- So schonungslos blickt die einflussreichste Wirtschaftszeitung der Welt auf Deutschland

Als hätten sie sich abgesprochen: Während die großen Wirtschaftsverbände heute Demonstrationen gegen die Politik der Bundesregierung anzetteln, veröffentlicht die größte US-Wirtschaftszeitung, das „Wall Street Journal“, eine Analyse des deutschen Wirtschaftsmodells. Und die fällt schonungslos aus. Der Blick von außen schmerzt dabei beinahe noch mehr, als der sogenannte Aufstand von innen, weil er zusammenfasst, wie Deutschlands nach der EU wichtigster Handelspartner, die USA, über die deutsche Wirtschaft denken.

Sie sei, so beschreiben es die Reporter der US-Zeitung, einst das Aushängeschild Europas gewesen, aber jetzt stehe der einstige Exportweltmeister vor Herausforderungen, die nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die politische Landschaft erschüttern könnten. Was steckt hinter dieser dramatischen Entwicklung, fragen die Journalisten und begeben sich auf Spurensuche.

Wall Street Journal: "Ohne wachsenden Exportmarkt ist Deutschlands Wirtschaftsmodell tot“

Deutschlands wirtschaftlicher Erfolg basierte lange auf dem Export von Autos, Maschinen und Technologie, analysiert das Wall Street Journal. Es warnt: „Deutschlands Geschäftsmodell ist kaputt – und niemand hat einen Plan B.“ Der Rückgang der Industrieproduktion um 15 Prozent seit 2018 und die schrumpfende Wirtschaftsleistung zwei Jahre in Folge seien alarmierende Zeichen. Die hohen Energiekosten, die bis zu zehnmal höher seien als in Texas, belasteten die Unternehmen zusätzlich.

Die Gründe für den Abwärtstrend seien vielfältig: Die steigenden Energiepreise sind nur die „Spitze des Eisbergs“. Die deutsche Steuerlast zähle zu den höchsten weltweit, was die Konsumfreude der Bürger dämpfe. Seit 2021 seien zudem 300 Milliarden Euro Investitionskapital aus dem Land abgeflossen. Unternehmen zögerten, in zukunftsweisende Technologien zu investieren und setzen stattdessen auf Sparmaßnahmen. „Ohne einen wachsenden Exportmarkt ist Deutschlands Modell ‚tot'“, zitiert das „Wall Street Journal“ den Ökonomen Jacob Kirkegaard.

Politik wirke an kritischem Punkt ratlos

Die Autoren schwenken nach dieser Einschätzung zur Politik: Die Führung scheine ratlos. Während die Wirtschaft in Schieflage geraten sei, fehlten klare Strategien, um die Herausforderungen zu meistern. „Neue Ideen zur Förderung von Investitionen, Konsum oder Ankurbelung des Handels innerhalb von Europa oder zum schnell wachsenden Technologie- oder Dienstleistungsgesellschaft“ sind laut dem Wall Street Journal Mangelware. Die Regierung konzentriere sich auf kurzfristige Lösungen, während langfristige Visionen fehlen.

Die deutsche Wirtschaft stehe damit an einem kritischen Punkt. Ohne tiefgreifende Reformen und innovative Ansätze drohe das Land, seine führende Rolle in der globalen Wirtschaft zu verlieren. Die Abhängigkeit vom Export sei eine gefährliche Schwäche, insbesondere in Zeiten globaler Unsicherheiten und Handelskonflikte. Die Politik muss handeln und neue Wege finden, um die Wirtschaft zu stärken und zukunftssicher zu machen. Andernfalls könnte der Niedergang von „Made in Germany“ nicht mehr aufzuhalten sein.