80 Jahre Kriegsende: Kemptens OB Kiechle ruft in seiner Gedenkrede zu mehr bürgerschaftlichem Engagement auf
In der Stadtratssitzung am 8. Mai erinnerte Oberbürgermeister Thomas Kiechle in seiner Gedenkrede an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa.
Kempten – Der OB zählte die Grausamkeiten des Krieges auf und ging auf das Schicksal von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern in Kempten ein. Das Ringen mit der eigenen Vergangenheit und die Entfaltung der Demokratie gingen in den letzten acht Jahrzehnten miteinander Hand in Hand. Er sei sehr dankbar, dass man sich in Kempten mit der eigenen Vergangenheit beschäftige und sich um eine geeignete Erinnerungskultur bemühe. „Es gibt kein Ende des Erinnerns, denn ohne Erinnerung verlieren wir unsere Zukunft“, betonte Kiechle. Nicht das Erinnern sei eine Last, sondern das brandgefährliche Nicht-Erinnern. Denn: „Geschichte wiederholt sich nicht, aber menschliche Verhaltensweisen.“
Kiechle: „Errungenschaften von innen und außen gefährdet“
Die vor 80 Jahren formulierten Hoffnungen auf Menschenrechte, Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Wohlfahrt sind Wirklichkeit geworden. Er sieht diese Errungenschaften zurzeit von innen und außen gefährdet. Für die Europäer müsse die Formulierung von „Nie wieder“ heute „Nie wieder allein“ bedeuten.
Den 8. Mai bezeichnete Richard von Weizsäcker als einen Tag der Befreiung. Heute gehe es „um die Befreiung von der Versuchung eines neuen Nationalismus, von der Faszination des Autoritären. Von Misstrauen, Abschottung und Feindseligkeit. Von Hass und Hetze, von Fremdenfeindlichkeit und Demokratieverachtung.“ Kiechle zitierte einen Tag vor ihrem Tod die 103-jährige Margot Friedländer: „So hat es damals auch angefangen.“
Kiechle fordert mehr bürgerschaftliches Engagement
Der Oberbürgermeister forderte zu verstärktem bürgerschaftlichem Engagement auf, für die Demokratie, die eine „anspruchsvolle Staatsform ist“ und fügte hinzu: „Die Zeiten, in denen viele von uns nur Zuschauer auf einer Tribüne waren, sind vorbei. Wir müssen aufs Spielfeld und aktiv sein. Wir müssen aufbegehren gegen die Feinde der Demokratie, gegen jene, die Menschen ausgrenzen und die Andersdenkende mundtot machen wollen.“
Er rief schließlich dazu auf, die eigenen Werte zu verteidigen, denn: „Die Demokratie, die Menschlichkeit, unser Europa, unsere Freiheit und die Menschenwürde sind wieder mehr gefährdet als sich manche darüber im Klaren sind.“
Michael Hofer (ÖDP) mahnte, die 14 Millionen Deutsche im Osten nicht zu vergessen, für die das Kriegsende der „Beginn des Schreckens“ war und zählte Beispiele aus der eigenen Familiengeschichte auf.
Annette Hauser-Felberbaum (FW) bat darum, in die Erinnerung auch die aus Kempten stammende und vor kurzem verstorbene ebenfalls 103-jährige Holocaust-Überlebende Emmi Hauser-Fischl einzubeziehen und forderte das Gremium auf, ihren mit Sibylle Knott (CSU-Fraktion, parteilos) gestellten Antrag, die neue Grundschule nach ihr zu benennen, bald auf die Tagesordnung zu setzen.
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