Kritik an Papst-Aufruf zu Verhandlungen im Ukraine-Krieg: „Schäme mich als Katholikin“

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Die Empörung über die Aussagen von Papst Franziskus zum Ukraine-Krieg gehen über die Grenzen des Landes hinaus. Auch aus Deutschland kommen klare Worte.

Kiew – Papst Franziskus sorgt weltweit mit seinen Äußerungen zum Ukraine-Krieg für Unverständnis und Unmut. In einem vorab veröffentlichen Interview des Schweizer Fernsehens hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche mit Blick auf den zwei Jahre laufenden Krieg offenbar die Ukraine zu Verhandlungen mit Russland aufgerufen.

Papst fordert Ukraine zu Friedensverhandlungen mit Russland auf: „Mut, die weiße Fahne zu hissen“

„Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln“, sagte der Papst in dem Interview. Der Pontifex nannte zwar weder eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen, dennoch fügte er hinzu: „Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.“ Bevor Franziskus an anderer Stelle im Interview mit dem Schweizer Sender RSI deutlich machte, dass „Verhandlungen niemals eine Kapitulation“ seien.

Er sei der Ansicht, dass derjenige Stärke zeige, „der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut hat, die weiße Fahne zu hissen und zu verhandeln“, sagte der Papst weiter, offensichtlich allein an die Ukraine gewandt.

Aufruf von Papst Franziskus zu Friedensverhandlungen mit Russland: Ukraine spricht von Kapitulation

In der Ukraine löste der Aufruf von Papst Franziskus zu Friedensverhandlungen mit Russland verärgerte Reaktionen aus. Besonders im Begriff der „weißen Fahne“ sahen viele eine Aufforderung zur Kapitulation gegenüber Wladimir Putin und dessen russischen Invasionstruppen. „Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet“, schrieb der frühere Abgeordnete und Vizeinnenminister Anton Heraschtschenko im Netzwerk X (ehemals Twitter). 

Der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrij Jurasch, fragte am Wochenende auf X, ob im Zweiten Weltkrieg jemand mit Hitler ernsthaft über Frieden gesprochen und die weiße Fahne geschwenkt habe, um ihn zu befrieden. Mit Blick auf Moskau und den russischen Präsidenten Wladimir Putin fügte Jurasch hinzu, die Lektion aus der Geschichte sei: „Wenn wir den Krieg beenden wollen, müssen wir alles tun, um den Drachen zu töten!“

„Kleingläubiger“: Papst Franziskus löst mit dem Begriff der „weißen Fahne“ Kritik aus

Der ehemalige ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, nannte Papst Franziskus mit einem Bibelwort einen „Kleingläubigen“. Offizielle Kiewer Stellen äußerten sich nicht. Die Ukraine lehnt Verhandlungen ab, solange Russland die besetzten Gebiete nicht wieder freigibt. Schon aus früheren Äußerungen von Papst Franziskus haben die Ukrainer das Gefühl, dass Franziskus mehr Verständnis für Russland aufbringt als für ihr angegriffenes Land. 

Die ukrainische Menschenrechtsaktivistin Oleksandra Matwijtschuk erinnerte in ihrer Reaktion auf die Papstworte daran, dass eine Kapitulation für die Ukraine russische Besatzung bedeute. Das heiße „Folter, sexuelle Gewalt, zwangsweises Verschwinden, Ablehnung der eigenen Identität, Zwangsadoption der eigenen Kinder, Filtrationslager und Massengräber“, sagte Matwijtschuk.

Papst Franziskus ruft zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg auf: „Schäme mich als Katholikin“

Auch in Deutschland löste der Aufruf von Papst Franziskus, der sich schon häufiger Kritik im Umgang mit Russlands Angriffskrieg anhören musste, zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg Bestürzung aus. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat dem Appell mit deutlichen Worten widersprochen. „Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne – das Symbol für den Tod und den Satan – einzuholen“, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses am Sonntag den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Die Äußerungen von Papst Franziskus (l.) stoßen bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP, r.) auf Unverständnis. © Evandro Inetti/dpa / Michael Kappeler/dpa | Montage: IPPEN.MEDIA

„Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber?“, fragte Strack-Zimmermann. Sie fügte deutlich hinzu: „Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt.“ 

Papst-Aufruf zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg sorgt in Deutschland für Kritik

Bei den Grünen stieß der Appell von Papst Franziskus, der unter der Woche große Sorge bereitete, zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg ebenfalls auf Kritik. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Niemand möchte mehr Frieden als die Ukraine“. Auf ihrem Territorium herrsche seit zehn Jahren Krieg, unzählige Menschen seien getötet worden. „Es ist Wladimir Putin, der den Krieg und das Leid sofort beenden kann - nicht die Ukraine“, so Göring-Eckardt weiter.

„Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine.“ Darüber hinaus fügte sie hinzu. „Über Frieden wird und muss verhandelt werden – aber auf Augenhöhe.“

Vatikan ordnet den Papst-Aufruf zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg ein

Das zum Heiligen Stuhl gehörende Online-Portal Vatican News verbreitete am Sonntag in mehreren Sprachen, darunter auch Ukrainisch, einen Bericht über eine entsprechende Erklärung aus dem Vatikan zu den Aussagen von Papst Franziskus zum Ukraine-Krieg. Demnach präzisierte der Vatikansprecher Matteo Bruni, der Papst habe damit „vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben“ wollen.

In dem am Samstagabend von Medien verbreiteten Interview-Ausschnitt des Papstes habe Franziskus das vom Interviewer eingeführte Bild der weißen Fahne aufgegriffen. Sinn der Aussage sei, dass er sich eine „diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden“ wünsche, so Bruni. (mit Material der dpa und afp)

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