Abbau statt Aufbau: Der Autobranche fehlt jetzt an einer entscheidenden Stelle das Geld

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Die Autoindustrie steckt in einer tiefen Krise, die auch 2025 fortwährend wird. Die Firmen müssen sparen – dabei sind Investments jetzt unerlässlich.

München – Die Automobilindustrie wackelt. Fast alle großen deutschen Autobauer mussten im vergangenen Jahr Verluste hinnehmen und kündigten Sparprogramme an. Noch dramatischer ist die Lage bei den Zuliefererbetrieben, die 2024 besonders vom Insolvenzgeschehen betroffen waren. Grund für die Krise ist die Transformation vom Verbrenner hin zur Elektromobilität, die in Europa noch nicht die nötige Schlagkraft entfaltet hat.

Für die Branche ist es ein Dilemma. Denn um die Transformation noch zu bewältigen, muss gerade jetzt kräftig investiert werden. Und wie der Zentralverband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI in einer Studie im Dezember 2024 ermittelte, müsste vor allem diese Branche vor allem in einem Bereich viel mehr tun, um zukunftsfähig zu werden.

Deutsche Industrien müssen mehr für den Aufbau der Halbleiter tun – Chiphersteller warnen

So warnt der Verband in der Studie, die vom Beratungsunternehmen Strategy& durchgeführt wurde, vor einer neuen Lieferkrise bei Halbleitern. Zwischen 2020 und 2023 habe die Autobranche durch die Lieferkrise einen Produktionsausfall erleiden müssen, der der deutschen Wirtschaft einen BIP-Schaden von 99 Milliarden Euro zugefügt habe. Im Zuge der Corona-Pandemie hatte es ein stark ansteigende Nachfrage nach Chips gegeben, die die Hersteller nicht auf die Schnelle bedienen konnten.

Chip-Industrie
Infineon ist an der ESMC-Fabrik, die in Dresden entsteht, beteiligt (Archivbild). © Robert Michael/dpa

Die Automobilbranche, die gerade mal zehn Prozent des weltweiten Bedarfs an Halbleitern abdeckt, war besonders hart getroffen. Denn 2020 hatte die Autobranche noch ihre Halbleiterkapazitäten freigegeben, in Erwartung eines historischen Einbruchs der Autoverkäufe. Also wurden die Chips an andere Abnehmer verkauft – was der Autobranche später knallhart auf die Füße fiel. „Entgegen den Erwartungen fiel der Rückgang des Bedarfs an Halbleitern in der Automobilbranche allerdings geringer aus. Stattdessen führte das rasch wachsende Interesse an Elektrofahrzeugen zu einer anhaltenden Steigerung der Nachfrage nach Halbleitern“, erklären die Studienautoren.

Die Halbleiterkrise dauerte noch bis 2023 an. Die Probleme in der Lieferkette führten in diesen für Deutschland wichtigen Branchen zu Produktionsausfällen – und stärkten asiatische Hersteller von Halbleitern, da diese oft noch liefern konnten, wo die Europäer es nicht mehr konnten. Das hat, so der ZVEI, die europäische Industrie langfristig geschwächt.

Chip-Knappheit könnte wiederkehren: Industrien müssen mehr investieren

Das Problem könnte sich auch jederzeit wiederholen, das ist die Einschätzung von Strategy&. Es sei dringend notwendig, die Chipindustrie also zu stärken – und daran sollte die Automobilindustrie großes Interesse haben. Der Verband stellt klare Forderungen an die deutschen Industrien, für die Halbleiter von erheblicher Bedeutung sind: Sie sollen investieren. Und zwar - zusammen mit den Chipherstellern selbst – in den Aufbau der Produktionskapazitäten, in Forschung & Entwicklung für Mikroelektronik, in den Aufbau von Fachkräften in dieser Branche und in langfristige Partnerschaften mit unterschiedlichen Lieferanten.

Das mit dem Investieren ist aber gerade für die Automobilbranche und im Maschinenbau alles andere als selbstverständlich. Und anstatt Stellen aufzubauen, ist gerade eher die Rede von Stellenabbau. Die großen Zulieferer ZF, Continental, Bosch und Schaeffler bauen jeweils tausende Stellen ab. Kurz vor Weihnachten erzielte Volkswagen eine Einigung mit der IG Metall zum Abbau von 35.000 Stellen in Deutschland bis 2035. Noch dazu sollen weniger Ausbildungsplätze vergeben werden. Das klingt nicht nach sprudelnden Investments in die Zukunft.

Autobranche investiert in die Zukunft – für den Mittelstand ist es eine „Kraftanstrengung“

Trotz der Widrigkeiten ist der Automobilsektor in Deutschland im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) führend. Wie der Verband Deutsche Automobilindustrie (VDA) erläutert, will die Branche bis 2028 jährlich 56 Milliarden Euro in FuE investieren, mit Fokus auf die Transformation. „Die Investitionen sind auch Ausdruck unseres Willens, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Die deutsche Automobilindustrie will auch in Zukunft die klimafreundlichsten, sichersten, effizientesten und modernsten Autos der Welt bauen“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Vor allem die Zuliefererbranche sei aber in einem „epochalem Umbruch“, gerade mittelständische Unternehmen könnten die nötigen Investitionen „nur mit äußerster Kraftanstrengung“ leisten, so der VDA weiter.

Investieren und fördern sollen daher auch nicht nur die Industrien – auch der Staat und die EU sollten viel mehr fördern, fordert der ZVEI. Denn die Chips sind für das Erreichen der Klimaziele unerlässlich und sollten daher höchste Priorität genießen. Indem der Staat mehr Geld in den Chipaufbau investiert, könnten tausende neue Stellen entstehen und Milliarden an zusätzlichen Steuereinnahmen. Solche Förderprogramme „ermöglichen Europa, sich in einem zunehmend globalen Wettbewerb als führende Technologie-Region zu positionieren und eine langfristige Grundlage für Wohlstand und Resilienz zu schaffen“.

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