Von Entsetzen bis Rückendeckung: Merz‘ AfD-Kehrtwende polarisiert im Kreis Freising

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Kanzlerkandidat Friedrich Merz will mit Anträgen eine härtere Migrationspolitik erreichen. © Hannes P Albert/dpa

Friedrich Merz‘ Ankündigung, auch AfD-Stimmen für seinen Fünf-Punkte-Migrationsplan zu akzeptieren, sorgt auch im Landkreis Freising für eine kontroverse Debatte.

Landkreis Freising – Dass sein Fünf-Punkte-Migrationsplan, den CDU-Chef Friedrich Merz diese Woche zur Abstimmung in den Bundestag einbringen möchte, möglicherweise nur dank der Stimmen der AfD eine Mehrheit erhält, spielt für den Kanzlerkandidaten der Union keine Rolle. „Wer diesen Anträgen zustimmen will, soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, soll sie ablehnen“, sagte Merz am Freitag und bekräftigte dies seither mehrfach. „Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus.“ Während es dafür Beifall aus der AfD und Rückendeckung von führenden Unionspolitikern gibt, zeigen sich Vertreter anderer Parteien und der Zivilgesellschaft schockiert. Für sie reißt Merz damit im Eifer des Wahlkampfs die viel zitierte Brandmauer der CDU gegen die rechtsextreme Politik der AfD ein.

„Mehr als entsetzt“ zeigt sich etwa Klaus Reichel (81), langjähriger Moosburger Kämpfer gegen den Rechtsradikalismus und Ehrenvorstand der örtlichen SPD. „Merz handelt verantwortungslos und verteidigt seine Pläne auch noch mit einer Unverschämtheit. Er ist sich damit auch selbst in den Rücken gefallen.“ Damit spielt Reichel auf das Versprechen des CDU-Manns vom November im Bundestag an, keine Anträge einzubringen, für die es Mehrheiten mit der AfD brauche. „Sodass weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen hier im Haus in der Sache auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da zustande kommt“, hatte Merz gesagt und in Richtung AfD-Fraktion gedeutet.

„Angst, dass wir [...] österreichische Verhältnisse bekommen“

Reichel treibt angesichts dieser Kehrtwende die Angst um, „dass wir in vier oder acht Jahren österreichische Verhältnisse bekommen“. Dort hat entgegen früherer Beteuerungen die CDU-Schwesterpartei ÖVP eine Regierungskoalition unter Führung der FPÖ in Aussicht gestellt. Reichel: „Diese rechtspopulistische Partei kann dort nun auf legalem Weg den Kanzler stellen.“ Aus Sicht des Moosburgers verliere Friedrich Merz hierzulande offenbar die Nerven. „Das Risiko, dass die AfD dadurch stärker wird und die Union wie in Österreich nur noch die zweite Geige spielt, müssen auch die CSU‘ler sehen“, sagt Klaus Reichel. Sein Appell lautet: „Sie müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle aus der CSU und CDU dem folgen.“ Er hoffe, dass der öffentliche Druck die Union nun zu einer Kurskorrektur zwinge.

Nachgefragt beim Freisinger CSU-Bundestagskandidaten Christian Moser sieht dieser jedoch keinen Grund, sich von Friedrich Merz‘ Plan zu distanzieren. Im Gegenteil: „Ich finde das Fünf-Punkte-Programm natürlich gut“, erklärt der 35-Jährige. Erst kürzlich hatte Moser im FT-Kandidatencheck selbst Zurückweisungen an deutschen Grenzen ohne Prüfung von Asylverfahren gefordert – was auch Merz als obersten Punkt nennt. Dass dieses Vorhaben nicht mit dem Grundgesetz und EU-Recht vereinbar ist, sehen weder Merz noch Moser als Problem: „Es gibt unterschiedliche Auffassungen, je nachdem, welchen Staatsrechtler man fragt. Das aktuelle System ist jedenfalls dysfunktional.“ Der Frage, ob es in Zeiten von Donald Trumps Kalkül, EU-Staaten gegeneinander auszuspielen, klug sei, europäische Gesetze zu torpedieren und nationale Sonderwege zu suchen, entgegnet Moser: „Die aktuelle Rechtspraxis ist ja schon von anderen EU-Ländern in Frage gestellt worden.“ Es gehe ihm nicht um Abschottung. Merz‘ Pläne seien vielmehr ein Instrument, um auf EU-Ebene Druck zu machen und das Asylrecht zu reformieren.

„Von der Realität eingeholt worden“

Friedrich Merz‘ Kehrtwende bei der Frage, ob Anträge mit AfD-Stimmen akzeptabel seien, sieht Christian Moser nicht als Gefahr für die Brandmauer. „Wir sind einfach von der Realität eingeholt worden. Diese wirklich tragischen Verbrechen in Magdeburg und Aschaffenburg lassen sich nicht beiseite wischen.“ Es gelte auch weiterhin der Grundsatz: „keine Zusammenarbeit mit der AfD“. Moser glaubt auch nicht daran, dass es Rechtsextremen hilft und sie legitimiert, wenn deren Agenda von demokratischen Parteien aufgegriffen werden. „Diese Themen werden von der Bevölkerung zur Sprache gebracht. Wir müssen den Diskurs in die Mitte holen.“

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