Medizinisches Personal aus Gaza gefoltert: Human Rights Watch macht Israel schwere Vorwürfe
Ein neuer Report von Human Rights Watch hält Israel schwere Misshandlungen von Medizinpersonal aus Gaza vor. Wieder freigelassene Palästinenser berichten.
Tel Aviv – Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen Israel. Wieder geht es um die Zustände in israelischen Haftlagern und die Behandlung palästinensischer Gefangener. In diesem neuen Bericht steht der Umgang mit medizinischem Personal in Gaza in Fokus.
Mittlerweile freigelassene Ärztinnen und Ärzte, Sanitäterinnen und Sanitäter sowie Pflegekräfte berichten demnach von Massenfestnahmen im Rahmen des Gaza-Kriegs während ihrer Arbeit, „meist nach israelischen Krankenhausbesetzungen oder bei Evakuierungen, die angeblich mit dem israelischen Militär abgestimmt waren“, heißt es im HRW-Bericht.
Palästinensische Gefangene ohne Anklage: „Wochenlang geschlagen“ worden
In israelischem Gewahrsam hätten die Misshandlungen dann begonnen. Die Gefangenen seien gezwungen worden, „sich in aller Öffentlichkeit zu entkleiden und für einen längeren Zeitraum draußen nackt zu knien und der Witterung ausgesetzt zu sein“. Dann seien sie in Haftanstalten in Israel und ins besetzte Westjordanland gebracht worden. Sie seien dort „wochenlang geschlagen, mit verbundenen Augen und in Handschellen gefesselt“ worden.
„Israelische Vernehmungsbeamte versuchten, sie mit verschiedenen Drohungen wie unendlicher Haft, Vergewaltigung und der Tötung ihrer Familien in Gaza dazu zu zwingen, zu gestehen, dass sie Mitglieder der Hamas seien“, führt der Bericht weiter aus.
HRW stellt heraus: „Hier handelte es sich um medizinisches Personal, das nie über den Grund seiner Inhaftierung informiert oder wegen einer Straftat angeklagt wurde.“
Chirurg aus Gaza berichtet über israelische Gefangenschaft: „Ein Soldat versuchte, mich anzuzünden“
„Wir wurden jede Minute geschlagen. Ich meine am ganzen Körper, an den empfindlichen Stellen zwischen den Beinen, der Brust, dem Rücken“, zitiert der Bericht Eyad Abed, einen 50-jährigen Chirurgen. Abed war während seiner Arbeit im indonesischen Krankenhaus in Gaza vom Militär festgenommen worden. „Sie benutzten den vorderen Teil ihrer Stiefel, der eine Metallspitze hatte, und dann ihre Waffen. Sie hatten Feuerzeuge: Ein Soldat versuchte, mich anzuzünden, aber dabei hat er die Person neben mir verbrannt. Ich habe ihnen gesagt, dass ich Arzt bin, aber das hat sie nicht interessiert.“
„Israels Verbündete müssen die israelische Regierung dringend auffordern, eine unabhängige Kontrolle der Haftanstalten zuzulassen“, fordert Human Rights Watch. Denn Israel habe Organisationen wie dem Roten Kreuz seit Beginn des Kriegs vor fast einem Jahr den Zugang zu den Gefangenen verwehrt.
Krieg im Gazastreifen: Tausende Palästinenser ohne Anklage in Gewahrsam Israels
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) prüft derweil Anträge auf Haftbefehle gegen israelische Regierungsbeamte, darunter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. HRW fordert den IStGH in Den Haag auf, bei seinen Ermittlungen Misshandlungen von palästinensischen Gefangenen einzubeziehen.
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Der HRW-Bericht stimmt mit Informationen der Vereinten Nationen, anderen Menschenrechtsgruppen sowie israelischen Medienberichten, wie etwa der Zeitung Haaretz, überein. Das UN-Menschenrechtsbüro hatte zuletzt mitgeteilt, mindestens 53 Menschen seien in israelischem Gewahrsam ums Leben gekommen. Nach Informationen der israelischen Menschenrechtsorganisation B‘Tselem wurden zuletzt mehr als 9600 Palästinenser in israelischen Gefängnissen festgehalten, etwa die Hälfte davon ohne offizielle Anklage.
Krieg in Nahost: Vergewaltigungs-Vorwurf in israelischen Haftlagern
Vor einigen Wochen hatte auch B‘Tselem Israel wiederholt die schwere Misshandlung palästinensischer Gefangener vorgeworfen. Der Bericht „Willkommen in der Hölle“ gab einen Einblick in die Zustände in israelischen Haftlagern, wie Sde Teiman in der Negev-Wüste im Süden des Landes. Er basiert auf Aussagen von 55 Palästinenserinnen und Palästinensern. Die Freigelassenen berichteten von Folter, Vergewaltigung und wochenlanger Misshandlung. Ein Fernsehsender veröffentlichte Aufnahmen, die offenbar die Vergewaltigung eines Gefangenen durch israelische Soldaten zeigen. Mehrere Gefangene sollen mit heißen oder elektrifizierten Metallstäben vergewaltigt worden sein.
Der Soldat Meir Ben-Shitrit, gegen den wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt wird, ist in Israel derweil eine TV-Persönlichkeit geworden. Beispielsweise strahlte der Sender Channel 14 im August ein zehnminütiges Interview mit Ben-Shitrit aus. Er trat maskiert, in Uniform und bewaffnet auf. Tage später zeigte er bei einem weiteren Interview auf Channel 14 sein Gesicht und sprach von einer „Verschwörung“ gegen ihn. Ben-Shitrit forderte auch die Freilassung aller weiteren Soldaten, gegen die wegen des Verdachts auf Vergewaltigung ermittelt wird.
Schwere Vorwürfe gegen Israel: EU-Außenbeauftragter fordert Sanktionen gegen Minister
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den Regierungen der 27 EU-Staaten einen Vorschlag für Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder unterbreitet. Bestraft werden sollen demnach Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, wie mehrere EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur kurz vor einem EU-Außenministertreffen an diesem Donnerstag (29. August) bestätigten.
Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir sorgten zuletzt mit Äußerungen gegen Palästinenser für Empörung und sind rechtsextreme Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Zudem sind beide Verfechter der aus Sicht des höchsten UN-Gerichts illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten im Westjordanland. (lrg/dpa)