VW und der „Flummi-Plan“: Wenn die Maßnahmen scheitern, droht eine düstere Zukunft
Bei Volkswagen ist eine Gesundschrumpfung unabdingbar. Dagegen stehen jedoch Milliardeninvestitionen, die in der Zukunft die Wende bringen sollen. Sonst droht VW der Kollaps.
Wolfsburg/München - Volkswagen, Europas größtes Zugpferd der Autoindustrie, ist in die Krise geschlittert und steht vor einer strukturellen Herausforderung. Trotz umfassender Sparpläne, auf die sich das Management, die Arbeitnehmervertretung und Eigentümer im Dezember verständigten, scheinen weitere Maßnahmen unausweichlich.
Der niedersächsische Konzern kämpft nicht nur mit finanziellen Einbußen, sondern auch mit den Nachwirkungen strategischer Fehlentscheidungen in der Vergangenheit. VW-Chef Oliver Blume und Co. müssen die Weichen neu zu stellen, um mit durchgreifenden Maßnahmen die Rendite der schwächelnden Konzernmarken auf den richtigen Kurs zu bringen.
Dabei kommt zu den bisher bekannten Ansätzen offenbar noch eine Menge obendrauf.
Bericht: Volkswagen soll wie ein hochenergetischer Flummi werden
Der Jahresausklang 2024 war bei Volkswagen geprägt von Arbeitskampf und Debatten über Stellenabbau sowie Werksschließungen. Letztlich gab es monatelangen Debatten den Entschluss, 35.000 Jobs und 40 Prozent der Werkskapazität zu streichen, mitsamt Kürzung des Lohnniveaus.
Aktuell kursieren interessante Berichte, wie der 56-jährige CEO den VW-Tanker darüber hinaus finanziell wieder besserstellen möchte. Als „Sanierungsfall“ sieht Blume laut Manager Magazin den strauchelnden Autobauer. Mehrere Probleme seien nach wie vor nicht gelöst und andere nur „notdürftig gefixt“.
Eine Veranschaulichung wurde offenbar in großer Runde mit Verantwortungsträgern ins Rampenlicht gerückt: Stefan Weckbach, eine Art Chefberater von Blume, habe mit einem Flummi als Symbol gezeigt, wie sich das Unternehmen künftig aufstellen muss: widerstandsfähig und hochenergetisch, in dem Bericht ist von „Resilient Tech Company“ die Rede.
Stellenabbau und mehr Effizienz: VW benötigt weitere Maßnahmen
Darüber hinaus finden weitere, praktische Sparmaßnahmen statt, die VW wirtschaftlich optimieren sollen: Man will sich 2025 von einem milliardenschweren Aktienpaket der Nutzfahrzeug-Tochter Traton in München trennen. Vorstandschef Oliver Blume plane noch für das erste Halbjahr den Verkauf weiterer 15 Prozent an der Holding von Scania und MAN, schildert das Manager Magazin in einem weiteren Bericht. Davon erhoffe sich der Wolfsburger Autobauer einen Erlös von rund zwei Milliarden Euro.
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Anleger würden den niedrigen Streubesitz bemängeln, während Blume bereits im vergangenen Frühjahr erklärte, man wolle die Beteiligung auf knapp über 75 Prozent drosseln. Abhängig wird dieser Schritt offenbar durch den Aktienkurs – und der sei beim damaligen Versuch zu niedrig gewesen, als dass Volkswagen ihn zu Geld machen wollte.
Volkswagen so viel wert wie 2010 – „tiefem Misstrauen der Mächtigen“
Doch das scheint hinten und vorne nicht zu reichen. Was noch problematisch ist, sei das verlorengegangene Vertrauen am Kapitalmarkt: Der Wert des Konzerns fiel auf jenen Stand des Jahres 2010 zurück und Volkswagen sei demnach 47 Milliarden Euro wert. Angesichts der zu bewältigenden Sparaufgaben im Hause Volkswagen wurde nun scheinbar abermals das angestrebte Renditeziel von über sechs Prozent verschoben, auf 2029. Der Hauptgrund: hohe Kosten.
Einen großen Anteil an den jetzigen Überkapazitäten hätten frühere VW-Chefs wie Herbert Diess: Der träumte von einem jährlichen Absatz von 15 Millionen Modellen und richtete darauf die Konzernstrategie aus – mitsamt der dazugehörigen Werke und Personal. Die Realität sieht Jahre später anders aus: Im Rekordjahr 2019 verkaufte Volkswagen elf Millionen, fünf Jahre später 2024 sind es nur mehr neun Mio. Modelle. Kein Wunder also, dass der Autobauer zu viele Werke und Angestellte hat.
Die Rede ist zudem von einem zähen Ringen zwischen Management, Arbeitnehmervertretung und Eigentümern um die zukünftige Ausrichtung. Blume bekleidet seit 1994 verschiedene Positionen im Konzern und sei sich dem lähmenden Konstrukt des großen Autokonzerns bewusst. Deshalb bezieht der Volkswagen-Chef vermehrt externe Hilfe abseits VW, weil diese Unternehmen „besser, schneller oder billiger“ arbeiteten. Das Manager Magazin spricht zudem von einem „tiefen Misstrauen der Mächtigen“.
VW-Marken zu wenig rentabel – Sparpläne bei Audi und Technologietransfer
Woran der Wolfsburger Konzern leidet, sind unerreichte Gewinnziele: Die Kernmarke VW soll 2024 nur bei zwei Prozent operativer Rendite landen, ebenso die Ingolstädter Premiumtochter. Selbst die Sport- und Luxus-Zugpferde Porsche und Bentley hinken den Ansprüchen hinterher. Aktuell funktionieren nur Skoda und Lamborghini.
Was laut dem Portal noch Geld in die VW-Kassen spülen soll: ein Börsengang von Audi, mitsamt einem Stellenabbau um 15 Prozent. Darüber hinaus öffnet sich der Konzern zwei Regionen, was im Hinblick auf geopolitische Entwicklungen nicht unriskant erscheint: USA und China. VW öffnet sich für ansässige Firmen, zwecks globalem Technologietransfer.
Im Fokus stehen milliardenschwere Partnerschaften mit Rivian, Xpeng sowie Horizon Robotics, mit deren Hilfe man die Softwarekompetenz ins Spitzenfeld des internationalen Wettbewerbs zu heben gedenkt. Zudem will Volkswagen mit der neuen Marke Scout in Nordamerika durchstarten, um mit SUV und Pick-ups den dortigen Markt zu bedienen.

In China will VW-Chef Blume mit Milliardeninvestitionen die Wende schaffen, um im Feld der E-Mobilität den Anschluss zu halten. So entsteht das laut Manager Magazin „womöglich wichtigste Projekt“ im Reich der Mitte: ein innovatives Entwicklungszentrum in China (abgekürzt VCTC), unter der Leitung von Entwicklungsvorstand Thomas Ulbrich.
VW ins „Fitnesscenter“: China als Vorbild, um aus der Krise zu steuern
Die Volksrepublik soll gar ein Vorbild werden, erläutert Blume derweil gegenüber der Zeit: Die Volksrepublik sei „eine Art Fitnesscenter“ in Sachen wirtschaftlicher Entwicklung. „Innovationen, zum Beispiel bei der Batterie, Software oder dem autonomen Fahren, entstehen hier pragmatisch und kosteneffizient, mit hoher Kreativität und immensem Tempo“, wird der CEO zitiert.
Selbst chinesische Hersteller in die deutschen Werke lassen, um deren Elektroexpertise anzuzapfen und die Fertigung auszulasten, sei ein mögliches Szenario: Es wäre das umgekehrte Prinzip von einst, als deutsche Hersteller der Volksrepublik Fachwissen im Fahrzeugbau lehrten.
Dieses Know-how und diese Haltung könne man nutzen, um sie auf den gesamten Konzern zu übertragen, sagte Blume und fügte hinzu: „Gerade auch nach Deutschland, wo wir zu lang den früheren Erfolg genossen haben.“ Konkurrenz belebe das Geschäft und könne neue Kräfte freisetzen, insbesondere BYD ist zu einem großen Rivalen herangewachsen. Das ist es, was Volkswagen nach Meinung von Blume nun benötigt: „In China hat sich in kurzer Zeit eine wettbewerbsfähige Automobilindustrie entwickelt.“
Für VW gibt es wichtigere Dinge, als weltweit die Nummer eins zu sein
Dabei scheint der Konzern bestimmt von einem zu findenden Gleichgewicht zwischen Innovationsfreude und Sparzwang: Die Investitionen für die nächsten fünf Jahre wurden laut Manager Magazin drastisch gekürzt: 200 Milliarden Euro sollten es für die Jahre zwischen 2024 und 2028 sein, 180 Mrd. sind es letztlich geworden. Für die darauffolgenden Jahre wurde diese Summe dann auf 160 Mrd. reduziert und mittlerweile soll selbst dieses Ziel wackeln, um die Finanzen aufzupolieren.
Den Berichten zufolge hat sich in der Managementebene mittlerweile ein Vorsatz verfestigt: Es geht nicht mehr darum, Toyota und Co. im Kampf um die weltweite Nummer eins herauszufordern. Stattdessen Autos überhaupt fehlerfrei in den Verkauf gebracht werden – und letztlich im harten Wettbewerb der Autogiganten überlebt werden. (PF mit Material der dpa)