Ein Bauernhof im Umbruch

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Stolz auf den neuen Hofladen: Die Familie Hörmann mit (v.l.) Mama Julia Hörmann-Wahl, Tochter Theresa (2 Jahre), Barbara (4 Jahre), Tochter Magdalena (2 Jahre) und Papa Franz Hörmann. In dem Laden vermarkten die Hörmanns Fleisch von ihren Rindern, die am Hof geschlachtet werden. © andrea jaksch

Der Hörmannhof am Gilchinger Weg in Weßling befindet sich im Umbruch. Einer von vielen Schritten in eine neue Zukunft: Es gibt jetzt einen Hofladen. Dort bieten die Hörmanns unter anderem das Fleisch ihrer Rinder an, die am Hof und ohne Stress von einem mobilen Schlachter getötet werden.

Weßling – Wer mit dem Rad von Gilching nach Weßling fährt, kommt am Hörmannhof vorbei: Auf den Wiesen rechts und links grasen im Sommer die Kühe, Stallgebäude säumen den Weg. An diesem steht neuerdings auch ein umgebauter Container, in dem Julia und Franz Hörmann neben Milch, Käse aus hofeigener Milch, Honig aus eigener Imkerei, Eiern, Nudeln, Kartoffeln und Bauernhof-Eis auch Fleisch aus hofnaher Schlachtung anbieten. Und spätestens da ist man gleich neugierig, denn das Schlachten am Hof haben fast alle Landwirte aufgrund der hohen Auflagen aufgegeben.

Die Situation

Die Hörmanns und ihr Hof, den sie 2018 von seinen Eltern übernommen haben, stehen vor einem Umbruch. Dafür gibt es die üblichen Gründe, allein die Erhöhung des Wasserpreises trifft Rinderhalter schwer: Eine Kuh trinkt 50 bis 60 Liter täglich.

Eine zusätzliche Zäsur war, dass Franz Hörmanns Vater Max im Januar 2021 im Alter von 70 Jahren überraschend gestorben war. „Wir haben viele Abende damit verbracht, uns zu überlegen, wie wir nun weitermachen“, sagt Julia Hörmann-Wahl (42). Sie ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte, kennt ihren Ehemann Franz (39) seit zwölf Jahren, seit 2020 sind die beiden verheiratet. Sie leben mit ihren vier Kindern zusammen, zuletzt brachte Julia Hörmann-Wahl noch Zwillinge zur Welt. Auf dem Hof hilft noch Schwiegermutter Rosalia Hörmann (70). Die Kinder sind mit ihren zweieinhalb, vier und zwölf Jahren noch zu klein für die Hofarbeit.

Das Konzept

Viele Ideen hatten die beiden, vieles verwarfen sie vorerst, zum Beispiel die Pflanzung von mit Trüffeln geimpften Bäumen, Walnussbaumwiesen, eine Pferdepension und so weiter. Mittlerweile haben sie entschieden, den Milchviehbetrieb mit 50 Kühen und Nachzucht auf 25 Mutterkühe zu reduzieren, auf Weidehaltung haben sie längst umgestellt. „Die Milchviehhaltung rechnet sich bei dem Milchpreis nicht für einen Hof in unserer Größe“, sagt Julia Hörmann. Das Melken würde bei der Mutterkuhhaltung entfallen, die Rinder würden nach zwei, drei Jahren geschlachtet.

Schlachten, aber wie?

Die Frage war dann aber, wie? Denn der sogenannte Weideschuss ist nur für ganzjährig draußen gehaltene Rinder erlaubt. Julia Hörmann stieß auf die Interessengemeinschaft „Schlachtung mit Achtung“ in Baden-Württemberg. „Sie hat ein Verfahren für die mobile Schlachtung entwickelt.“ Ist ein Rind für die Schlachtung bestimmt, gewöhnt es der Landwirt an einen Fang- stand. „Das dauert etwa eine Woche“, sagt Hörmann. Es erfordere viel Vorarbeit, bis die Tiere freudig in den Stand gingen. „Und das funktioniert nicht immer.“ Wenn es so weit ist, fährt der Schlachter mit einer mobilen Schlachteinheit vor, einem Anhänger. „Unsere Kuh wollte dann doch nicht da rein“, erzählt Hörmann. Also blieb der Hänger übers Wochenende stehen. „Dann ging es.“

Dahinter steht der Wunsch, die Schlachtung völlig stressfrei durchzuziehen. „Selbst wenn das Tier im Stand noch unruhig wird, wird nicht geschlachtet.“ Das ist nicht nur entspannter für das Tier, sondern auch besser für das Fleisch, das durch Stresshormone im Blut sofort an Qualität und Geschmack verliert. Durch einen Bolzenschuss wird das Tier in dem Stand betäubt und dann entblutet, erst dann kommt es zum Schlachthof, wo das Fleisch verarbeitet wird.

Die Vermarktung

„Die nächste Frage war dann, wie wir das Fleisch vermarkten“, erzählt Julia Hörmann. Und da kommt der Laden ins Spiel, den sie nach dem ursprünglichen Namen des Bauernhofs „Seedamer Hofladen“ genannt haben. Das Containermodul haben die Hörmanns bei der Firma Digitalkonzept in Seefeld gekauft. Es lässt sich vergrößern, verfügt über elektrische Anschlüsse und vor allem: „Es war in zwei Wochen da.“

Die aufwendige Schlachtmethode schlägt sich etwas auf den Preis nieder. Ein Kilogramm Gulasch kostet im neuen Hofladen 25 Euro, ein Kilo Hüftsteak 35,50 Euro, das Filet liegt bei 68 Euro pro Kilogramm, das Rinderhack bei etwa 20 Euro. „Wir haben uns beim ersten Rind auf Grillfleisch spezialisiert“, erklärt Hörmann. Daher liegen im großen Kühlschrank im Hofladen-Modul auch Rinds-Grillwürste, wenngleich in denen natürlich auch Schweinefleisch zu finden ist – wie fast immer in Rindswürsten. Das Bauernhof-Eis kommt aus Erkheim im Allgäu, dort wohnen die Eltern von Julia Hörmann. Außerdem gibt es Nudeln, Eier und Kartoffeln vom benachbarten Lieb-Hof. Den Käse produziert die Hofkäserei Kraus. „Sie holen alle sechs bis acht Wochen 1700 Liter Milch, daraus machen sie 170 Kilogramm Käse.“

So geht es weiter

Im Herbst wollen sich die Hörmanns einen Bioverband suchen, in dieser Woche haben sie sich im Rahmen des Bio-Regio-Programms des Landwirtschaftsministeriums beraten lassen. „Man wird da stark unterstützt“, findet Hörmann. Das schlechte Image der Landwirte treffe sie. „Viele wollen es selbst nicht so, wie es läuft, und sind bereit, es zu ändern. Aber dafür fehlt vielen auch die Zeit.“ Er habe zuletzt die Winterabende damit verbracht, alles über Imkerei zu lernen, sagt Franz Hörmann. Die Familie hat fünf Bienenvölker, es war jedoch nicht die Zeit, auf Schulungen zu gehen. „Wir können die Themen nicht aussitzen“, sagt Julia Hörmann. „Und wir sind froh über unsere Entscheidung.“

Der Seedamer Hofladen ist freitags von 8.30 bis 11.30, samstags von 13 bis 16 Uhr geöffnet oder nach Vereinbarung unter 0151 / 11 80 06 77. Selfservice (Eier, Kartoffeln, Nudeln, Milch, Käse, Honig) ist von 8 bis 20 Uhr möglich.

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