Gemeinden fürchten finanzielle Verluste wegen ungenauer Volkszählung

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Die Gemeinden im Landkreis äußern Bedenken, dass sie durch ungenaue Zahlen aus der Volkszählung finanzielle Verluste erleiden könnten. © IMAGO/Christian Ohde

Die Gemeinden im Landkreis Dachau äußern Bedenken, dass sie durch ungenaue Zahlen aus der Volkszählung finanzielle Verluste erleiden könnten. Sie sind besorgt, dass die Daten nicht die tatsächliche Bevölkerungszahl darstellen und somit die Verteilung von staatlichen Mitteln beeinträchtigen könnten.

Die Ergebnisse des Zensus 2022 haben in den Landkreisgemeinden für Kopfschütteln, zuweilen auch für Entsetzen gesorgt. Denn auch wenn die finanziellen Auswirkungen der vom Landesamt für Statistik errechneten Zahlen noch nicht auf den Cent genau beziffert werden können, so ist heute schon klar: Die Stadt und die Landkreisgemeinden werden den jüngsten Zensus in ihren Haushalten zu spüren bekommen. Und zwar negativ.

Der Sulzemooser Bürgermeister klagt über die Zensuszahlen

Wie in unserer gestrigen Ausgabe berichtet, hatte der Sulzemooser Bürgermeister Johannes Kneidl in der jüngsten Sitzung seines Gemeinderats bitter über die Zensusergebnisse geklagt. Kein Wunder, seine Gemeinde wäre demnach um 200 Einwohner geschrumpft: Statt der von der Gemeinde festgestellten 3100 Sulzemooser seien es zum Stichtag 15. Mai 2022 nur 2900 gewesen, also ganze 6,5 Prozent weniger.

200 Einwohner mehr oder weniger, machen einen gewaltigen Unterschied

Dass diese 200 Bürger aber einen gewaltigen Unterschied ausmachen können, bestätigt auch Sina Török, Sprecherin des Dachauer Landratsamts. Indem Sulzemoos nämlich unter die 3000-Einwohner-Grenze rutscht, würde sich der Gemeinderat – zumindest langfristig – um zwei Sitze verkleinern. „Allerdings erst, wenn die amtliche Einwohnerzahl 6 Monate vor der übernächsten Kommunalwahl 2032 immer noch unter 3000 liegt“, so Török unter – Achtung, es wird kompliziert – Berufung auf Artikel 31 Absatz 2 Gemeindeordnung sowie Artikel 55 Absatz 1 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes.

Josef Herrmann, Hauptamtsleiter im Dachauer Rathaus, drückt es einfacher aus: Abweichungen der Zensus-Zahlen und der von den Kommunen festgestellten tatsächlichen Zahlen wirken sich in vielerlei Weise aus. Sie betreffen die Schlüsselzuweisungen, die Krankenhausumlage und die pauschalen Pro-Kop-Zuwendungen des Freistaats.

2055 Menschen oder zirka vier Prozent weniger

Die Große Kreisstadt beispielsweise hatte ihren eigenen Berechnungen zufolge am Zensus-Stichtag Mitte Mai 2022 48 020 Einwohner. Die Münchner Statistiker kamen aber nur auf eine Einwohnerzahl von 45 965. Das sind 2055 Menschen oder zirka vier Prozent weniger. Wenn man bedenkt, dass die bayerischen Kommunen jedes Jahr pro Einwohner eine pauschale Zuwendung in Höhe von 18,42 Euro bekommen, macht das knapp 38 000 Euro weniger Einnahmen für die Stadtkämmerei.

Diese Zahlen sind der Wahnsinn. Ich weiß nicht, ob die geschätzt oder gewürfelt wurden.

Klar, sagt Hermann, es habe schon bei den letzten Zensus Abweichungen gegeben. Das Problem sei nur, dass die Kommunen einfach keine Chance hätten, die Berechnungen nachvollziehen zu können.

Der Hebertshauser Bürgermeister Richard Reischl sieht es ähnlich und vermutet mit einer Mischung aus Wut und Zynismus: „Ich weiß nicht, ob die Zahlen geschätzt oder gewürfelt wurden.“ Im Fall seiner Gemeinde ergibt sich zwischen der Zahl der im Einwohnermeldeamt gemeldeten Personen und der vom Zensus berechneten Personen eine Differenz von 138 Menschen oder gut zwei Prozent. Weil sich öffentliche Zuschüsse und Zuweisungen nach der Einwohnerzahl richten, bedeute das Zensus-Ergebnis für Hebertshausen künftig weniger öffentliche Mittel. „Wir bekommen nicht mehr das Geld, das uns zusteht“, so der Bürgermeister.

Die Ergebnisse der Stichprobenbefragung hatten daher im Landkreis Dachau eine hohe Qualität.

Sein Röhrmooser Kollege Dieter Kugler beklagt den statistischen Verlust von 250 Einwohnern oder 3,782 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahlen stimmen, in seinen Augen denn auch sehr gering ist. In Indersdorf, das 445 Bürger verlustig geht, will Geschäftsleiter Klaus Mayershofer festgehalten wissen: „Warum das statistische Zensusergebnis so stark unserem vom penibel gepflegten Einwohnerregister abweicht, bleibt uns leider ein Rätsel.“

Im Sulzemooser Gemeinderat nimmt man den Schwund schon fast mit Humor. „Wir wissen besser, wie viele Rindviecher es in Bayern gibt als Einwohner“, fand Gemeinderat Christian Huber. „Es ist schön, dass wir alle noch da sind, weil wir gestern nicht gewusst haben, ob es uns heute noch gibt“, brachte Bürgermeister Kneidl die verworrene Lage auf den Punkt.

In den meisten Rathäusern herrscht noch Hoffnung

Wobei in den meisten Rathäusern des Landkreises noch Hoffnung herrscht. Alles hänge nun davon ab, wie sich das bayernweite Wachstum entwickle, die Zahlen hierzu liegen laut dem Dachauer Hauptamtschef Hermann Mitte Juli vor. „Dass es uns betrifft, ist klar. Wie es uns betrifft, wissen wir dann.“

Landratsamtssprecherin Sina Török verteidigt derweil den Zensus 2022: Die Befragungen in der Stichprobe im Landkreis Dachau seien durch geschulte Interviewer durchgeführt worden. Die Erfassung, Aufarbeitung und Plausibilitätsprüfung der Daten sei daraufhin in der Erhebungsstelle im Landkreis Dachau erfolgt. Und dort, so Török, „wurde gewissenhaft und genau gearbeitet. Die Ergebnisse der Stichprobenbefragung hatten daher im Landkreis Dachau eine hohe Qualität“.

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