

Was hätte es geändert, wenn sie bei der Befragung anwesend gewesen wäre?

Hätten damals alle zusammen an einem Tisch gesessen, wäre sehr wahrscheinlich alles ganz anders gekommen. Es hätte mindestens Kommunikation gegeben. Und die hätte man in der Folge mit allen rechtsstaatlichen Mitteln auch aufrechterhalten müssen. Stattdessen hat der Vater es geschafft, die Mutter nunmehr, bis auf wenige Tage nach der Silvesternacht, über mehr als vier Jahre vollständig von den Kindern fernzuhalten und sie nach Dänemark zu entziehen. Das ist der nächste Punkt: Die Politik muss jetzt zügig Dänemark dazu drängen, wie alle anderen EU-Staaten auch, die Abkommen diesbezüglich anzuerkennen. Sofort!

Theo und Klara leben unter falschem Namen an unbekanntem Ort. Auch zur Ältesten gibt es keinen Kontakt mehr. Wäre es nicht Zeit, dass die Erwachsenen alles tun, diese Hölle für die Kinder zu beenden?

Ich hoffe, dass bald zur Überzeugung aller klar wird, dass die Mutter, die jahrelang versucht, die Kinder aus der festgestellten Gefahr herauszuholen, niemals einen Auftrag geben würde, der die Kinder im Gegenteil in Gefahr bringt! Ich selbst engagiere mich mein Leben lang gegen Gewalt, ich würde auch niemals etwas Rechtswidriges tun oder etwas, das anderen Schaden zufügt. Deswegen verwundert es mich, dass ich vor Gericht sitzen muss.

„Ich stehe an der Seite einer liebevollen Mutter, die tagtäglich durch die Hölle geht“

Bisher scheinen viele Indizien auf die Verantwortung der Mutter und Ihre Verstrickung hinzuweisen. Was wünschen Sie sich für den weiteren Prozess?

Ich stand und stehe an der Seite einer liebevollen Mutter, deren Kinder leiden und die selbst tagtäglich durch die Hölle geht, mit Trost, Zuspruch und als Zuhörer. Auch wenn es mich oft an meine Grenzen bringt, ist das nicht nur für mich selbstverständlich. Das würden umgekehrt auch meine engen Freunde für mich tun. Vor allem aber muss es um die Kinder gehen! Und da sollte schnellstmöglich Umgang mit der Mutter stattfinden. Dazu ist es offenbar nötig, dass der Vater endlich erkennt, dass er etwas tun muss. Der Umgangspfleger des Amtsgerichts hat ja bereits Mitte 2022 schriftlich festgehalten, dass das Gericht den Vater bewegen müsse, seine die Kinder belastenden Ängste entweder zu kontrollieren oder behandeln zu lassen!

Im nächsten Frühjahr soll der Prozess enden. Wird es dann eine endgültige Wahrheit geben?

In jedem Fall muss der Vater auf die Kinder einwirken, dass sie eine sie liebende Mutter haben, mit der sie in Kommunikation kommen müssen. Denn das ist doch klar: Wenn der aktuelle Zustand nicht aufgelöst wird, können die Kinder niemals unbelastet groß werden. Das muss ausgeräumt werden und daraus ein Modus Vivendi erwachsen, der vor allem befreiend für die Kinder wäre – wo immer sie dann auch sein wollen.