Fatale Zahlen: Deindustrialisierung in Deutschland „hat schon begonnen“ – aber mit Ausnahmen

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Der Industrie gingen zuletzt die Aufträge aus. Das zeigen aktuelle Zahlen. Von verschiedenen Verbänden kommen warnende Worte.

Wiesbaden – Auf der einen Seite Insolvenzen, auf der anderen ein steter Mitarbeiterabbau. Branchenriesen wie Volkswagen kündigen massive Sparprogramme an. Gleichzeitig wandern ganze Unternehmen ab, weil die Verlagerung ins Ausland finanziell mehr Sinn ergibt als das Verbleiben. „Die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland hat schon begonnen“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, gegenüber Reuters. „Die Großunternehmen verlagern, der Mittelstand leidet oder macht dicht. Das ist eine Bankrott-Erklärung für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Neue Daten des Statistischen Bundesamts zeigen: Der Industrie fehlen die Aufträge.

Weniger Aufträge an die Industrie-Unternehmen – Großaufträge beeinflussen Ergebnis

Im November sollen die Bestellungen im Verarbeitenden Gewerbe im Monatsvergleich um 5,4 Prozent zurückgegangen sein. Das teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden am Mittwoch (8. Januar) mit. Dabei spielten die Großaufträge eine entscheidende Rolle – ohne deren Berücksichtigung hätte der Auftragseingang um 0,2 Prozent höher gelegen als noch im Vormonat. Auf Jahressicht (November auf November) sei der Auftragseingang um 1,7 Prozent zurückgegangen.

Intermodaler Transport von Seecontainern.
Ein Portalkran hebt einen Seecontainer (Symbolfoto). © IMAGO/Oliver Kaelke/DeFodi Images

Im Oktober hatte es noch besser ausgesehen: Zwischen September 2024 und Oktober 2024 sei der Auftragseingang um 1,5 Prozent geschrumpft, im Vergleich zum Oktober 2023 sei er jedoch gewachsen (plus 5,7 Prozent). „Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang zwischen September und November 2024 insgesamt um 1,7 Prozent höher als in den drei Monaten zuvor“, erklärte die Behörde. Ohne Großaufträge hätte die Bilanz immerhin bei plus 0,5 Prozent gelegen.

Positive Entwicklung für die Wirtschaft im Langzeitverlauf – Pharma steckt schwer ein

Als Grund für diese Entwicklung nannte Destatis die ausbleibenden Aufträge im Verarbeitenden Gewerbe im November 2024, verglichen mit dem Vormonat, vor allem im sogenannten Sonstigen Fahrzeugbau (Flugzeuge, Schiffe, Züge und Militärfahrzeuge). Im Oktober hatte es ein weitaus höheres Niveau dieser Aufträge gegeben – als sie aber im Folgemonat ausblieben, bedeutete das unweigerlich ein größeres Minus. Der Auftragseingang in diesem Bereich lag im November um 58,4 Prozent niedriger als im Oktober.

Weitere Rückgänge gab es in der Metallerzeugung (minus 1,2 Prozent) und in der Pharmaindustrie (minus 7,2 Prozent). Im Maschinenbau (plus 1,2 Prozent) und in der Chemieindustrie (plus 1,7 Prozent) hatte die Behörde dagegen leichte Anstiege dokumentiert. Längerfristig betrachtet macht der Auftragseingang laut Destatis eine positive Entwicklung durch. Betrachtet man den Zeitraum September bis November 2024, stehe hier ein Auftragsplus von 1,7 Prozent auf dem Papier. Ohne die Großaufträge aus dem Oktober seien es noch plus 0,5 Prozent.

„Deutsche Industrie steht massiv unter Druck“ – Verliert Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit?

International würden die deutschen Firmen an Attraktivität verlieren, zeigten die neuen Daten. Die Aufträge aus dem Ausland seien im November (verglichen mit Oktober) um 10,8 Prozent zurückgegangen. Dafür aber hätten inländische Auftraggeber mehr investiert – ihre Bestellungen nahmen um 3,8 Prozent zu.

Als Gründe dafür nannte Jupp Zenzen, Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer, die hohen Kosten in Deutschland. „Hohe Kosten, Steuern und Bürokratie belasten die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen“, zitierte die Welt den Experten. Der Bund der Deutschen Industrie warnte bereits im November vor einem weiteren Einbruch der Industrieproduktion. „Die deutsche Industrie steht massiv unter Druck“, hatte Tanja Gönner, BDI-Hauptgeschäftsführerin, gesagt. Nach dem Rückgang der Industrieproduktion im Jahr 2024 sei auch 2025 keine Erholung zu erwarten.

„Besonders problematisch ist, dass die deutschen Leitbranchen in diesem Jahr mit starken Rückgängen zu kämpfen haben“, bemängelte Gönner. Für die deutschen Exporte ging sie von einem Produktionsrückgang aus. „Um wieder mehr Wachstumsdynamik zu erzeugen und den Industriestandort Deutschland nachhaltig attraktiv zu gestalten, brauchen wir dringend eine neue und handlungsfähige Regierung, die mit Entschlossenheit und Mut notwendige Reformen umsetzt“, sagte die BDI-Chefin dazu.

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