CDU will das Bürgergeld abschaffen: Wann kommt die Neue Grundsicherung?
Wahlsieger CDU hat mit der Abschaffung des Bürgergelds geworben. Wie schnell kann sie das umsetzen? Und welche Hindernisse gibt es auf dem Weg zur neuen Grundsicherung?
Berlin – Friedrich Merz und seine CDU stehen als Sieger der Bundestagswahl fest. Wird damit das Bürgergeld abgeschafft, wie es die Union im Wahlkampf propagiert hat? Die Union will stattdessen eine „Neue Grundsicherung“ einführen und plant harte Sanktionen. So soll es eine Arbeitspflicht für Bezieher geben. Für „Totalverweigerer“ soll es kein Geld mehr geben. Wie schnell lässt sich das umsetzen?
CDU will Bürgergeld abschaffen und neue Grundsicherung einführen – doch sind auf SPD angewiesen
Das hängt stark von der Bildung einer Koalition ab. Das einzige realistische Bündnis ist dabei eine Große Koalition mit der SPD. Diese ist dabei jedoch ausgerechnet die Partei, die das Bürgergeld unter Kanzler Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil maßgeblich gestaltet hat – und auch behalten will.
Rechnerisch möglich ist auch ein Bündnis mit der AfD. Die Rechtsaußen wollen ebenfalls eine Reform des Bürgergelds, inklusive geringerem Regelsatz und einer Arbeitspflicht ab sechs Monaten Bezugsdauer. Eine Einigung wäre – bei diesem Thema – wahrscheinlich schneller möglich. Doch Unionsspitzen haben das Bündnis mit der in Teilen rechtsextremen Partei bisher abgelehnt.
Grundsicherung könnte zum Streitpunkt bei Koalitionsverhandlungen mit der SPD werden
Bleibt also die Zusammenarbeit mit der SPD. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn hat nach der Bundestagswahl bereits einen Kurswechsel der Sozialdemokraten beim Bürgergeld gefordert. In Deutschland seien „wieder Wachstum nach zwei Jahren des Schrumpfens“ und „beim Bürgergeld das Gefühl, dass es wieder fair zugehen muss“, nötig.

Das Bürgergeld respektive die Grundsicherung wird damit einen bedeutenden Teil in Koalitionsverhandlungen einnehmen. Wie groß der ist, welche Priorität das Thema hat, ist unklar. Vertreter der Parteien halten sich auf IPPEN.MEDIA-Anfrage zu möglichen Details bedeckt. Damit ist unklar, welche Forderungen für die jeweilige Partei Priorität haben und nicht verhandelbar sind, und wo diese zu Kompromissen oder sogar zur Aufgabe bereit sind.
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Wo sind die Unterschiede zwischen CDU und SPD beim Bürgergeld?
Ein zentraler Konfliktpunkt ist dabei der Vermittlungsvorrang. Diesen gibt es im Bürgergeld nicht mehr. Statt einer schnellen Integration in Arbeit soll diese nachhaltig sein. Damit das gelingt, steht die Qualifizierung und Weiterbildung der Arbeitsuchenden im Vordergrund. Die SPD will Letzteres laut Wahlprogramm aufbauen und geförderte Stellen für Langzeitarbeitslose stärken. Die Union will dagegen den Vermittlungsvorrang wieder einführen.
Hubertus Heil hatte die Bedeutung der Qualifizierung und Weiterbildung kurz vor der Bundestagswahl im Gespräch mit CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei der ARD-Sendung Maischberger noch einmal betont. Viele der 1,8 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung stehen, haben keine Ausbildung. Hier soll – so Heil – angesetzt werden, statt diese durch härtere Sanktionen unter Druck zu setzen.
SPD-Politiker nähern sich bei „Totalverweigerern“ im Bürgergeld der CDU an
Bei den 16.000 „Totalverweigerern“ spricht sich der SPD-Politiker jedoch ebenfalls für Streichungen der Grundsicherung aus – und liegt dabei nahe an der Union. Die Ampel-Koalition hatte diese Möglichkeit bereits im Frühjahr 2024 geschaffen. Bedingung ist, dass die Erwerbslosen zwei Jobangebote innerhalb eines Jahres ablehnen. Bisher fand das jedoch noch keine Anwendung. Lediglich die Anzahl der Menschen innerhalb der Kategorie unterscheidet sich nach den Interpretationen der Parteien. Heil spricht von den 16.000, die aus den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit stammen, CDU-Politiker Linnemann spricht von einer „sechsstelligen“ Anzahl.
Bei den Bürgergeld-Streichungen für „Totalverweigerer“ könnten sich Union und SPD damit jedoch einig werden. Und auch bei der Arbeitspflicht gab es Annäherungen. So hatte sich Olaf Scholz vor der Wahl für „öffentlich geförderte Jobangebote“ für „Totalverweigerer“ ausgesprochen. Wer ablehnt, soll hart bestraft werden. Lediglich die umgangssprachlichen Ein-Euro-Jobs seien „für einen massenhaften Einsatz“ nicht geeignet – sie seien „weniger nachhaltig“ und „im Verhältnis zum Nutzen“ teuer, wie ein SPD-Sprecher auf IPPEN.MEDIA-Anfrage erklärte.
Einführung der neuen Grundsicherung unter Kanzler Merz in schnellstens 15 Wochen möglich
Friedrich Merz will bis Ostern – Karfreitag ist der 18. April – eine Koalition bilden. Wenn die Abschaffung des Bürgergelds – oder eine weniger große Reform der Grundsicherung – unmittelbar nach der Wahl in Gang gesetzt wird, liegt die reguläre Frist bei 23 Wochen. Die Minimalfrist liegt bei 15 Wochen.
Nach dem Referentenentwurf folgen Ressortabstimmung, die Verabschiedung im Kabinett, die Befassung des Bundesrats, des Bundestags und anschließend die Unterschrift. Zur Einordnung: Im Falle der Bürgergeld-Einführung hat es ab der Wahl von Scholz als Kanzler am 8. Dezember 2021 bis zum 1. Januar 2023 gedauert. Der Referentenentwurf hatte knapp vier Monate zuvor, am 9. August 2022, vorgelegen.
Rechtliche Bedenken gegen CDU-Forderung beim Bürgergeld: Klagen dauern Jahre
Wenn die Maßnahmen wie die komplette Streichung der Grundsicherung in Kraft treten, können Betroffene gegen die Sanktionen Klagen. Denn bei den CDU-Plänen zum Bürgergeld gibt es rechtliche Bedenken. „Da es im Sozialrecht kein Verbandsklagerecht gibt, werden Individualklagen erforderlich sein“, erklärte Harald Thomé, Referent für Arbeitslosen- und Sozialhilferecht, IPPEN.MEDIA. Einzelne Gerichte würden sich deshalb mit einzelnen Aspekten beschäftigen. Aufschiebende Wirkung für die Maßnahmen insgesamt hat das damit nicht.
Wenn ein Sozialgericht einen Vorlagebeschluss zum Bundesverfassungsgericht mache und dieser angenommen werde, würde nach Thomés Einschätzung in zwei bis drei Jahren entschieden werden. Eine andere Option sei eine Sprungrevision zum Bundesozialgericht. Das könnte bis zu drei Jahre dauern.