„Brisantes“ in bayerischem Trinkwasser: Bundestagsabgeordneter schlägt Alarm

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In der öffentlichen Toilette am Hatzplatz in Wolfratshausen zapfte der Bundestagsabgeordnete Karl Bär Trinkwasser ab. In einem Labor ließ der Grünen-Politiker die Probe auf Spuren von Trifluoracetat untersuchen. © Johannes Danzer

Der Grünen-Politiker Karl Bär hat sechs Wasserproben analysieren lassen: Nach seinen Angaben fand sich jeweils Trifluoracetat (TFA) „klar über dem in der EU diskutierten Grenzwert“.

Wolfratshausen/Icking – Experten haben die sogenannte Ewigkeitschemikalie Trifluoracetat (TFA) schon lange im Visier. Die Chemikalie kann mit herkömmlichen Methoden nicht aus dem Trinkwasser herausgefiltert werden und steht im Verdacht, unter anderem negative Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen zu haben. Der Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen/Miesbach, Karl Bär (Grüne), hat nach eigenen Angaben Mitte März im Oberland sechs Wasserproben genommen. Eine davon in der öffentlichen Toilette am Hatzplatz in Wolfratshausen. Laut Bär fand sich in allen sechs Proben TFA – „klar über dem in der EU diskutierten Grenzwert“.

Trifluoracetat ist ein Abbauprodukt von Pestiziden

Trifluoracetat beziehungsweise Trifluoressigsäure entsteht als Abbauprodukt vieler Substanzen wie Pestizide und Kühlmittel. In Flüsse und Seen gelangt TFA durch Abwasser, das Umweltbundesamt spricht von einem „sehr mobilen und persistenten Stoff“. TFA verbreite sich rasant und reichere sich in der Umwelt an. Für die Chemikalie in Oberflächengewässern, im Grund- und Trinkwasser gibt es keinen EU-weit harmonisierten Grenzwert. Das Umweltbundesamt hat aber einen Leitwert von 60 Mikrogramm pro Liter als „toxikologisch tolerierbare Konzentration“ für Trinkwasser festgelegt. Bis zu diesem Wert wird derzeit davon ausgegangen, dass es nicht gesundheitsschädlich ist.

Karl Bär hält dagegen, dass TFA „das Kind im Mutterleib schädigen kann“. Tierversuche der Firma Bayer hätten gezeigt, dass schon geringe Mengen bei Nachkommen Leber- und Augenschäden verursachen würden. Der Grünen-Politiker aus Holzkirchen nahm Wasserproben aus der Isar bei Icking, der Mangfall, aus dem Tegernsee und zapfte in Holzkirchen, Miesbach und Wolfratshausen Trinkwasser ab. Das Ergebnis der Laboranalysen: „Alle untersuchten Proben lagen mit Werten zwischen 0,46 und 0,78 Mikrogramm pro Liter klar über dem Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter, der derzeit auf EU-Ebene diskutiert wird“, so Bär in einer Pressemitteilung.

In der Probe des Leitungswassers aus Wolfratshausen habe das Labor eine TFA-Konzentration von 0,68 Mikrogramm pro Liter festgestellt. In der Probe aus der Isar bei Icking hätten sich 0,60 Mikrogramm der Chemikalie pro Liter befunden.

Alle Pestizide, die zu TFA zerfallen, „müssen ihre Zulassung verlieren“

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Für Bär ist „brisant“: „Rund um den Tegernsee oder an der Isar gibt es keine Chemieindustrie und kaum Pestizideinsätze. Dass TFA hier gefunden wird, zeigt, wie weit sich die Chemikalie über den Wasserkreislauf verbreitet.“ Die farb- und geruchslose Substanz, die sehr gut wasserlöslich ist, „reichert sich im Grundwasser an und lässt sich kaum entfernen“, warnt der Bundestagsabgeordnete. „Studien zeigen, dass schon kleinste Mengen die Entwicklung ungeborener Kinder schädigen können.“ Trotzdem seien in Deutschland noch 29 Pestizidwirkstoffe zugelassen, die zu TFA zerfallen, konstatiert Bär. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit müsse diese Zulassungen „endlich widerrufen“. Alle Pestizide, die zu TFA zerfallen, „müssen ihre Zulassung verlieren“. Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) „muss dafür die Verantwortung übernehmen.“

Der Genuss unseres Trinkwassers ist absolut unbedenklich.

Die Stadtwerke Wolfratshausen betonen, dass die Stadtwerke München Monat für Monat Wasserproben aus der Loisachstadt analysieren. So werde sichergestellt, dass das Trinkwasser höchsten Qualitätsstandards entspreche. Erst in der vergangenen Woche, so Wassermeister Tobias Deiser gegenüber unserer Zeitung, habe eine mikrobiologische Untersuchung stattgefunden. Das Ergebnis: „Ohne Auffälligkeiten.“ In den nächsten Tagen erwartet Deiser das Ergebnis einer chemischen Analyse des Trinkwassers, die Proben wurden nach seinen Worten im Mai gezogen.

Aufgrund der Anfrage unserer Zeitung hinsichtlich TFA hat Deiser sich am Dienstag mit seinen Berufskollegen in Miesbach und Holzkirchen in Verbindung gesetzt. Zudem haben die Stadtwerke Wolfratshausen das Labor, mit dem sie zusammenarbeiten, beauftragt, „zeitnah“ Wasserproben aus den zwei Tiefbrunnen in der Flößerstadt zu entnehmen. Diese Proben „sollen explizit hinsichtlich TFA analysiert werden“, sagt Wassermeister Deiser. Er betont aber mit Nachdruck: „Der Genuss unseres Trinkwassers ist absolut unbedenklich.“ (cce)

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