Die Energiewende braucht keinen Neustart, sondern endlich Tempo

Im Wahlkampf stand die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland im Mittelpunkt. Dabei ging es auch um Kosten und Geschwindigkeit der Energiewende. Kritiker bemängelten unter anderem eine Überdimensionierung beim Ausbau von Stromerzeugung und Netzen, da der Stromverbrauch zuletzt zurückging: von rund 600 Terawattstunden (TWh) vor zehn Jahren auf etwa 520 TWh im vergangenen Jahr.

Der Monitoringbericht zeigt jedoch: Langfristig wird der Strombedarf deutlich steigen. Die untersuchten Szenarien prognostizieren für 2030 einen Verbrauch zwischen 600 und 700 TWh – etwas weniger als die bisherige Regierungsannahme von 750 TWh, aber ein erkennbarer Anstieg gegenüber den heutigen Zahlen. 

Stromverbrauch steigt langfristig deutlich

Für das Jahr 2045 liegt der erwartete Bedarf laut Szenarien mindestens auf Höhe dieser 750 TWh. Viele Szenarien sehen 2045 sogar einen Verbrauch oberhalb von 1000 TWh. Grundsätzlich bleibt es also richtig, sich auf einen langfristig steigenden Strombedarf einzustellen.

Zwei Punkte sind dabei entscheidend: Erstens wäre ein dauerhaft stagnierender Verbrauch ein Warnsignal – dann käme die Elektrifizierung von Mobilität und Industrie nicht wie geplant voran. Zweitens ist 2030 nur ein Zwischenziel. Danach steigt der Bedarf weiter. Darauf muss das Stromsystem vorbereitet werden.

Forderung nach mehr Kosteneffizienz

Der Bericht benennt bekannte Schwächen – etwa beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und beim Ausbau der Windenergie. Gleichzeitig werden Fortschritte hervorgehoben, zum Beispiel bei Solarenergie und Genehmigungsverfahren.

Ein zentrales Fazit: Die Energiewende muss kosteneffizienter werden - unter anderem durch eine effizientere Stromversorgung. Dafür sollten bestehende Netzkapazitäten effizienter genutzt und Flexibilitäten bei Verbrauch und Einspeisung stärker angereizt werden. Auch die Digitalisierung bietet große bisher kaum genutzte Effizienzpotenziale – etwa durch Smart Meter, deren Rollout in Deutschland bislang stockt. Aufgrund des steigenden Bedarfs bleibt der weitere Ausbau von Erneuerbaren, Netzen, Speichern und steuerbarer Leistung allerdings unverzichtbar. Die entscheidende Frage lautet: Wie lässt sich dieser Ausbau effizienter gestalten?

Der 10-Punkte-Plan: viele Ideen, wenig Konkretes

Pünktlich zur Veröffentlichung des Monitoringberichts hat das Bundeswirtschaftsministerium einen eigenen 10-Punkte-Plan vorgestellt, mit dem die Energiewende kosteneffizienter und wettbewerbsfähiger gemacht werden soll. Vorgesehen sind unter anderem Kapazitätsmärkte zur Finanzierung regelbarer Kraftwerksleistung am Strommarkt, mehr Digitalisierung und die Einführung von CCUS-Technologien, zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2. Das sind grundsätzlich wichtige Ansätze und Ergänzungen für die weitere Transformation. 

Auch das Thema Kosteneffizienz wird mehrfach betont und eine „realistischere“ bzw. pragmatischere“ Planungen angekündigt. Dabei kann es etwa beim Netzausbau sinnvoll sein, Projekte zu priorisieren und zu staffeln, um Kosten zu senken. Wichtig ist aber, dass dabei echte Effizienzgewinne entstehen – und nicht der notwendige Ausbau verschleppt wird. Denn laut Monitoringbericht steigt der Bedarf langfristig erheblich.

Auch bei der Förderung Erneuerbarer Energien sind Anpassungen geplant – etwa die Umstellung auf die von der Europäischen Union ohnehin vorgesehenen Differenzverträge oder der Wegfall von Förderungen kleinerer Solaranlagen. Wenn letzteres Kosten spart und diese Aufdachanlagen sich bereits weitgehend von selbst rentieren, ist dieser Vorschlag zumindest nachvollziehbar. 

Aber die größten Förderlasten liegen ohnehin bei älteren Anlagen mit hohen Vergütungssätzen, die erst ab 2030 auslaufen. Der eigentliche Kostenhebel liegt darin, den Ausbau effizienter voranzutreiben und netzdienlich zu steuern. Vorgeschlagen werden dafür etwa regional differenzierte Baukostenzuschüsse.  

Die Instrumente für einen regional netzdienlichen Betrieb – also nicht nur zur Steuerung, wo Anlagen entstehen, sondern auch, wann sie dort gebraucht werden – bleiben jedoch bislang vage. Derzeit gibt es beispielsweise Anreize, einen Speicher in Bayern zu laden, wenn an der Nordküste starker Wind weht und dadurch der deutsche Börsenstrompreis insgesamt sinkt. Ebenso finden sich wenig konkrete Ansätze, um die dafür notwendige Digitalisierung sowie beispielsweise den Ausbau von Windenergie und Elektrolyseuren stärker voranzubringen.

Weiterentwicklung statt Neustart

Der Monitoringbericht liefert eine solide Grundlage. Er zeigt: Der Strombedarf wird steigen – und damit auch der Ausbaubedarf. Ein kompletter Neustart der Energiewende ist weder nötig noch sinnvoll. Gefragt sind mehr Tempo und Effizienz.

Der 10-Punkte-Plan des Bundeswirtschaftsministeriums enthält wichtige Ansätze, bleibt aber in vielen Punkten leider zu unkonkret. So wird etwa die Teilung der Stromgebotszone abgelehnt, konkrete Ansätze, um regionale Flexibilitätspotenziale zu heben – beispielsweise über regional dynamisierte Netzentgelte oder regionale Flexibilitätsmärkte, fehlen aber bislang. Auch die angestrebten Kostensenkungen durch eine geringere Dimensionierung des Ausbaus müssen mit Blick auf den langfristigen Bedarf kritisch geprüft werden.

Viele Vorschläge – wie die Einführung eines Kapazitätsmarktes oder die Ermöglichung von CCUS – sind keine radikale Neuausrichtung, sondern sinnvolle Ergänzungen des bisherigen Kurses – die auch die Vorgängerregierung auf dem Schirm hatte. Die Energiewende braucht also keinen Neustart, sondern eine konsequente Weiterentwicklung für eine effizientere Energieversorgung.