Familienvater kann sich Sanierung seines Dachs nicht leisten – und gibt Habeck die Schuld

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Bei der Wahlarena in der ARD empört sich ein Hauseigentümer über die Solarpflicht in Niedersachsen. Er könne sich nicht mal die Sanierung des Dachs leisten. Ein Experte klärt über die Situation auf.

Berlin – Im Endspurt vor der Bundestagswahl durften Montagabend (17. Februar) besorgte Bürger und Bürgerinnen an die vier Kanzlerkandidaten ihre Fragen stellen. Bei der ARD-Wahlarena war daher auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu Gast und sollte eine Frage zum Thema Solarpflicht und Heizungstausch beantworten. Doch am Ende bleiben mehr Fragen, als Antworten – weshalb IPPEN.MEDIA nun einen Experten befragt hat. Was kann der betroffene Mann tun?

Familienvater kann sich Sanierung und Solaranlage auf dem Dach nicht leisten: Kein Kredit bewilligt

Der Betroffene beschreibt sich als 38-jähriger Familienvater, der jüngst ein Einfamilienhaus in Niedersachsen gekauft hat. Nach dem Hauskauf steht nun eine Sanierung des Dachs an, diese sei verpflichtend, fügt er hinzu. „Jetzt hat in Niedersachsen die rot-grüne Regierung eine Solarpflicht bei Dacherneuerung eingeführt, seit 01.01. Da frage ich Sie ganz offen: wie soll sich eine Familie, die das Dach neu decken muss, das leisten? Ich kriege keinen Kredit. Ich muss für mein Dach ungefähr 60.000 bis 70.000 Euro zahlen, ohne großartige Förderung, laut Energieberater, plus Solarkosten“, schildert der Mann. Insgesamt käme er auf 120.000 Euro, für die ihm die Bank keinen Kredit gewähre.

Robert Habeck antwortet dem Mann, indem er anerkennt, dass eine Solaranlage teuer sei und man deswegen keine Solarpflicht auf Bundesebene beschlossen habe. Zu dem abgelehnten Kredit: „Ich kenne jetzt Ihre Einkommensverhältnisse und Ihre Bankgeschäfte nicht. Aber die Bank müsste eigentlich durch die Solaranlage Geld sparen oder Geld verdienen, insofern müsste der Kredit deswegen gegeben werden können.“

Kein Kredit für Sanierung und Solaranlage: Besorgte Bürger klagen Habeck an

Daraufhin sagt der Fragesteller, dass die Bank aber nicht mal die Dachsanierung bewilligt habe. „Aber dann kann doch die niedersächsische Regierung nichts dafür, wenn Sie keinen Kredit für die Dachsanierung bekommen, unabhängig von der Solarpflicht“, hakt der Grünen-Kandidat nochmal nach. Natürlich erhöhe sich das Kreditvolumen durch die Anlage – aber die Photovoltaikanlage müsste die Kreditwürdigkeit eigentlich verbessern, da man mit der Anlage ja dann Geld verdient durch die Einspeisevergütung.

Auch Grüne-Kandidat Robert Habeck stellt sich bei der ARD-Wahlarena den Fragen der Zuschauerinnen und Zuschauer. © Screenshot ARD/Wahlarena

Leider wird das Szenario nicht weiter aufgeklärt, da die Moderatorin die nächste Frage zulassen möchte. Dabei ist das Problem eines, das durchaus vielen Menschen Sorgen bereiten könnte. Wir haben daher bei Jannis Mischke, Experte für energieeffizientes Wohnen bei der Firma Aroundhome, nachgefragt. Was sollte der Mann jetzt tun? Und wie können Privatpersonen eine ähnliche Situation vermeiden?

Vor dem Kauf eines Hauses: Mehrere Gutachter sollten Käufer über Baumaßnahmen informieren

Die erste Maßnahme, die Mischke betont, ist eine vorzeitige Bewertung des Gebäudes, also vor dem Kauf: „Normalerweise sollte diese Situation nicht entstehen, da potenzielle Käufer und Käuferinnen das Gebäude vor dem Kauf mit Gutachtern oder Energieexperten genau prüfen. Hier werden auch bereits notwendige Maßnahmen oder Investitionen besprochen“. Wer also ein Haus kaufen will, sollte sich mehrmals unabhängig beraten lassen.

„Wenn es doch passiert, dann muss grundsätzlich erst einmal priorisiert werden, welche der Maßnahmen aufgrund von z.B. gesetzlichen Regelungen durchgeführt werden muss.“

Eigentum verpflichtet

Die verpflichtende Dachsanierung beim Eigentümerwechsel wurde 2011 beschlossen und 2020 dann nochmal in ein neues Gesetz gegossen, das Gebäudeenergiegesetz. Seitdem müssen Eigentümer von ungedämmten Gebäuden beim Eigentümerwechsel ihre obere Geschossdecke sanieren.

Im Dezember 2023 hat die Regierung in Niedersachsen eine Solarpflicht für Gebäude erlassen, die Eigentümer verpflichtet, im Falle einer Sanierung ihres Dachs auch eine PV-Anlage zu installieren. Ähnliche Solarpflichten gibt es auch in anderen Bundesländern wie zum Beispiel in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Bremen und Hamburg.

In allen Gesetzen gibt es Ausnahmen, so ist es auch bei der Dachdämmung und bei der Solarpflicht. Zum Beispiel, wenn es beim betreffenden Dach keinen Sinn ergibt oder technisch sowie wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Wie die niedersächsische Regierung erläutert: „Als wirtschaftlich nicht vertretbar gilt auch, wenn das Bauvorhaben – insbesondere im Bestand – durch die Installationspflicht einer Solarenergieanlage wirtschaftlich nicht mehr durchführbar wäre“. Also: Wenn die Dachsanierung durch die Solarpflicht nicht mehr wirtschaftlich möglich ist, dann kann es eine Ausnahme geben.

Jannis Mischke fügt noch hinzu: „Außerdem sind auch Gebäude unter Denkmalschutz oder mit erhaltenswerter Bausubstanz (gemäß § 105 GEG) ausgenommen. Eine Ausnahme gibt es auch für Reparaturen, die weniger als 10 Prozent der gesamten Dachfläche betreffen.“

Dachsanierung und Solarpflicht werden gefördert: Kredite von der KfW

Wer sein Dach sanieren lassen muss und keine Ausnahme greift, hat mehrere Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten. Für die Sanierung gibt der Staat 15 Prozent der Kosten als Zuschuss bereit, noch mehr Geld gibt es, wer einen individuellen Sanierungsfahrplan gemacht hat. Dazu gibt es eine steuerliche Förderung: Maximal 8000 Euro, verteilt über drei Jahre, können Eigentümer von ihrer Steuerschuld abziehen, wenn sie ein Haus saniert haben. Die Förderbank KfW bietet auch Kredite für die Sanierung an, zum Beispiel der Kredit 261.

Für den Kauf einer Solaranlage können Eigentümer ebenfalls einen Förderkredit (Kredit 270) bekommen, dabei werden 100 Prozent der Kosten durch diesen Kredit gedeckt. In vielen Bundesländern mit Solarpflicht gibt es auch Landesförderprogramme.

Sanierung ist sinnvoll: Immobilienwert steigern und vor CO₂-Preis-Kosten schützen

Der Energieexperte von Aroundhome erklärt auch, warum eine Dachsanierung von Vorteil ist. „Allgemein lässt sich sagen, dass eine Dachsanierung die Wärmedämmung verbessert, was zu geringerem Wärmeverlust und zu niedrigeren Heizkosten führt – ein gedämmtes Dach hält mehr Wärme innerhalb des Hauses.“ Dies werde in den kommenden Jahren – insbesondere ab 2027 - an Bedeutung gewinnen, weil der CO₂-Preis deutlich steigen wird. „Auch der Wohnkomfort wird durch die Dämmung verbessert, denn diese sorgt für ein angenehmeres Raumklima, sowohl im Winter als auch im Sommer.“

Was vielen auch nicht bewusst ist: Maßnahmen wie Dachsanierung und Installation einer PV-Anlage steigern den Wert einer Immobilie.

Ohne die genaue Situation des Mannes aus der Wahlarena zu kennen, hat Jannis Mischke aber den Eindruck, dass die beschriebenen Kosten „recht hoch“ seien. „Eine durchschnittliche Solaranlage (inkl. Speicher) ist in etwa schon für 15.000 bis 20.000 Euro zu haben. Eine Erneuerung des Dachstuhls sollte zwischen 25.000 Euro und 50.000 Euro kosten.“ Daher sei es wichtig, Angebote zu vergleichen.

Die Verbraucherzentralen bieten im Übrigen auch Energieberatungen an – und zwar schon für 40 Euro. In diesem Fall kommt ein Energieberater zu Ihnen nach Hause und schaut sich alles an, im Schnitt dauert ein Gespräch zwei Stunden.

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