„Können kaum noch handeln“: SPD-Staatsministerin will kommunale Altschulden dem Bund übertragen
Deutsche Kommunen sitzen auf 31 Milliarden Euro Schulden. Der Bund will die Hälfte davon übernehmen. Widerstand kommt ausgerechnet aus NRW.
Berlin – Kurz vor der Bundestagswahl bringt die SPD die Frage der hohen Schuldenberge deutscher Kommunen wieder auf den Plan. Die Bundesregierung will die Hälfte der insgesamt rund 31 Milliarden Euro kommunaler Schulden übernehmen. Damit soll Städten und Gemeinden wieder politischer Gestaltungsraum ermöglicht werden. An der Schuldenlast Deutschlands ändert die Verlagerung nichts, erklärt Sarah Ryglewski (SPD), Staatsministerin für Bund-Länder-Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung, unserer Redaktion. Hendrik Wüsts NRW lehnt den Vorschlag entschieden ab – obwohl das Land laut SPD am meisten profitieren würde.
CDU wirfst SPD „Tricksereien“ vor der Bundestagswahl vor
Noch kurz vor Schluss der vorzeitig zu Ende gehenden Legislaturperiode hatten sich das rot-grüne Kabinett darauf geeinigt, die Hälfte der kommunalen Schulden übernehmen zu wollen. „Wir sprechen hier nicht von Kommunen, die sich ein goldenes Schwimmbad gekauft haben und deswegen hoch verschuldet sind, sondern von Orten, die vom Strukturwandel hart getroffen sind und deshalb hohe Ausgaben haben“, sagt Ryglewski dazu im Gespräch mit dem Münchner Merkur. Die Altschuldenlösung ist aber nicht leicht umsetzbar, denn: Dafür muss das Grundgesetz geändert werden. Es bräuchte also eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, aktuell ist sie in der Frage kaum zu bekommen. CDU-Ministerpräsident Wüst warf der SPD deshalb „Tricksereien“ im Wahlkampf vor.

Dass die SPD die Schulden-Umschichtung ohne Unterstützung der Union nicht durchbekommt, weiß auch Ryglewski. Sie appelliert deshalb an die CDU. „Es geht hier um ein Ermöglichungsgesetz. Heißt: Wir ermöglichen einer kommenden Bundesregierung, eine Lösung für die Altschuldenproblematik zu finden. Momentan darf der Bund gar kein Gesetz verabschieden, um dabei zu helfen“, sagt die Staatsministerin, die am 23. Februar nicht mehr für den Bundestag antritt und sich aus der Politik vorerst verabschiedet.
Wüst und NRW würden von Schuldenübernahme am meisten profitieren
Übernehmen darf die Schulden einer Kommune bisher nur das Bundesland selbst. Nordrhein-Westfalen hat bundesweit die meisten überschuldeten Kommunen – trotzdem stellt sich Wüst gegen den Vorschlag des Bundes. „Ich finde das sehr schade, weil etwa das CDU-geführte Nordrhein-Westfalen mit Abstand am meisten von dieser Gesetzesänderung profitieren würde“, so Ryglewski. Wüst konterte und kündigte an, das Problem der Schulden selbst lösen zu wollen. Für Ryglewski ein Scheinargument: „Die CDU regiert in NRW nun schon länger, eine Lösung haben sie bisher aber nicht umgesetzt. Andere Länder wie Rheinland-Pfalz sind schon aktiv geworden. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Land mit einem so großen Anteil an dem Problem, das trotzdem noch nichts gemacht hat.“
Ryglewski geht es bei der Entlastung der Städte und Gemeinden um Gerechtigkeit und „um die Frage der Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen und Lebenschancen. Einige Kommunen können wegen der Schulden kaum noch proaktiv handeln und Bürgerinnen und Bürger, die dort leben, können mit ihren Stimmen nur noch darüber entscheiden, wer den Mangel am besten verwalten kann“, so die Ministerin im Gespräch im Bundeskanzleramt mit dieser Redaktion.
AfD könnte Schuldenerleichterung für Kommunen bremsen
Schon im Koalitionsvertrag der mittlerweile geplatzten Ampel war der Vorstoß zur Umschuldung vorgesehen. Getan hat sich bis zum Zerbrechen des Dreierbündnisses aber nichts. „Wir hätten uns gewünscht, dass das früher kommt. Wir brauchen für das Gesetz aber eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und wir sind mit der Union in dieser Sache nicht übereingekommen”, so die Bremer SPD-Ministerin. Dass Rot-Grün trotz mäßiger Erfolgsaussichten (es stehen noch zwei Sitzungstage im Bundestag an – eine Einbringung der Gesetzesänderung ins Plenum scheint unwahrscheinlich) die Debatte nun noch einmal anstößt, könnte man als Symbolpolitik sehen. Für Ryglewski geht es dabei aber um mehr.
Meine News
„Wir wissen nicht, ob wir im kommenden Bundestag noch eine Zweidrittelmehrheit demokratischer Parteien haben, deshalb haben wir uns entschieden, das Thema nun nochmal zu platzieren“, so die Ministerin mit Blick auf aktuelle Umfragen und eine stärker werdende AfD. „Auch wenn die Union trotz Gesprächen eher wenig Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert.” Mit dem Gesetz gebe es nichts zu verlieren, so Ryglewskis Argument. „Die jetzt vorliegende Grundgesetzänderung ist nicht finanzwirksam. Bei einer abschließenden Regelung der Altschuldenproblematik übernimmt der Bund dann einen Teil der Schulden der Kommunen“. Und ebenso die Zinsen, die im Bundeshaushalt nicht groß ins Gewicht fallen würden, so Ryglewski. Aus SPD-Sicht überwiegen die Vorzüge des Gesetzes. Und obwohl selbst die FDP offen für die Änderung wäre, kommt es in dieser Legislatur wohl nicht mehr dazu, vorausgesetzt die Union bleibt bei ihrer Ablehnung.