„Oma, darf ich deine Geschichte verfilmen?“: Enkel dreht Film über Leben seiner Großmutter
Nach dem Zweiten Weltkrieg floh die Großmutter von Michael Eibl aus Haar von Tschechien nach Erding. Jetzt erzählt der Enkel in einem Film von der Flucht und der Suche nach einer neuen Heimat.
Haar – Vor vier Jahren überraschte Michael Eibl (17) aus Haar seine Großmutter: „Hallo Oma, darf ich deine Lebensgeschichte verfilmen?“ Erst sei sie etwas baff gewesen, aber dann habe sie zugestimmt. Christl Eibl, die nach dem Krieg aus ihrer Heimat in Tschechien vertrieben worden ist, verstand, wie ernst es ihrem Enkel mit dem Projekt war. Während der Dreharbeiten sind Großmutter und Enkel zusammengewachsen. Langsam begreifen die beiden, was der Film bedeutet. „Es ist ein bisschen eskaliert“, sagt Eibl und lacht. Aus einer spontanen Idee wird der Film „30 Kilo Heimat“ entstehen.
Michael Eibl ist zwölf Jahre alt, als seine Großmutter Christl Eibl ihm zum ersten Mal von ihrer Flucht aus Tschechien erzählt. Mit sechs Jahren packte sie 30 Kilo Habseligkeiten in einen Leinenrucksack und floh mit ihrer Familie aus Heiligenkreuz. In Erding konnte sich die heute 83-Jährige ein Zuhause aufbauen.
„Irgendwann bin ich bohrender geworden.“
Bis heute lebt sie dort mit Michael Eibls Großvater. Als Kind habe er die Tragweite nicht fassen können. Trotzdem sei sofort der Wunsch nach einem Film da dagewesen. „Ich habe eine Emotionalität wahrgenommen“, erinnert sich Eibl. „Und ein Mysterium.“ Anfangs habe seine Oma nicht gerne über ihre Erlebnisse geredet. Immer mal wieder habe er etwas aufgeschnappt. „Irgendwann bin ich bohrender geworden.“ Erst jetzt kristallisiere sich heraus, was diese Vertreibung mit den Menschen gemacht hat. Eibl hat sich mit dem Phänomen der epigenetischen Vererbung beschäftigt. Traumatische Ereignisse können demnach generationsübergreifend weitervererbt werden. Er fragt sich: „Was hat der Verlust mit meiner Oma gemacht – mit meiner Mutter und mit mir?“ Im Film gehe er aus seiner Sicht als Enkel der Biografie seiner Oma auf den Grund. Sein Anspruch sei es aber nicht, finale Antworten zu geben, sondern Fragen aufzuwerfen.

Das Filmprojekt ist eine Reise, an der Eibl gewachsen ist. Es brauchte zwei Anläufe. 2020 reiste er mit seiner Oma nach Mähring. Dort treffen sich die Vertriebenen jährlich an einer Gedenkkirche. Mit einer Einsteigerkamera drehte er erste Szenen. Schnell merkte er, dass er an eine Grenze stößt. „Mein Perfektionismus stand mir im Weg.“ 2021 legte er das Projekt auf Eis. Doch seine Idee ließ ihn nicht los. Anfang 2022 wagte er einen neuen Versuch. Dieses Mal nicht allein. Er holte sich Freunde mit ins Boot.
Immer wieder ein emotionales Erlebnis
Vor dem ersten Treffen hatte Eibl ein perfektes Konzept. Für jeden Drehtag gab es einen Plan. Im Frühjahr drehte die Crew zuhause bei seiner Großmutter. Im Sommer fuhren sie nach Mähring, wo sie den Bürgermeister der Gemeinde interviewten. Auch in Omas Heimatort Heiligenkreuz drehten die Jungs ein paar Szenen. Großmutter, Tochter und Enkel standen vor dem ehemaligen Wohnhaus. „Für meine Oma ist es immer wieder ein emotionales Erlebnis.“
Während der Drehtage im Geburtsort seiner Großmutter musste er die Geschichte umschmeißen. „Plötzlich war für meine Oma die Vertreibung aus der Heimat nicht mehr so relevant.“ Das war ein Durcheinander für den perfektionistischen Regisseur. Wo der emotionale Fokus jetzt liegt, will er noch nicht verraten.
Premiere im Frühjahr 2025
Bis zur Premiere im Frühjahr 2025 gibt es für die Crew noch viel zu tun. Im März steht ein Interview mit der Vorsitzenden des Heimatkreises Plan-Weseritz an. Plan ist die Region, aus der Eibls Großmutter kommt. Auch mit dem Bürgermeister aus Mähring will die Crew ein zweites Mal sprechen. Eibl möchte nicht nur die Geschichte seiner Oma erzählen, sondern „die Relevanz für heute aufzeigen“. Daher sucht er noch nach Experten, die die Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg einordnen.
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Parallel ist Eibl auf der Suche nach Sponsoren. Er und seine Crew produzieren den Film unentgeltlich. Mit den vielen Reisen ist das Budget von 3000 Euro fast aufgebraucht. Für die Premiere kommen weitere 4000 Euro drauf. Ein nächstes Projekt ist nicht geplant. Im Sommer schließt Eibl die Mittlere Reife ab. Im Herbst will er eine Ausbildung in einer Filmakademie beginnen. Eines ist klar: Er bleibt dem Film treu.
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