Nächster Stellenabbau bei Ford Deutschland in Köln: Verschwindet der US-Hersteller bald ganz?

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Verfehlte Modellpolitik und teure Elektroautos: Autobauer Ford steht in Europa unter Druck. In Köln droht massiver Stellenabbau, während der Marktanteil schrumpft.

Detroit/Köln – Vor etwa einem Jahr wurde bei Ford feierlich die Einweihung des neuen Elektromobilitätswerks in Köln zelebriert, auch Bundeskanzler Olaf Scholz war zu Gast.

Doch die Euphorie im Hinblick auf Elektroautos war bereits früh verflogen, denn die Modelle des US-Autobauers verkaufen sich bei weitem schlechter als erhofft. Ein Mix aus Fehlerketten führt dazu, dass es bei der Kurzarbeit im Rheinland bis nach dem Jahreswechsel nicht bleiben wird:

Ford treibt Stellenabbau in Köln voran – früher über 50.000 Beschäftigte

Ford will an seinem wichtigsten europäischen Standort fast jeden vierten Job abbauen. Bis Ende 2027 sollen hierzulande 2900 Stellen wegfallen, um Kosten zu senken.

Dabei geht es fast komplett um die Europa-Zentrale, wo das Unternehmen derzeit rund 12.000 Stellen hat - und nur minimal um andere, kleinere Präsenzen. In Großbritannien sind zudem 800 Beschäftigte betroffen, weitere 300 in anderen EU-Ländern.

Der älteste ausländische Autobauer in Europa, einst Arbeitgeber von mehr als 50.000 Beschäftigten alleine in Deutschland, hat die Belegschaft innerhalb weniger Jahrzehnte auf ein Fünftel geschrumpft.

Ford-Management über Stellenabbau - „schwierige, entschlossene Maßnahmen“

Der Standort Saarlouis ist von den aktuellen Plänen nicht direkt betroffen, da dort bereits ein Stellenabbau in vollem Gange ist. Im Saarland stellt Ford Ende 2025 seine Produktion von Autos mit Verbrennungsmotoren ein und plant danach mit einem deutlich kleineren Standort, das sich etwa um das Servicegeschäft kümmern soll.

Bei Ford in Köln steht ein weiterer Stellenabbau an. Nicht nur im Hinblick auf Elektromobilität hat sich der US-Hersteller verzettelt
Bei Ford in Köln steht ein weiterer Stellenabbau an. Nicht nur im Hinblick auf Elektromobilität hat sich der US-Hersteller verzettelt. © IMAGO/Christoph Hardt

Ford-Manager Marcus Wassenberg stellte den drastischen Schritt in Köln als unvermeidlich dar, schließlich wolle man auch zukünftig „ein starkes Geschäft in Europa“ betreiben. „Wir müssen daher schwierige, aber entschlossene Maßnahmen zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit von Ford in Europa umsetzen.“

Ford beerdigt Modellreihen – Absatz in Europa stark gesunken

Dabei befindet sich das Europa-Geschäft schon lange auf dem Rückzug: Laut dem Europäischen Automobilherstellerverband (ACEA) sank der Absatz von Ford 2024 in der Europäischen Union, der Europäischen Freihandelszone EFTA sowie dem Vereinigten Königreich gegenüber dem Vorjahr um 16,9 Prozent auf 226.365 Fahrzeuge. Vor einem Jahrzehnt verkaufte der US-Hersteller in Europa noch etwa doppelt so viele Autos.

Abseits des verlangsamten Hochlaufs der E-Mobilität hat der Konzern einen groben Fehler begangen: „den Ast abzusägen, auf dem man sitzt“, schreibt Motor1.com: Im Jahr 2022 wurde die Mittelklasse Ford Mondeo beerdigt, bereits 2019 der Ford Ka als Stadtauto eingestellt. Schließlich hielt man es in Köln bzw. der Firmenzentrale in Detroit auch für eine gute Idee, ab 2023 den traditionsreichen Bestseller Ford Fiesta nicht mehr anzubieten.

Modellstrategie von Ford erweist sich als Fehlentscheidung

Mit den Modellreihen Focus und Puma führt Ford derzeit noch zwei bezahlbare Pkw im Neuwagen-Konfigurator. Im kommenden Jahr wird dann auch der langjährige Europa-Bestseller Ford Focus eingestellt, bis dato offenbar ohne Nachfolger. In Deutschland ist der Marktanteil innerhalb weniger Jahre von 7,1 auf 3,7 Prozent geschrumpft. Die Verkaufszahlen lassen keinen Zweifel: Die Entscheidung, vermehrt auf Crossover und kostspielige Elektroautos statt bezahlbarer Modelle zu setzen, hat sich als falsch erwiesen.

Neuer vollelektrischer Ford Explorer; Produktionsstart bei den Ford-Werken in Köln
Seit 2024 wird bei Ford in Köln das vollelektrische SUV Explorer produziert. Die Preisliste beginnt bei 42.500 Euro. © Ford-Werke GmbH

Dass Ford mit seiner Modellstrategie baden geht, zeigt zudem die Absatzentwicklung in Deutschland: Sowohl Klein- als auch Kompaktklasse-Wagen weisen mehr Neuzulassungen auf als 2023. Einzig im Bereich Vans und Nutzfahrzeuge spielt Ford in Europa nach wie vor eine große Rolle.

Ford hat sich in Europa „zu lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht“

In der Wirtschaftswoche kommt Autoexperte Stefan Bratzel zu Wort. Für den Gründer und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach steht fest, dass sich der US-Autobauer „zu lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht“ hat. Das Management in Europa habe zu wenig auf die Veränderungen der Märkte reagiert, darüber hinaus leide Ford an zu hohen Produktionskosten mit Werken im Saarland, Belgien und England.

Während aus der Konzernzentrale in Dearborn nahe Detroit stets die Ansage kam, profitabler zu werden, gab es zwischen 2013 und 2019 alleine sechs verschiedene Europa-Chefs, die mit den Anforderungen offenbar überfordert waren. Vor fünf Jahren fielen bereits fünf Produktionsstätten in Europa dem Rotstift zum Opfer.

Das Portal zitiert einen Insider, wonach Ford zwar mittlerweile effiziente Fabriken betreibe, die Margen für verkaufte Neuwagen jedoch „katastrophal“ sind. Ein Unterschied zu deutschen Herstellern sei, dass man nicht von einem weltweiten Produktionsnetzwerk profitieren kann, zudem habe man in China mehrerer Joint-Ventures zu wenig Ertrag.

Bezahlbare E-Autos könnten Ford Köln bessere Zeiten bescheren

Auch ein fortwährender Sparzwang hindert die Amerikaner wohl, sich für die Zukunft zu rüsten: Obwohl man für viel Geld in Köln ein Kompetenzzentrum errichtete, bedient man sich für Elektroautos bei der modularen Plattform von Konkurrent Volkswagen. Für Besserung der Gesamtlage in Deutschland könnten bezahlbare E-Modelle sorgen, die sind jedoch nicht in Sicht.

Zumindest wird das Modellangebot der elektrischen Crossover bald nach unten abgerundet. Jedoch dürfte die E-Version des Ford Puma kaum für unter 38.000 Euro an den Start gehen. Zumindest entwickelt der Hersteller eine eigene Plattform für kleinere Elektroautos, wie Konzernchef Farley in diesem Jahr verlauten ließ. Zweifellos fehlt ein bezahlbares E-Auto im Portfolio, findet auch der Kölner Betriebsrat.

Ford nur mehr ein „Satellit der Amerikaner“ – was für 2025 Hoffnung macht

Wurde Ford in Deutschland früher trotz Konzernmutter in Übersee als eigener Hersteller wahrgenommen, hat sich dies mittlerweile geändert. Laut Wirtschaftswoche war die Entwicklung einer ganzen Modellreihe einst in Köln angesiedelt, heute ist das anders: „Wir sind ein Satellit der Amerikaner“, wird Betriebsratschef Benjamin Gruschka zitiert - und spricht von der Zulieferung von Einzelteilen für Produkte aus den USA.

Bessern könnte sich die Situation, wenn 2025 die neuen Flottengrenzwerte für Neuwagen in der EU inkrafttreten. Die Preise für Stromer fallen womöglich niedriger aus, weil Hersteller bei Überschreitungen zur Kasse gebeten werden. Zudem lebt in den Chefetagen in Köln, Wolfsburg und Co. die Hoffnung auf eine neue Umweltprämie durch die Bundesregierung.

Dass sich Ford aus Deutschland komplett zurückzieht, ist alleine aufgrund des neuen Technikzentrums im Rheinland unwahrscheinlich. Dass die Sorgenfalten der Beschäftigten angesichts des anstehenden Stellenabbaus jedoch nur für einen überschaubaren Zeitraum gelten, ist dennoch nicht abzusehen. (PF)

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