Heizsysteme im Vergleich - Günstiger als die Wärmepumpe? So rechnet sich die Infrarotheizung auch für Sie

Wärmepumpen seien „in der Anschaffung viel zu teuer“, sagte Timo Leukefeld in einem Interview mit dem Youtube-Kanal „René will Rendite“, da Heizen in Zukunft „völlig an Bedeutung“ verliere. Der Heizbedarf werde sinken, weil immer mehr Gebäude gedämmt und zudem die Winter milder würden. Dafür genüge eine Kombination aus Solaranlagen mit Speicher und strombetriebenen Infrarotheizungen und Boilern. Bei sinkendem Heizbedarf sei die Infrarotheizung gegenüber der Wärmepumpe „wirtschaftlich und ökologisch überhaupt nicht zu toppen.“

Positive und negative Reaktionen der Leser zur Infrarotheizung

FOCUS online zeigte das Video in Ausschnitten. Das Echo war groß – und die Leserschaft gespalten. Während die einen kritisierten, dass der Stromverbrauch einer Infrarotheizung „zwei bis dreimal höher“ sei als der einer Wärmepumpe, und die Sinnhaftigkeit einer Solaranlage im Winter bezweifelten („Hat der Experte sich mal angeschaut, was an den kältesten Tagen eine Solaranlage auf dem Dach bringt? In der Praxis fast nichts.“), berichteten andere von positiven Erfahrungen. 

Selbst „in einem energetisch schlecht isolierten Gebäude" sei zwar die Infrarotheizung nicht sparsamer als ein Nachtspeicherofen, „aber komfortabler und schneller regelbar.“ Ein anderer Leser beichtete von seiner Doppelhaushälfte, in der er „das Wohnzimmer, das Büro und das Schlafzimmer mit Infrarot ausgestattet“ habe. Infrarot heize „grundsätzlich nicht die Luft auf, sondern Gegenstände und Körper. Deswegen geht das Heizen sehr schnell und ist sehr gesund und angenehm“. Sein Gasverbrauch sei stark gesunken und die Anschaffungskosten für das System seien deutlich geringer als bei einer Wärmepumpe.

Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld ist Dozent und Buchautor arbeitet zudem als Redner und Denkwandler beim Zukunftsinstitut. Mit seinem Ingenieurbüro in Freiberg entwickelt er bezahlbare und energieautarke Gebäude und berät Bauherrn und Wohnungsbaugesellschaften bei der Ausführung. In Freiberg, Sachsen, lehrt Leukefeld als Honorarprofessor an der Bergakademie. 

Der „Energie-Rebell“ tritt den Beweis an

Leukefeld, den einige Medien aufgrund seiner kontroversen Ansichten zum perfekten Heizsystem auch schon als „Energie-Rebell“ bezeichnet haben, kennt die Kritik. Mit seinen Projekten, wie jüngst der Sanierung dreier Plattenbauten in Aschersleben, zeigt er jedoch, dass sein Ansatz funktioniert – für bestimmte Gebäudetypen und unter bestimmten Voraussetzungen. Für FOCUS online belegt Leukefeld seine Aussagen nun mit einer Wirtschaftlichkeitsrechnung, die FOCUS online vorliegt.

Leukefelds Ingenieurbüro verfolgt das Ziel, energieautarke Gebäude zu schaffen. Das können Neubauten sein oder auch sanierte Plattenbauten, wie derzeit in Aschersleben. Dazu werden vor Projektbeginn umfangreiche Gutachten erstellt, Energiebilanzen errechnet und mittels Drohnenflügen vorab mögliche Verschattungen ermittelt, die den Ertrag der Solaranlagen mindern können. Erst wenn die Simulation zu einem positiven Ergebnis führt, wird mit dem Bau oder der Sanierung begonnen. 

Die aufwendige Vorbereitung ist auch der Grund, warum Leukefeld sein Konzept bislang nicht für Einfamilienhäuser einsetzt. „Der Aufwand wäre im Verhältnis zur Investitionssumme viel zu hoch“, sagt er.

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Infrarotheizung eignet sich vor allem in Mehrfamilienhäusern

Bei Mehrfamilienhäusern jedoch lohnt es sich. 25 Prozent aller Bestandsbauten, schätzt Leukefeld, wären für sein Modell, geeignet. Das besteht, kurz gesagt, aus energetischer Dämmung, Solarpaneelen auf Dächern und Fassaden, ein oder mehreren Stromspeichern im Keller und dezentralen, strombetriebenen Boilern in jeder Wohnung. Dadurch entfällt für die Vermieter auch eine kostspielige Legionellenprüfung. 

Hinzu kommen Infrarotheizungen, die Leukefeld in der Regel in den Wohnräumen an die Decke hängen lässt, „da, wo ohnehin ein Stromanschluss ist“. Eine Deckenlampe ist integriert.

In den drei Plattenbauten, die Leukefeld derzeit zusammen mit einer Wohnungsbaugesellschaft in Aschersleben saniert, wird es auf diese Weise möglich sein, dass sich die Bewohner neun Monate im Jahr autark mit Energie versorgen. Dafür zahlen sie eine Pauschale für sämtliche Energie, die sie beziehen. Sogar Elektroautos können damit geladen werden. Es gibt keine Nebenkostenabrechnung und keinen eigenen Vertrag mit einem Versorger. 

Stromkosten von 50 Euro - im Jahr

In einem Mehrfamilienhaus mit fünf Parteien und 370 Quadratmetern Wohnfläche in Ehingen bei Augsburg ging Leukefeld noch weiter. Ihm war das Objekt eigentlich zu klein, doch der Investor bat um seine Expertise. Ergebnis: Große Teile des Jahres versorgt sich das Gebäude nun selbst. Sollte nach dem Aufheizen des Warmwassers per Heizstab immer noch Solarstrom übrig sein, wird dieser ins Netz eingespeist. 

Nur im Winter muss phasenweise Strom aus dem Stromnetz zugekauft werden. Man könnte auf die Idee kommen, dass die ganze schöne Rechnung dann kippt. Es zeigte sich jedoch: Das gesamte Haus mit insgesamt acht Bewohnern hat einen Restenergiebezug von nur 8000 Kilowattstunden im Jahr. Nach Abzug der Vergütung für den eingespeisten Solarstrom belief sich die erste Jahres-Stromrechnung des Vermieters auf 50 Euro. Darin sind sämtliche Stromkosten aller Bewohner enthalten. 

Die Wirtschaftlichkeitsrechnung: Infrarot vs. Wärmepumpe

Wie kann das sein? Wann amortisiert sich sein Modell? Um das zu belegen, hat Leukefeld eine Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellt, die FOCUS online hier vorstellt.

Vorab zwei Besonderheiten der beiden miteinander verglichenen Heizsysteme. Die Wirkungsgrade von Luft-Wasser-Wärmepumpen betragen laut Herstellerangaben 400 Prozent. Davon stehen nach der Speicherung des Warmwassers 92 Prozent zur Verfügung. Davon wiederum kommen nach Verlusten im Heizkreislauf 95 Prozent als Nutzwärme an. Durchgerechnet ergibt das eine Jahresarbeitszahl von 3,5, die Wärmepumpe erzeugt also aus 1 kWh Strom 3,5 kWh Nutzwärme. In der Praxis hat Leukefeld jedoch im Schnitt Wirkungsgrade von nur 280 Prozent gemessen, die Wärmepumpe erzeugt also aus 1 kWh Strom 2,8 kWh Nutzwärme (JAZ 2,8). Diesen Wert hat er in seiner Rechnung verwendet.

Eine Infrarotheizung hat einen Nutzungsgrad von nahezu 100 Prozent: Sie macht aus einer Kilowattstunde Strom eine Kilowattstunde Wärme. Allerdings benötigt sie für dieselbe Wärmemenge dann auch das 2,8 fache an Strom. In der Praxis wurde jedoch eine geringere Leistungsaufnahme gemessen, was daran liegt, dass die Infrarotheizung sofort Wärme abgibt, während die Wärmepumpe über das wassergeführte Heizsystem, zum Beispiel eine Fußbodenheizung, eine etwas längere Anlaufzeit benötigt. Auch das wird in der Rechnung berücksichtigt. 

Die Annahmen

  • Einfamilienhaus mit einer Wohn-/Nutzfläche von 150 Quadratmetern
  • KfW-Effizienzhaus 55, Energieeffizienzklasse A
  • Heizwärmebedarf 4500 kWh/a (Kilowattstunden pro Jahr) = 30 kWh/m2 pro Jahr
  • Gesamter Wärmebedarf inklusive Warmwasser: 6500 kWh/a
  • Anschaffungskosten der Wärmepumpe (inkl. Trinkwasseraufbereitung): 45.000 Euro
  • Anschaffungskosten der Infrarotheizungen: 12.000 Euro
  • Anschaffungskosten einer Photovoltaik-Anlage mit 10 kWpeak und einem Akku mit einer Kapazität von 10 kWh: 15.000 Euro.

Strombedarf der Luft-Wasser-Wärmepumpe

Aufgrund von Verlusten im Speicher und im wasserführenden Heizsystem (Fußbodenheizung) muss die Wärmepumpe insgesamt 7430 kWh Wärme pro Jahr produzieren. Bei einer Jahresarbeitszahl von 2,8 benötigt sie dafür 2650 Kilowattstunden Strom. Wird diese Energie zwischengespeichert, sind davon noch 6840 kWh verfügbar (92 Prozent). Nach der Verteilung im Haus ergibt das 6500 kWh Wärmeenergie (inklusive Warmwasser).

Strombedarf der Infrarotheizung

Aufgrund des in der Praxis gemessenen, etwas niedrigeren Strombedarfs der Infrarotheizung wird ein Strombedarf von 3720 kWh angesetzt (statt 4500 kWh). Da das Wasser jedoch in diesem Modell relativ ineffizient über elektrische Boiler und Heizstäbe erwärmt wird, steigt der gesamte Strombedarf auf 6370 kWh an, also das 2,4 fache der Wärmepumpe.

Ersatz- und Reparaturkosten

In beiden Systemen werden Kosten für den Austausch des Wechselrichters der Solaranlage im 10. und im 18. Jahr angesetzt. Der Stromspeicher (Akku) wird nach 20 Jahren getauscht, hinzu kommen Kosten für den Ersatz elektronischer Bauteile. 

Die Wärmepumpe hält annahmegemäß 18 Jahre, eine Infrarotheizung 30 Jahre. Außerdem rechnet Leukefeld bei der PV-Variante mit ein, dass die Bewohner ihr Auto gegen ein Elektroauto tauschen und mit Solarstrom laden. Beide Fahrzeuge haben eine jährliche Fahrleistung von 15.000 Kilometern. 

Die folgende Grafik zeigt den Verlauf der Gesamtkosten über einen Zeitraum von 30 Jahren. Aufgrund der niedrigeren Anschaffungskosten beginnen die Kurven für die Infrarotheizung in beiden Fällen unter der Wärmepumpe - und bleiben trotz höherer Stromkosten auch dauerhaft darunter.

Leukefeld WP Infrarot Grafik
Die Grafik zeigt den Kostenverlauf bei allen vier Varianten (Wärmepumpe und Infrarotheizung jeweils mit und ohne Solaranlage) Berechnung Timo Leukefeld

Die Rechnung im Detail

In Variante 1 werden die Wärmepumpe und die Infrarotheizung komplett nur über das Stromnetz betrieben, in Variante 2 stammt der Strom aus einer Solaranlage, nur der Restbezug im Winter (Netzbezug) aus dem Stromnetz.

Der Vergleich zeigt: Durch den höheren Strombedarf sind die jährlichen Gesamtkosten für das Infrarotheizsystem höher. Bei der Variante ohne Photovoltaik beträgt die Differenz zum Wärmepumpensystem 742 Euro pro Jahr, bei der Variante mit Photovoltaik und Speicher 510 Euro.  

Leukefeld Musterrechnung
Die komplette Wirtschaftlichkeitsrechnung inklusive aller Kosten. Die linken Spalten zeigen beide Anlagen ohne zusätzliche Solaranlage (Variante 1), rechts wird eine Solaranlage mit 10 kW peak Leistung plus Akku installiert. Berechnung Timo Leukefeld

An dem Ergebnis ändert das jedoch wenig. Die Wärmepumpe kann ihren Start-Nachteil aufgrund der höheren Anschaffungskosten in keinem realistischen Szenario jemals wieder einspielen. 

Die letzte Zeile der Rechnung gibt an, nach wie vielen Jahren sich die – effizientere – Wärmepumpe gegenüber der Infrarotheizung rechnen würde. Ergebnis: Ohne PV-Anlage spielt die Wärmepumpe erst nach 44 Jahren ihren höheren Anschaffungspreis über niedrigere Stromkosten wieder ein – obwohl sie bei der Warmwasseraufbereitung deutlich effizienter arbeitet. Werden beide Heizungsarten über Strom aus einer PV-Anlage mit Stromspeicher betrieben, braucht die Wärmepumpe sogar 65 Jahre um ihre höheren Anschaffungskosten zu rechtfertigen. 

Oder wie Leukefeld es sagt: „Sie rechnet sich nie.“ Kritik, er rechne die Wärmepumpe über die niedrigere Jahresarbeitszahl von 2,8 künstlich schlecht, lässt Leukefeld nicht gelten: „Selbst wenn wir die Jahresarbeitszahl von 2,8 auf 3,5 heben, dann sinkt die statische Amortisation der Wärmepumpe ohne Photovoltaik und Speichersystem von 44 auf 37 Jahre. Berücksichtigen wir zusätzlich eine PV-Anlage und einen Stromspeicher, dann sinkt die statische Amortisation von 65 auf 47 Jahre. Das ist immer noch unvorteilhaft für die Wärmepumpe.“