Marode Schulen, kaputte Brücken: Kommunen klagen über finanzielle Milliarden-Belastungen
Deutsche Städte und Gemeinden sind hoch verschuldet. Entsprechend fehlt ihnen der Gestaltungsspielraum. Nun wachsen demokratiefeindliche Tendenzen, zeigt eine Untersuchung.
Berlin – Im Jahr 2024 verzeichneten die deutschen Kommunen ein Rekorddefizit von fast 25 Milliarden Euro. Die Ausgaben steigen massiv, bei den Einnahmen sieht es mau aus. Nun zeigt eine neue Untersuchung, dass neben der finanziellen Schieflage auch die gesellschaftliche Situation in Städten und Gemeinden zunehmend angespannt ist.
Deutsche Kommunen mit Rekordschulden – Tendenz steigend
Die Körber-Stiftung hat am Dienstag eine repräsentative Forsa-Umfrage veröffentlicht und unter mehr als 2300 ehrenamtlichen Stadt- und Gemeinderatsmitgliedern ein umfassendes Stimmungsbild eingeholt. Die Ergebnisse sind ernüchternd. 70 Prozent der Ratsmitglieder bewerten die finanzielle Lage ihrer Kommune als schlecht oder sehr schlecht, in den ostdeutschen Kommunen sind es sogar 80 Prozent, wie aus den Zahlen hervorgeht.
„Für 90 Prozent stellen die fehlenden Finanzmittel die drängendste Herausforderung der kommenden Jahre dar, gefolgt vom Erhalt der Wirtschaftskraft (80 Prozent) und der Energiewende (79 Prozent)“, heißt es von der Körber-Stiftung. „Das bundespolitisch viel diskutierte Thema Migration spielt im Vergleich eine untergeordnete Rolle (57 Prozent), insbesondere im Osten der Republik (44 Prozent).“

„Die Kommunen müssen gestärkt werden, die Demokratie vor Ort ist unter Druck. Ohne ausreichende Mittel gibt es kaum Handlungsspielräume. Das schwächt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und gibt demokratiefeindlichen Stimmen weiter Auftrieb“, kommentiert Sven Tetzlaff, Leiter des Bereichs Demokratie und Zusammenhalt bei der Körber-Stiftung, die Ergebnisse.
Kommunen können wegen hoher Schulden nicht mehr in Schulen investieren
Politische Unzufriedenheit spiegelt sich oft auch in der eigenen Gemeinde und bei kommunalen Verantwortlichen wider. Der Investitionsstau ist auf Kommunalebene im ganzen Land enorm, wegen der hohen Schuldenlast sind viele Städte und Gemeinden aber allein schon durch die Zinszahlungen der Kredite finanziell voll ausgelastet. Das weiß auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags: „Wir müssen in Schulen und Kitas investieren, Straßen und Brücken sanieren, neue Wohnungen bauen und unser Angebot an Bussen und Bahnen ausbauen. All das geht aber nicht, solange uns finanziell fast jeder Spielraum fehlt.“
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Dedy weist mit Blick auf das von Union und SPD geplante Sondervermögen für Infrastruktur, das in Teilen in die Kommunen fließen soll, zwar auf dessen Potenzial hin. „Allein das wird die Kommunalfinanzen aber nicht wieder ins Lot bringen. Wir brauchen grundsätzlich eine neue Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die Kommunen tragen etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben, haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen“, beklagt Dedy. Er fordert, dass Kommunen einen größeren Anteil der Gemeinschaftssteuern erhalten. „Außerdem muss Schluss damit sein, dass Bund und Länder den Städten immer mehr Aufgaben zuweisen, die nicht ausfinanziert sind.“
Schuldenschnitt vom Bund – Union stellt sich (noch) quer
Kurz vor der Bundestagswahl brachte die damalige Staatsministerin für Bund-Länder-Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung, Sarah Ryglewski (SPD), im Gespräch mit dieser Redaktion angesichts der hohen Verbindlichkeiten eine Schuldenübernahme ins Gespräch. Der Bund sollte die Hälfte der insgesamt über 30 Milliarden Euro kommunaler Schulden übernehmen.
Dieser Vorschlag wurde in den vergangenen Jahren immer wieder debattiert, fand vor der Wahl im Februar aber keine Mehrheit, besonders die Bundes-Union und NRW-Ministerpräsident Hendrick Wüst (CDU) stellten sich dagegen – obwohl gerade sein Bundesland die höchsten Schulden verzeichnet. Der NRW-Landesverband des Städtetags dagegen ist klar für die Idee der Schuldenübernahme und fordert auch von der künftig wohl unionsgeführten Bundesregierung eine „kommunale Altschuldenlösung mit Bundesbeteiligung“.

Wie sich die kommunale Situation entwickelt, hängt entscheidend von der nächsten Regierung in Berlin ab. Klar ist schon jetzt: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Das wird auch in der Körber-Erhebung deutlich. So überträgt sich laut 70 Prozent der Befragten die „wachsende Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Bundespolitik auf die kommunale Ebene“. Die Studie warnt weiter: „Besorgniserregend ist, dass mehr als ein Viertel der Ratsmitglieder demokratiefeindliche Tendenzen in der eigenen Kommune beobachtet. 25 Prozent berichten zudem, dass sie selbst oder Personen in ihrem Umfeld aufgrund ihrer politischen Arbeit bereits beleidigt oder bedroht wurden.“