Bürgermeister Klitschko warnt vor gewaltigem Putin-Plan - „Das Herz des Landes“
Vitali Klitschko sieht Kiew weiter im Fadenkreuz von Russland-Autokrat Wladimir Putin. Der Bürgermeister und Ex-Boxer hat eine Botschaft an Moskau.
Kiew – Die Front wirkt im Ukraine-Krieg verhältnismäßig weit weg. Bis nach Bachmut im Osten sind es aus Kiew zum Beispiel rund 550 Kilometer. Cherson, im Süden des geschundenen Landes, liegt am Schwarzen Meer rund 430 Kilometer von der ukrainischen Hauptstadt entfernt.
Vitali Klitschko: Kiew bleibt im Ukraine-Krieg ein Ziel von Wladimir Putin
Ein Rückblick: Im Februar und März 2022 hatten Invasionstruppen von Kreml-Machthaber Wladimir Putin aus Russland vergeblich versucht, aus nördlicher und nordöstlicher Richtung in die Großstadt mit ihren rund 2,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern vorzudringen. Stattdessen wurden tausende russische Soldaten an verschiedenen Stellen der Stadtgrenze zurückgeschlagen. Den Krieg hat das freilich nicht verbannt. Gerade in den letzten Wochen war die Metropole am Dnipro wieder verstärkt das Ziel heimtückischer russischer Luftangriffe.
Geht es nach dem Bürgermeister Kiews, bleibt auch eine russische Bodenoffensive auf die prestigeträchtige Stadt ein realistisches (und drohendes) Szenario. „Kiew war ein Ziel und bleibt ein Ziel für Putin, weil die Hauptstadt das Herz des Landes ist“, sagte Klitschko der Bild am Sonntag. Zugleich bekräftigte er: „Wir wissen das und wir sind viel besser vorbereitet als vor zwei Jahren für mögliche neue Angriffe.“ Klitschko sagte, dass immer alle Szenarien einkalkuliert werden müssten: „Wenn Putin eine solche Entscheidung trifft, dann wird es eine blutige Entscheidung.“

Kiew in der Ukraine: Wladimir Putin sieht darin angeblich den Geburtsort Russlands
Was macht Kiew für Putin so bedeutsam? Das lässt sich derzeit in der Doku-Serie „Wendepunkte“ beim Streamingdienst Netflix nachvollziehen, die den Weg aus dem Untergang der Sowjetunion in den Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten auf Geheiß Putins nachzeichnet. „Man kann der Rolle der Ukraine in der sowjetischen Geschichte und in der Gegenwart gar nicht genug Bedeutung beimessen. Für Putin ist sie der Geburtsort Russlands und gehört unweigerlich zu Russland“, erklärt in der Dokumentation etwa Mary Elise Sarotte, eine US-amerikanische Historikerin und die Autorin des Buches „The Collapse“. Überliefert ist: Putin ist bekannt dafür, sich eigenwillig ein eigenes Geschichtsbild zu stricken, und dann danach zu handeln.
„Nichts ist stärker als die Entschlossenheit von Millionen von Menschen, die sich aufgrund ihrer Kultur, Religion, Traditionen und Sprache als ein Teil Russlands sehen, und deren Vorfahren schon seit Jahrhunderten in ein und demselben Land leben“, behauptete der autokratische Herrscher aus dem Kreml zum Beispiel bei einer Rede am 30. September 2022. Zur Einordnung: Kiew war im Mittelalter das Machtzentrum des ersten russischen Reiches, der Kiewer Rus, dem Vorläuferstaat des späteren Russland. Kiew hat deshalb den Beinamen „Mutter aller russischen Städte“, was etwa der Slawist und deutsche Hochschullehrer Sebastian Kempgen in einer Vorlesung an der Universität Bamberg behandelt hat. Laut dem Wissenschaftler soll der Beiname vom einstigen Fürsten Oleg stammen, der sich Kiew im Jahr 882 angeeignet und damit den Grundstein für die Kiewer Rus gelegt hatte.
Kiew war ein Ziel und bleibt ein Ziel für Putin, weil die Hauptstadt das Herz des Landes ist.
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Kampf um Kiew: Russische Armee wurde bei Butscha und Irpin zurückgeschlagen
Seit 1991 und dem Ende der kommunistischen Sowjetunion ist Kiew jedoch die Hauptstadt einer demokratischen, souveränen und unabhängigen Ukraine, was Putin wohl rückgängig machen will, während in Russland selbst derzeit viele Fragen zum Terroranschlag bei Moskau offen sind. Putins Armee hatte am 24. und 25. Februar 2022 und damit unmittelbar nach Beginn des völkerrechtswidrigen Überfalls in der Schlacht um den strategisch wichtigen Flughafen Kiew-Hostomel vor den Toren der Stadt aber eine schwere Niederlage erlitten. Luftlandetruppen mit Mi-8-Helikoptern und Ka-52-Kampfhubschraubern konnten den Flughafen nicht einnehmen, der als ein Brückenkopf für die geplante Besatzung der Hauptstadt dienen sollte.
Mechanisierte russische Verbände wurden damals zudem vor Browary wenige Kilometer nordöstlich sowie in Irpin und Butscha im Nordwesten der Metropole zurückgedrängt. Nach dem Abzug der Russen aus den Kiewer Vororten im Frühjahr 2022 war unter anderem in der Kleinstadt Butscha ein Massaker an Hunderten Zivilisten bekannt geworden. Es gilt als eines der schlimmsten Verbrechen überhaupt in diesem Krieg, den der Kremlchef losgetreten hatte.
Ukrainische Hauptstadt Kiew: Vitali Klitschko bittet um mehr Luftabwehr
Der frühere Profi-Boxer Vitali Klitschko, der enge Kontakt nach Deutschland hat, ist seit Mai 2014 Bürgermeister von Kiew und hat in dieser Funktion schon reihenweise im Westen um mehr Hilfe für sein angegriffenes Land gebeten. So tat es der 52-jährige Politiker auch diesmal wieder.
Die Ukraine benötige dringend weitere Patriot-Flugabwehrraketen, erklärte er der Bild am Sonntag, „und weitere Möglichkeiten, die Menschen zu schützen.“ Bei der sogenannten „Schlacht um Kiew“ sollen ukrainischen Angaben zufolge zwischen dem 24. Februar und dem 2. April 2022 geschätzt 162 Soldatinnen und Soldaten der regulären Armee sowie der Territorialverteidigung gefallen sein. (pm)