Die schleichende Krise der deutschen Industrie: Warum die wirtschaftliche Lage so brisant ist
Der Auftragsmangel in der deutschen Industrie verschärft sich weiter. Die Ifo-Umfrage zeigt: Fast jedes zweite deutsche Unternehmen klagt über fehlende Aufträge.
München – Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise: Ein Auftragsmangel belastet Industrieunternehmen zunehmend – und zwar branchenübergreifend, belegen neueste Zahlen des Wirtschaftsinstituts Ifo. Viele melden Auftragseinbrüche, die Stimmung in der deutschen Industrie ist mies. Die Ökonomen warnen vor einer schleichenden Krise – und davor, dass das Ampel-Aus und der wirtschaftspolitische Kurs des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump Deutschland vor weitere Probleme stellen wird.

Ifo-Umfrage: Fast jedes zweite deutsche Unternehmen klagt über fehlende Aufträge
„Die deutsche Wirtschaft kämpft derzeit mit einem ernsthaften Auftragsrückgang, der branchenübergreifend fast jedes zweite Unternehmen trifft“, sagte Klaus Wohlrabe, stellvertretender Leiter des Ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter der Befragungen, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Nach den am Montag (11. November) veröffentlichten neuesten Zahlen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München (Ifo) berichten 41,5 Prozent der Firmen über fehlende Aufträge – ein weiterer Anstieg gegenüber 39,4 Prozent im Juli – und der höchste Wert seit der Finanzkrise 2009.
Die Umfragen unter 9000 deutschen Führungskräften zeigt eine sich verschärfende Auftragskrise vor allem in den Kernbranchen Maschinenbau, Metall- und Elektroindustrie.

Schleichende Wirtschaftskrise: Auftragsmangel erreicht Höchststand seit 2009
„Der Mangel an Aufträgen hemmt weiter die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland“, erklärt Wohlrabe, „kaum eine Branche bleibt davon verschont.“ Besonders betroffen seien jedoch die Kernbranchen der Industrie – Maschinenbau, Metall- und Elektroindustrie. Hier klagten 47,7 Prozent der Unternehmen über leere Auftragsbücher.
Die schwache Konjunktur in der Industrie, die sich bereits in den letzten eineinhalb Jahren „angeschlichen“ habe, wirke sich allerdings zunehmend auf andere Sektoren aus. Besonders betroffen sei unter anderem die Transportbranche, die eng mit der Industrienachfrage verknüpft ist. Auch Personalvermittlungsagenturen spürten die Auswirkungen: Rund zwei Drittel berichteten über eine geringere Nachfrage nach Arbeitskräften – ein Anzeichen dafür, dass Unternehmen weniger Personal einstellen und sich auf einen längeren Konjunkturrückgang einstellen könnten.
Meine news
Schlechte Stimmung und Auftragsrückgang auch in der Veranstaltungsbranche und Gastronomie
Die schlechte Konjunktur treffe auch die Gastronomie und Veranstaltungsbranche hart: Etwas mehr als ein Drittel der Gastronomiebetriebe haben zu wenig Gäste. Von den Veranstaltern beklagt fast die Hälfte (48,5 Prozent) fehlende Aufträge. Einzig Rechts- und Steuerberatungen verzeichnen eine stabile Auftragslage – „sie sind die Profiteure von dem hohen Bürokratie- und Regulierungsaufwand“, berichtet der Ifo-Ökonom.
Regierungskrise und Trump-Wahl verschärfen die Situation weiter: „Gift für Investitionen“
Diese Entwicklung werde sich „zumindest im nächsten halben Jahr“ auch nicht bremsen lassen, so Wohlrabe, „denn mit dem Bruch der Ampelkoalition – also ohne eine Regierung und mit der Wiederwahl von Donald Trump hat sich die Unsicherheit für die Unternehmen noch weiter verschärft.“ Diese Unsicherheit sei „Gift für Investitionen“ und werde in den nächsten Monaten weitere Zurückhaltung mit sich bringen.
Wie auch immer die neue Regierung aussehen wird, es muss dann klare Signale geben –jenseits von Diskussionen muss für die Wirtschaft Handlungsklarheit geschaffen werden.
Erst dann werde sich zeigen, ob zum einen der neu gewählte US-Präsident die im Wahlkampf angekündigten Zölle von bis zu 20 Prozent auf europäische Waren umsetzt. „Das könnte zu einem Rückgang der Exporte von 15 Prozent und einem wirtschaftlichen Schaden von 33 Milliarden Euro führe“, erklärt der Ökonom.
Zum anderen sei entscheidend, wie die Regierungsbildung nach Neuwahlen in Deutschland verlaufe: „Wie auch immer die neue Regierung aussehen wird, es muss dann klare Signale geben“, warnt Wohlrabe. „Jenseits von Diskussionen muss für die Wirtschaft Handlungsklarheit geschaffen werden. Und zwar nicht nur für ein Jahr, sondern Pakete, die über drei/vier Jahre geschnürt werden“.
„Hoffnungsschimmer“: Auftragszahlen stiegen im September wieder leicht
Denn auch wenn sich die Meldung des Statistischen Bundesamtes vom vergangenen Mittwoch (6. November), wonach der Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe im September 2024 gegenüber dem Vormonat um 4,2 Prozent gestiegen sei, ein „Lichtblick“ biete. „Ob die Talsohle tatsächlich durchschritten ist, zeigt sich erst in den nächsten Monaten“, so der Ifo-Experte. „Die im September wieder gestiegenen Auftragsbestände können ein Hoffnungssignal sein“, aber es sei noch ein weiter Weg nach oben aus dem wirtschaftlichen Keller, so der Ökonom.