1,7 Millionen Wohnungen – Löst der Osten das Wohnungsproblem?

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In Deutschland grassiert der Wohnungsmangel. Laut der Regierung sind vor allem im Osten jede Menge Wohnungen vorhanden, die das Problem lösen könnten. Was ist da dran?

Berlin – Millionen von Wohnungen im Osten sollen leer stehen. Der Regierung zufolge könnten diese dabei helfen, den Wohnungsmangel in Deutschland zu bekämpfen. „Die Politik hat den sozialen Wohnungsbau über Jahrzehnte vernachlässigt“, fasste Matthias Günther vom Pestel-Institut bei der Vorstellung der jährlichen Studie zum sozialen Wohnungsbau zusammen. Er bezweifelt, dass der Wohnraum im Osten nachhaltig Probleme lösen kann. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Als leer stehend ausgewiesen Wohnungen (Stand 2023) 1,7 Millionen
Leerstandsquote in Ostdeutschland (Schnitt, BBSR) 7,2 Prozent
Maximum der Leerstandsquote in Ostdeutschland (BBSR) 17 Prozent

1,7 Millionen Wohnungen im Osten stehen leer

„Die Wohnsituation stellt sich sehr unterschiedlich dar“, sagte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) gegenüber Zeitungen der Funke Mediengruppe im vergangenen Frühjahr. „Wir haben circa 1,7 Millionen leer stehende Wohnungen.“ Das deckt sich mit den Zahlen der BBSR-Wohnungsmarktbeobachtung. Diese betrachtet Wohnungen als „leer stehend“, wenn sie weder vermietet ist noch der Eigentümer selbst darin wohnt.

2018 sollen etwa 1,7 Millionen Wohnungen leer gestanden haben – also 4,2 Prozent des gesamten Wohnungsbestands. „Ostdeutsche Regionen sind besonders stark betroffen“, schreibt der Deutschland-Atlas dazu. Wie es aktuell aussieht, steht noch nicht fest. „Konkrete Zahlen zu leerstehenden Wohneinheiten liegen dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen erst mit Veröffentlichung der Zahlen vom Zensus 2022 (voraussichtlich Sommer 2024) vor“, teilte eine Sprecherin auf IPPEN-Anfrage hin mit.

Wohnungen im Osten bereits seit Jahrzehnten baufällig

Beim Wohnungsleerstand in Ostdeutschland handelt es sich keineswegs um ein neues Phänomen. Schon in den frühen Zweitausenderjahren gab die empirica regio GmbH einen Überblick darüber, wie es im Osten so weit kommen konnte. In den Neunzigerjahren förderte die Regierung den Wohnungsbau dort massiv, 2001 standen bereits eine Million Wohnungen leer. Nur die Hälfte davon befand sich in einem „bewohnbaren Zustand“.

Eine Wohnung in Düsseldorf. Weiße Fassade, hohe Fenster. Der Bundesregierung zufolge gibt es im Osten viel freie Wohnungen.
1,7 Millionen Wohnungen stehen im Osten angeblich frei. Können sie langfristig das Wohnungsproblem lösen? © IMAGO / Michael Gstettenbauer

Dabei sind vor allem „schwere bauliche Mängel“ Auslöser für diesen Leerstand. Mehrere Wohnungsunternehmen haben sich zugunsten der Sanierung bis zur „Manövrierunfähigkeit“ verschuldet, Insolvenzen waren die Folge. Die vom Bundeskanzleramt ins Leben gerufene Expertenkommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern“ warnte vor einem Zerfall der Städte in „Fragmente aus leeren Altbaugebieten, konsolidierten Kernbereichen, halbleeren Plattenbausiedlungen und Einfamilienhaussiedlungen“. Mobile Mieter würden die unattraktiven Gebiete verlassen, eine Entstehung und Verfestigung von „Problemnachbarschaften“ sei zu erwarten.

Mehrfamilienhäuser stehen eher leer als Ein- und Zweifamilienhäuser

Seitdem sind nun mehr als 20 Jahre vergangen. Neue Zahlen von empirica zeigen, dass der Wohnungsleerstand in Ostdeutschland sich verstärkt hat – allerdings läge hier keine Lösung für das Problem des Wohnungsmangels vor. „1,7 Millionen leer stehende Wohnungen gibt es nur in der Theorie“, zitiert die Bild den Immobilienexperten Reiner Braun vom Forschungsinstitut empirica regio. Allein die Hälfte falle weg, weil die Wohnungen nach wie vor baufällig und nicht bezugsfertig seien.

Konkret besteht in Sachsen eine Leerstandsquote von über 15 Prozent bei Mehrfamilienhäusern, im östlichen Brandenburg und im nördlichen Teil von Mecklenburg-Vorpommern ebenso. Bei der Leerstandsquote bei Ein- und Zweifamilienhäusern liegt der Osten ebenfalls vorn, wenn auch die Quoten hier die zehn Prozent nicht übersteigen. Dabei sind es vor allem ländliche Gebiete, in denen die meisten Häuser leer stehen. In den Großstädten liegt die Quote generell unter 1,5 Prozent.

Bundesregierung muss Zuzug aufs Land unterstützen

Aufgrund der Unattraktivität dieser Landkreise gelten viele Regionen als „tot“. Gewerbe und Gastronomie sind abgewandert, eine Änderung des Status Quo benötige „harte Arbeit“ und jede Menge Hilfe vom Staat. Der Experte bringt hier Steuerrabatte für diejenigen ins Spiel, die aufs Land hinausziehen.

Im Rahmen der Pestel-Studie ging es vorrangig um Sozialwohnungen, die darum fehlen. Bei den „regulären“ Wohnungen ist die Ampelregierung, was den Neubau angeht, jedoch ebenfalls hinterher. Ministerin Geywitz zufolge ist das die Folge von zwei Jahrzehnten fehlender Gelder für den sozialen Wohnungsbau. „Deshalb investiert der Bund seit Anfang der Legislaturperiode eine Rekordsumme in den sozialen Wohnungsbau.“ Allein in diesem Jahr seien so 3,1 Milliarden Euro in den Wohnungsbau geflossen. Bis 2027 sollen es nochmal 18 Milliarden Euro sein.

Die Mitglieder des Bündnisses „Soziales Wohnen“ forderten auf einer gemeinsamen Konferenz 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau. Anders, so die Argumentation, ließen sich die Ziele der Ampelregierung in der laufenden Regierungsperiode nicht mehr erreichen.

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