Frührente mit 63? Das ist die Wahrheit über die Rente in Deutschland

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In Deutschland gehen die Menschen im Durchschnitt deutlich vor der Regelaltersgrenze in Rente. Eine Studie offenbart deutliche regionale Unterschiede.

Nürnberg – Das Renteneintrittsalter in Deutschland variiert aus verschiedenen Gründen. Das liegt nicht nur daran, dass die Regelaltersgrenze derzeit in Monatsschritten angehoben und ab dem Jahrgang 1964 schließlich 67 Jahre betragen wird. Nach oben geht es auch bei den Altersrenten für besonders langjährig Versicherte, für langjährig Versicherte und für Schwerbehinderte.

Inwiefern es auch regionale Unterschiede beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand gibt, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) untersucht. Dabei ging der Blick auf die Jahrgänge 1953 und 1954. Bei diesen handelt es sich demnach derzeit um die jüngsten Jahrgänge, für die sich die Erwerbsaustritte bis zum Erreichen der jeweils gültigen Regelaltersgrenze beobachten lassen.

Rente in Deutschland: Gefälle zwischen West und Ost sowie zwischen Stadt und Land

Auf Datenbasis der Integrierten Erwerbsbiografien des IAB wurde für die Personen dieser Jahrgänge, die den Arbeitsmarkt im Alter zwischen 60 und unter 66 Jahren verlassen haben, das tagesgenaue individuelle Austrittsalter bestimmt. Daraus ließen sich Mittelwerte auf Kreisebene berechnen.

Wann geht es in die Rente? In Deutschland unterscheidet sich das Erwerbsaustrittsalter von Region zu Region. © IMAGO / Michael Gstettenbauer, IMAGO / Wolfilser

Grundsätzlich nahmen die Experten bei ihrer Arbeit ein Gefälle zwischen West und Ost und eines zwischen Stadt und Land wahr. Das durchschnittliche Erwerbsaustrittsalter der beiden Jahrgänge liegt bei 63,7 Jahren. Zum Vergleich: Die Regelaltersgrenzen für die diese Jahrgänge liegen mit 65,6 respektive 65,7 Jahren rund zwei Jahre höher.

„Dieser Wert spiegelt die Nutzung der verbliebenen Möglichkeiten zum vorzeitigen Renteneintritt wider“, schreibt das IAB. Denn die genannten Rentenarten können bei Erfüllung entsprechender Wartezeiten von mindestens 45 oder 35 Jahren vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen werden.

Wann gehen Menschen in Deutschland in Rente? Hohe Werte in Großstädten und alten Bundesländern

Beim Blick auf die regionalen Unterschiede nutzen die Experten sechs Altersspannen bei den Männern und fünf bei den Frauen. Am häufigsten ist beim Blick auf die verschiedenen Kreise in beiden Landesteilen die Austrittsaltersklasse 63,5 bis 63,74 Jahre festzustellen. Bei den Männern trifft dies auf 180 der 400 Kreise zu, bei den Frauen sind es sogar 189.

Erwerbsaustrittsalter der Jahrgänge 1953 und 1954 auf Kreisebene (Männer)

62,79 bis 62,99 Jahre: zwei Kreise

63,0 bis 63,24 Jahre: fünf Kreise

63,25 bis 63,49 Jahre: 67 Kreise

63,5 bis 63,74 Jahre: 180 Kreise

63,75 bis 63,99 Jahre: 134 Kreise

64,0 bis 64,21 Jahre: zwölf Kreise

Erwerbsaustrittsalter der Jahrgänge 1953 und 1954 auf Kreisebene (Frauen)

63,17 bis 63,24 Jahre: ein Kreis

63,25 bis 63,49 Jahre: 72 Kreise

63,5 bis 63,74 Jahre: 189 Kreise

63,75 bis 63,99 Jahre: 130 Kreise

64,0 bis 64,12 Jahre: acht Kreise

Die Spanne reicht bei den Männern insgesamt von 62,8 Jahren in Wolfsburg bis zu 64,2 Jahren in Bonn. Abgesehen von Berlin mit 64,0 finden sich Tiefstwerte von unter 63,25 Jahren und Höchstwerte von 64 Jahren und mehr nur in Westdeutschland. Diese höchsten Werte sind ausschließlich in kreisfreien Großstädten mit mindestens 100.000 Einwohnern festzustellen.

Renteneintritt von Frauen: Durchschnittsalter von mindestens 64 Jahren nur in Westdeutschland

Hinsichtlich der Frauen bilden Kronach mit 63,2 Jahren und Baden-Baden mit 64,1 Jahren die beiden Extreme. Hier finden sich die Höchstwerte von mindestens 64 Jahren ausnahmslos in westdeutschen Kreisen.

Das Gefälle zwischen West und Ost ist bei den Frauen noch stärker als bei den Männern. So überwiegen in den alten Bundesländern Regionalwerte der Altersklasse 63,5 bis 63,74 Jahre, in den neuen Bundesländern sind es jene der nächsttieferen Altersklasse 63,25 bis 63,49. Während für die kreisfreien Großstädte mehrheitlich ein Erwerbsaustrittsalter von mindestens 63,75 Jahren zu verzeichnen ist, trifft dies in Ostdeutschland nur auf vier der zehn Großstädte zu.

Renteneintritt und Berufsausbildung: Mittelqualifizierte gehen früher in Ruhestand

Das IAB stellt bei seinen Ergebnissen unter anderem einen Zusammenhang zur Berufsausbildung her. So wurden bei beiden Geschlechtern für Kreise mit höheren Beschäftigtenanteilen von Hoch- und/oder Geringqualifizierten höhere Erwerbsaustrittsalter festgestellt.

Geldmünzen auf Ausdruck von Deutscher Rentenversicherung
Immer eine Frage des Geldes: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung untersucht regionale Unterschiede beim Renteneintrittsalter. © Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

Dies könne damit erklärt werden, dass diese beiden Gruppen im Vergleich zu Mittelqualifizierten seltener in der Lage sein werden, die Wartezeit von mindestens 45 Jahren zu erfüllen, um vorzeitig und abschlagsfrei in Rente gehen zu können. Die Gründe: Hochqualifizierte treten wegen der langen hochschulischen Ausbildungsphasen oft erst spät ins Erwerbsleben ein, Geringqualifizierte sind stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen.

Alter beim Beginn der Rente: Modell der Altersteilzeit in industriellen Großbetrieben spielt Rolle

Außerdem zeigte sich, dass Kreise mit höheren Beschäftigungsanteilen im Industriesektor und in Großbetrieben sowohl bei Männern als auch bei Frauen niedrigere Werte beim Austrittsalter aufweisen. Dies interpretiert das IAB so, dass industrielle Großbetriebe gerne auf das Modell der Altersteilzeit, abgestimmt auf einen möglichst frühen Rentenbeginn, zurückgreifen, um Personal auf sozialverträgliche Weise abzubauen.

Diese Angebote sind auch für die Angestellten attraktiv. In manchen westdeutschen Kreisen nutzen der Erhebung zufolge 40 Prozent oder mehr der Männer diese Altersteilzeit.

Dagegen scheint es keinen allgemeinen Zusammenhang zwischen dem Erwerbsaustrittsalter und der Anspannung am lokalen Arbeitsmarkt zu geben. So zeigte sich durchaus, dass in Regionen mit vielen offenen Stellen pro Arbeitssuchenden bei beiden Geschlechtern ein besonders niedriges Austrittsalter zu verzeichnen ist.

Für die Zukunft erwartet das IAB ein steigendes Erwerbsaustrittsalter, „da die Rentenaltersgrenzen erst 2031 vollständig angehoben sein werden“. Allerdings werde es weiterhin unter den jeweils geltenden Regelaltersgrenzen bleiben. (mg)

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