TSV-Halle als Moulin Rouge
Erinnerungen an die tollen Tage in der Kreisstadt Starnberg.
Starnberg – Es müssen tolle Zeiten gewesen sein, damals in den 1950er- bis in die frühen 1980er-Jahre. Die rund 20 Starnbergerinnen und Starnberger, die sich diese Woche zum Erzählcafé im Museum Starnberger See trafen, schwelgten beim Thema Fasching sofort in fröhlichen Erinnerungen.
Weißt du noch? Gisela Baumann, die das Erzählcafé seit einem Jahr organisiert, wusste von Maskenzügen, Kellerfesten und einem Gaudi-Schubkarrenrennen rund um den Starnberger See zu berichten. „Das Faschingsleben in Starnberg war unglaublich lebhaft.“ Baumann sprach von einer „Zeitenwende“, die sich leider danach vollzogen habe. Alle hätten damals gefeiert, „die Trachtler, die Schützen, die Sanitätskolonnen, der Frauenbund“, erinnert sich Starnbergs langjähriger Stadtrat Gerd Weger. „Die Gesellschaft hatte Nachholbedarf, und es gab ja lange nicht so viele Vergnügungen wie heute.“
Berühmt waren die Faschingsbälle des TSV Starnberg, die in der alten Turnhalle stattfanden und immer ein Motto hatten. Der Geräteraum verwandelte sich zur schummrigen Sektbar. „Harte Getränke gab es nicht, man trank Wein oder Bier oder eben ein Glasl Sekt“, erzählte Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger. Und die Deko war vom Feinsten. Für das Motto „Moulin Rouge“ war Hans Saegmüller, damals Juniorchef der Elektrofirma, extra nach Paris gereist, um die Mühle originalgetreu nachbauen zu können. Er selbst sorgte beim Ball dann als Puffmutter für nicht endende Heiterkeit.
Unvergessen auch der Ball zum 100. Geburtstag des TSV im Jahr 1980. Ein leibhaftiger König Ludwig II. und seine Pagen aus bester Starnberger Gesellschaft – stilecht eingekleidet von Münchner Kostümverleihern – brachten das Publikum „zum Woana“, wie es ein Teilnehmer von damals formulierte.
Pfaffinger musste selbst schmunzeln, als ihm die ausgelassenen Jugendbälle der 1960er-Jahre einfielen. Sie fanden von 16 bis 20 Uhr in der Turnhalle statt. Erwachsene durften nicht dabei sein, standen aber wohl spätestens um 21 Uhr vor der Tür, um ihre Sprösslinge abzuholen. Alkohol gab es keinen. „Aber das hat unserer Stimmung nie geschadet“, so Pfaffinger.
Die Umzüge am Faschingsdienstag waren ein weiterer Höhepunkt der tollen Tage. Die Wittelsbacherstraße wurde komplett gesperrt, und am Bayerischen Hof stand die Hautevolee, um die fantasievoll geschmückten Wagen zu bejubeln. In großer Eigeninitiative hatten die Vereine in wochenlanger Arbeit gehämmert und gesägt und teilweise völlig verrückte Ideen verwirklicht. Der Münchener Ruder- und Segelverein hatte einmal gar einen Tieflader organisiert, auf dem ein Schwimmbecken stand, in dem trotz Kälte einige Vereinsmitglieder badeten. Die immer schon sehr aktive und kreative Perchalla schickte ein ganzes Pferdefuhrwerk gen Starnberg.
Einmal sollte das Faschingstreiben wegen Geldmangels der Stadt ausfallen. „Dann haben wir alles selbst organisiert, und die Geschäfte haben mit Gratis-Würstl und Krapfen tatkräftig unterstützt“, erzählte Angelika Frenzel. „Das Gemeinschaftsgefühl war damals unglaublich groß.“
Und man kostümierte sich gerne. „Jeder hatte zu Hause eine Faschingskiste mit Kostümen“, sagte Pfaffinger. Gerd Weger ging gern als Rotkäppchen, Burkhard Schütz vom Kneippverein verkleidete sich als Pfarrer. „Um den hübschen Mädchen an der Bar die Beichte abzunehmen“, wie er augenzwinkernd erzählte. „Wir haben von Weiberfasching bis zum Kehraus durchgefeiert“, berichtete Pfaffinger. Einmal sei er am Freitagabend los nach Wangen in die Turnhalle und erst am Sonntagabend wieder nach Hause gekommen – wo sein Vater ihn in hellster Aufregung empfangen habe.
Meine news
Ja, das waren Zeiten. Doch es gibt Hoffnung auf eine Renaissance des Faschings in Starnberg und Umgebung: Christian Fries, der für das Stadtarchiv beim Erzählcafé dabei war, um die alten Geschichten zu bewahren, bestätigte, dass bei den jungen Leuten das Durchfeiern an den Faschingstagen wieder angesagt ist. „Im Pöckinger Beccult geht es von Weiberfasching bis zum Kehraus rund.“ Wenn das kein Hoffnungsschimmer ist.
Ilona Ramstetter