Schluss mit Putins Gleitbomben-Terror: Ukraine erhält Langstrecken-Aufklärer aus Schweden
Schweden hat geliefert. Danke zwei Fernaufklärern kann die Ukraine ihre F-16-Kampfjets effektiver einsetzen und Russlands Luftwaffe die Zähne ziehen.
Kiew – „Schwedens Spende des ASC 890 verschiebt das Gleichgewicht in der ukrainischen Luftverteidigung“, erklärt Harry McNeil selbstbewusst. Der Autor des Magazins Airforce Technology ist überzeugt, mit neuen Augen in der Luft könne sich die Ukraine weit effektiver als bisher gegen Wladimir Putins Invasionstruppen wehren. Die Verteidiger erhalten jetzt zwei Maschinen dieses Typs, wie verschiedene Medien melden. Möglicherweise hört jetzt sogar der Gleitbomben-Terror Russlands auf.
Noch Mitte vergangenen Jahres hatte die Ukraine kaum Chancen gehabt gegen russische Gleitbomben-Angriffe. Die Waffen waren 30 bis 50 Kilometer hinter der Frontlinie abgefeuert worden und hatten sich dann ihren Weg gesucht, ohne aufgeklärt werden zu können. Bis die Waffen identifiziert werden konnten, waren die Abwehrmöglichkeiten der Ukraine dahin; vor allem die Zivilbevölkerung trafen die Waffen hart. Wie das Magazin Military Watch meldet, sei mindestens das erste von zwei schwedischen Saab 340 AEW&C beziehungsweise ACS-890-Fliegerradarsystemen (Airborne Early Warning and Control) an die Ukraine ausgeliefert worden und auch schon zu einem Testflug in der Region Lwiw unterwegs gewesen sein – das Magazin beruft sich auf eine Meldung der ukrainischen Nachrichtenagentur UNIAN.
Ukraine stärkt Luftabwehr: Wirksamste Methode gegen Gleitbomben Zerstörung des startenden Flugzeugs
Das ist der erste Einsatz dieser Art von Luftaufklärung für die Ukraine. Die Frühwarnung hatten bisher andere Nationen für die Ukraine verantwortet. Die schwedischen Aufklärer „sind mit riesigen Radar- und Kommunikationssystemen ausgestattet und können Flugzeuge, Raketen, andere Geschosse und manchmal auch Objekte am Boden und auf See aus sehr großer Entfernung, bis zu 300 bis 400 Kilometern, erkennen“, sagt James Marques. Gegenüber Airforce Technology stuft der Luft- und Raumfahrt-, Verteidigungs- und Sicherheitsanalyst bei GlobalData die Bedeutung dieser Nachrüstung der ukrainischen Streitkräfte als hoch ein.
„Kampfhandlungen erfordern oft vielfältige Fähigkeiten und einen innovativen oder flexiblen Einsatz. Um die Ukraine in die Lage zu versetzen, die Bedrohung durch Gleitbomben zu besiegen, wird mehr von beidem benötigt.“
Auf dieses Flugzeug wartet die Ukraine seit mindestens einem Jahr, als der Gleitbomben-Terror begonnen hatte, weil sich das russische Militär nicht anders zu helfen wusste gegen die stabil arbeitenden Patriot-Batterien aus westlichen Beständen. Damit könnte jetzt Schluss sein aufgrund von US-Präsident Donald Trumps angekündigter Weigerung, die Ukraine weiter mit Waffen zu unterstützen. Wie John Hoehn und William Courtney Mitte 2024 geschrieben haben, sei die wirksamste Methode des Widerstands gegen Gleitbomben die Zerstörung des startenden Flugzeugs, so die beiden Analysten im Magazin Defense News. Das sei am Boden möglich sowie in der Luft – wenn die Flugzeug denn aus der Entfernung von mehreren Hundert Kilometern identifiziert werden könnten.
Putin verliert Stärke in der Luft: Die F-16-Kampfjets bekommen mit den schwedischen Aufklärern Augen
Was jetzt durchaus möglich wird – die F-16-Kampfjets bekommen mit den schwedischen Aufklärern Augen. Wie die Nato im September vergangenen Jahres gemeldet hat, sind die in Europa ausschließlich in Schweden und Polen genutzten Frühwarn-Flugzeuge inzwischen in die Nato-Luftraum-Überwachung integriert. Die bisher bekannten AWACS-Flugzeuge waren ausnahmslos modifizierte Boing-Maschinen, der Typen 707, 767, and 737. Nach Nato-Angaben hat die nordatlantische Verteidigungsallianz 14 Maschinen im Dienst. Mit dem Beitritt Schwedens als jüngster und 32. Partner der Gemeinschaft ist die Flotte um die Saab-Jets erweitert worden.
Die Saab 340 AEW&C / ACS-890
Das Flugzeug kann in einer maximalen Flughöhe von 25.000 Fuß – rund 7.700 Kilometer – mit seinem Erieye-Radar operieren. Das System nutzt die AESA-Technologie (Electronically Scanned Array), die das Radar dynamisch an jede Situation anpasst. Das Radar kann entweder ein weites Gebiet abdecken oder auf eine kleinere priorisierte Zone fokussieren. Überwachung ist möglich in horizontal mehr als 500.000 Quadratkilometern und vertikal rund 60.000 Fuß – rund 20 Kilometer. Auf See ist die Abdeckung unbeschränkt und ermöglicht die Erkennung sowie Verfolgung von Objekten wie Kampfflugzeugen, schwebenden Hubschraubern, Marschflugkörpern und sogar Seezielen in der Größe von Jetskis beziehungsweise ntsprechenden Drohnen.
Quelle: Airforce Technology
Der Waffenträger selbst sei auch relativ neu, schreibt Airforce Technology. Die militärische Variante des Passagierflugzeugs Saab 340 sei erst 2012 als Saab 340 Maritime Security Aircraft (MSA) auf einer Messe vorgestellt worden. Wie das Magazin Naval Technology kurz nach der Vorstellung berichtet hatte, sei die Maschine eigentlich für zivile Missionen ausgelegt gewesen – möglicherweise hatte auch Russlands Annexion der Krim die Notwendigkeit militärischer Einsätze schon vorausgesetzt.
Das Flugzeug sei gedacht gewesen für Missionen wie Personentransport, Überwachung von Küsten- und Hochseegewässern, Sicherheitsmaßnahmen, Langstrecken-Such- und Rettungseinsätze (SAR), medizinische Evakuierungen (MEDEVAC), Überwachung der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und Kontrolle illegaler Einwanderung, so Naval Technology. Jetzt wird die Maschine vor allem militärisch eingesetzt. Military Watch geht davon aus, dass die Sensorik der Maschine auch die Feuerleitung für die F-16-Kampfjets der Ukraine leisten könne und ihre Luft-Luft-Raketen ins Ziel führen.
Lang gehegter Wunsch der Verteidiger erfüllt: Jetzt kann die Ukraine selbst und besser in der Luft aufklären
Darüber hinaus ergänzt das Magazin Army Recognition, dass die Maschine die Reichweite der Funkkommunikation erhöhen könne und so die Koordination laufender Aktionen effektiver gewährleiste. Wie Army Recognition weiter hervorhebt, verfüge die Maschine neben ihrem Radar auch über Signalaufklärung; damit könne die Sensorik Funkverkehr und Signale zwischen Geräten identifizieren und die Endgeräte orten; das Magazin sieht darin den Vorteil, entweder die Boden-Boden- oder Boden-Luft-Abwehr besser zu koordinieren und die eigene Artillerie für Gegenfeuer zielsicher zu leiten – damit könnte auch die Operabilität der Bodentruppen erhöht werden und die Ukraine zurückkehren zu ihrer schnellen Kommunikativität, die ihr eingangs des Ukraine-Krieges so wichtige Erfolge gegen die Invasionstruppen ermöglicht hatte.
Möglicherweise ist der Ukraine damit ein weiterer Schritt in die Autonomie gelungen. „Alles in allem ist die Aufklärungs- und Kommunikationsunterstützung für die Ukraine derzeit das wichtigste Element der US-Militärhilfe“, betonen Christian Mölling und András Rácz. Die ukrainischen Verteidiger hätten sich vor allem deshalb bisher so wacker geschlagen, weil sie lange Zeit einen Informationsvorsprung besaßen – nicht zuletzt durch das von Elon Musk freigeschaltete Starlink-Satellitensystem, so die Analysten kürzlich gegenüber dem ZDF. Jetzt kann die Ukraine selbst und besser in der Luft aufklären.
Defense Express sieht in der Lieferung der Maschinen ein historisches Ereignis für die Ukraine; nach Angaben des Magazin strebten die ukrainischen Streitkräfte seit den mehr als 30 Jahren ihrer Unabhängigkeit nach eigenen Radarüberwachungsflugzeugen. Gegenüber dem Magazin The New Voice of Ukraine äußerte ein ehemaliger Offizier der britischen Royal Air Force (RAF): „Westliche Geheimdienstdaten bieten der Ukraine die Möglichkeit, ein kleines bisschen schneller zu reagieren.“ Seit Februar 2022 führten AWACS-Systeme der Nato regelmäßige Patrouillen über Osteuropa und der Ostseeregion durch, um russische Kampfflugzeuge in der Nähe der Nato-Grenzen aufzuspüren.
Neue Chance für Ukraine: Kampfhandlungen erfordern vielfältige Fähigkeiten und einen flexiblen Einsatz
Insofern sind jetzt auch die F-16-Kampfjets von einem höheren Wert als vorher – möglicherweise können die ständig als Wunderwaffen gepriesenen Maschinen auch jetzt erst ihre volle Kampfkraft ausspielen. Gleitbomben hatten die Machtverhältnis stark in Richtung Russlands gerückt, jetzt könnte dem Aggressor eine neue Wirklichkeit blühen, weil die Aufklärer auch aus einem verhältnismäßig sicheren Luftraum heraus operieren können. Das hatte John Hoehn bereits im vergangenen Jahr gemutmaßt.
Taktische Langstreckenraketen, F-16- und AEW&C-Flugzeuge sowie fortschrittliche elektronische Kampfmittel hatte der Politikwissenschaftler des Thinktanks RAND in den Defense News gefordert – und eine flexiblere US-Politik, diese Waffen einzusetzen; zu Letzterem könnte sich Donald Trump vielleicht doch durchringen, wenn er sich weiterhin von Wladimir Putin hingehalten fühlen sollte. Mit den Saab 340 AEW&C beziehungsweise ACS-890-Systemen ist die Ukraine eine schlagkräftigere Streitmacht geworden. Hoehn sieht in ihr keine Wunderwaffe, aber vielleicht einen weiteren Meilenstein, wie er nahe legt.
„Kampfhandlungen erfordern oft vielfältige Fähigkeiten und einen innovativen oder flexiblen Einsatz. Um die Ukraine in die Lage zu versetzen, die Bedrohung durch Gleitbomben zu besiegen, wird mehr von beidem benötigt.“