„Am Boden aufgeschlagen“: Moosburger Gastronom erhebt schwere Vorwürfe gegen Stadt-Verantwortliche
Die Debatte um Moosburg Marketing und die Innenstadt geht für Josef Reif „am Thema vorbei“. Der Mitinhaber des Cafés am Münster sieht tiefergreifendere Probleme.
Moosburg – Wie gelingt es, Moosburgs Innenstadt zu beleben? Wie wird das Zentrum attraktiv für Besucher und Gewerbe? In der öffentlichen Debatte darüber, die kürzlich CSU-Ortschef Maximilian Mader angestoßen hatte, meldet sich nun Josef Reif (59) zu Wort. Der gebürtige Moosburger ist seit 13 Jahren Mitinhaber des Cafés am Münster, hat über zwei Jahrzehnte Textileinzelhandel in Innenstädten betrieben und unter anderem die Cohibar in Landshut bewirtschaftet. Mit den Verantwortlichen der Stadt Moosburg geht er hart ins Gericht. Aber auch die Geschäfts- und Wirtsleute will er wachrütteln.
Freisinger Tagblatt: Herr Reif, Sie sagen, die aktuelle Innenstadt-Debatte und die von der CSU und Händlern erhobene Kritik an der Moosburg Marketing eG gingen am Thema vorbei. Was meinen Sie damit?
Josef Reif: Ich habe gelesen, dass man jetzt dem Marketing-Geschäftsführer Thomas David die Hauptschuld daran gibt, dass Moosburg in einem schlechten Licht dasteht. Das stimmt so sicher nicht.
Inwiefern?
Herr David hat sicher nicht so eine starke Bindung zu Moosburg, da er noch nicht lange in der Stadt lebt. Wer das aber tut und jahrelang Moosburg Marketing dominiert hat, ist der Vorstand der Marketing-Genossenschaft: Leute wie Reinhard Lauterbach, der lange Zeit Vorstand war und seit einigen Jahren auch Stadtmarketingreferent ist. Oder Jürgen Appel. Die haben’s auch vor Herrn David schon nicht geschafft, ein Konzept und eine Vision für Moosburg zu erstellen. Wer genauso versagt hat, ist der Aufsichtsrat: Dem gehören Bürgermeister Josef Dollinger und einige Stadträte an. Aber dort wurde immer nur abgenickt und gesagt: „Passt schon.“ Das ist natürlich eine Katastrophe. Vor diesem Hintergrund muss man sich tatsächlich fragen, ob es Sinn macht, dem Marketing ein Budget von 150.000 Euro zur Verfügung zu stellen.
In welcher Lage sehen Sie denn die Innenstadt?
Die Situation hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Wir haben Leerstände und Läden mit eingeschränkten Öffnungszeiten. Wir würden unser Café auch mehr aufmachen, wenn es sich dort rechnen würde, Personal zu beschäftigen. Es ist von Donnerstag bis Sonntag auf, vorher ist einfach zu wenig los. Außerdem herrscht im Kernbereich der Innenstadt zu viel Verkehr, der laut ist und stinkt. Auch Radfahren ist hier gefährlich.
Wer ist aus Ihrer Sicht dafür verantwortlich?
Die Hauptschuld trägt der Moosburger Stadtrat. Das ISEK-Gutachten* war sehr teuer, inhaltlich brauchbar, aber es wurde nicht umgesetzt. Dazu hatte man jetzt zehn Jahre lang Zeit. Stattdessen ist die Abwärtsspirale immer weitergegangen. Deshalb sind wir in einer Situation gelandet, wo nichts mehr geht: Wir haben kaum mehr Einzelhandel, die Tagesgastronomie tut sich wahnsinnig schwer. Wir sind am Boden aufgeschlagen. Für wen soll da Thomas David noch Marketing machen?
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*Am 9. September 2013 hat der Stadtrat das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) beschlossen. Darin enthalten sind Anregungen, wie eine höhere Aufenthaltsqualität in der Innenstadt möglich ist, wie der Verkehr reguliert werden kann, und wie sich Leerstände im Zentrum beseitigen lassen. Zu finden ist es online auf www.isek-moosburg.de/stadtentwicklungskonzept.
Im Stadtrat gibt es laufend Debatten und Beschlüsse zur Innenstadt. Was werfen Sie dem Gremium vor?
Dort herrscht nicht nur geballte Inkompetenz, sondern auch Arroganz. Man duckt sich weg und stiehlt sich aus der Verantwortung. Moosburg kriegt es so nicht hin, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um etwas zu bewegen. In der Stadt will niemand Leerstandsmanagement machen. Und die Rathausverwaltung müsste den Einzelhandel und die Gastronomie fördern, wo sie nur kann. Aber stattdessen schmeißt man ihnen Knüppel zwischen die Beine.
Sie spielen auf die monatelange Vollsperrung für die Rathausbaustelle an, die für die Bürger und das Gewerbe aus heiterem Himmel kam – und nur auf massiven Druck einiger Händler hin um eine Woche verzögert wurde?
Das ist ein Beispiel. Ein anderes ist der Beschluss des Stadtrats, dass es vor dem 1. April keine Außenbestuhlung auf öffentlichem Grund geben darf. Wenn im März die Sonne scheint und die Leute draußen sitzen wollen, ist das nicht erlaubt. Mit solchen sinnlosen und dummen Regelungen treibt man die Leute aus der Stadt raus. Ich hatte dazu E-Mail-Verkehr mit Frau Stadler (Evelyn, Rathaus-Geschäftsführerin; Anm. d. Red.). Die meinte, da müsse sich der Stadtrat damit beschäftigen, aber der habe gerade wichtigere Themen vor sich. Ich wurde aufs nächste Jahr vertröstet. Wir können auf unserer eigenen Terrasse bestuhlen, wann wir wollen. Aber auf öffentlichem Grund ist es nicht genehmigt, daher setz’ ich mich da auch für andere ein.
Wie sieht es mit der Verantwortung aufseiten der Gewerbetreibenden aus?
Man müsste dort schon längst das Warenangebot überdenken und sich fragen: „Reicht das?“ Moosburgs Einzelhändler und Gastronomen konkurrieren mit anderen Kommunen und dem Onlinehandel. Es sollte endlich aufgehört werden, alles schönzureden, und dringend eine ehrliche Bestandsaufnahme in Angriff genommen werden. Im derzeitigen Zustand braucht es jedenfalls nicht wirklich Moosburg Marketing. Den verkaufsoffenen Sonntag oder Christkindlmarkt können Frau Stadler oder Herr Holzner (Martin, Leiter städtischer Bauhof; d. Red.) noch kurz vor Feierabend organisieren.
Das sind jetzt sehr unverblümte Aussagen.
Es ist meine Sichtweise aufgrund von 13 Jahren Erfahrung hier vor Ort.
Sie könnten sich mit Ihrer Kritik direkt an die Stadträte wenden.
Darin sehe ich keinen Sinn mehr. Ich habe mehrfach Stadträte angeschrieben und nie eine Antwort erhalten.
Wie lautet dann Ihre Forderung an die Stadträte?
Aufzuwachen! Aber ich fürchte, dass die gar nicht wissen, was sie machen sollten. Ich vermute, die meisten dort haben das ISEK-Gutachten gar nicht gelesen. Und ich glaube, die Neuen, von Fresh zum Beispiel, wollen sich mit so etwas gar nicht beschäftigen. Von Herrn Heinz (Rudolf, CSU-Stadtrat; d. Red.) weiß ich, dass er sich der Problematik voll bewusst ist und Ahnung hat, was gemacht werden müsste. Aber er sagt sich auch: „Da renn’ ich gegen eine Wand, hilft ja doch nichts.“ Vielleicht gibt es so wenig Engagement, weil die Leute im Stadtrat nicht persönlich betroffen sind.
Haben Sie vergleichbare Städte im Kopf, die es besser machen als Moosburg?
Freising ist momentan ein ganz gutes Beispiel: Dort wurde viel getan in den letzten Jahren. Die Gastro und der Einzelhandel haben einen Aufschwung erlebt und man hat jetzt mehr Aufenthaltsqualität. Das wäre in Moosburg sicher auch möglich, wenn alle liefern würden.

Aber Freising ist doch auch deutlich größer und hat andere Voraussetzungen.
Natürlich hat man es nicht leicht in einer Kleinstadt. Deshalb müssen erst mal die Rahmenbedingungen passen – und die müssen von der Stadt kommen. Wenn man heute richtig anfangen würde, bräuchte es drei bis fünf Jahre, bis Maßnahmen richtig greifen. Bis irgendwer mal wieder sagt: „Moosburg ist toll!“ Derzeit macht es wenig Sinn, in der Innenstadt zu investieren. Die Probleme, die Moosburg hat, haben übrigens alle Städte. Es kommt darauf an, sie besser zu managen.
Sehen Sie in der „Plan“-Umgestaltung einen Hebel für ein attraktiveres Zentrum? Ihr Café befindet sich direkt am Platz.
Die Umgestaltung ist sicher richtig. Aber sie verzögert sich seit drei, vier Jahren**. Generell ist es so: Wenn bislang vonseiten der Stadt etwas gemacht wird, passt die einfach nicht auf, dass Händler und Gastronomen nicht benachteiligt werden. Man hat’s am Weingraben gesehen: Da gab’s einfach mal vier oder sechs Wochen Sommerpause der Baufirma. Das kann man nicht machen! Die Händler dort haben massivst gelitten. Im Café Weingraben war teilweise gar keiner mehr. Jetzt wiederholt sich das in der Herrnstraße. Wir am „Plan“ haben auch gerade eine Riesenbaustelle. Und was macht die Baufirma? Die Arbeiter haben gesagt, sie kommen nächstes Jahr wieder.
**Wie sieht’s eigentlich aus mit der Umgestaltung des Moosburger „Plans“? Vom zuletzt verkündeten „Baubeginn im September“ ist noch nichts zu sehen. Das FT hat bei Bauamtsleiter Herbert Held nachgefragt. Er erklärt: „Auf die erste Ausschreibung hatte sich nur ein Bieter gemeldet, der war deutlich zu teuer.“ Jetzt liege ein besseres Angebot vor, der Stadtrat müsse nun noch die Vergabe beschließen. Das neue Ziel sei der Baubeginn Ende März 2024, im gleichen Jahr soll der „Plan“ mit Ausnahme des Übergangs zur Straße fertig umgestaltet sein.
Irmgard Schweikl von Schreibwaren Bengl hat die Herrnstraße kürzlich im FT-Interview als „Todeszone“ bezeichnet.
Da hat sie recht. Ob da wirklich eine Komplettsperre nötig wäre, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist es eine ziemlich harte Maßnahme.
Josef Dollinger hat unserer Zeitung gesagt, die Sperrung der Herrnstraße sehe er ein bisschen als Test für eine Fußgängerzone. Wie sehen Sie das?
Das müsste man wenn dann gescheit machen, frühzeitig ankündigen und aktiv gestalten. Eine Fußgängerzone in der Herrnstraße hilft aber allein überhaupt nicht weiter. Wichtig wäre, dass auch am Stadtplatz keine Autos mehr fahren. Beim Eiscafé Da Claudio würde sich beispielsweise eine große Außenfläche anbieten. Man könnte mit relativ wenig Aufwand was machen. Aber es ist noch nicht mal was versucht worden.
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Braucht es im Rathaus die Stelle eines eigenen Wirtschaftsförderers?
Was Moosburg braucht, ist Sachverstand in Bezug auf Gastronomie und Einzelhandel. Es müsste aber eigentlich auch so gesehen werden, wie schwierig die Situation für die Gastronomen ist: enorm steigende Kosten für Energie und Lebensmittel – da würde ich mir vom Stadtrat mal wünschen, dass gefragt wird: „Was braucht ihr, dass es für euch leichter wird?“ Leider gibt es selbst unter den Händlern und Gastronomen überhaupt kein Miteinander. Viele stehen wohl mit dem Rücken zur Wand und schauen, dass sie einfach durchkommen. Die Frage ist, ob sie bereit sind, einfach schweigend zuzusperren – oder ob sie sich mal auf die Füße stellen und sagen: „Wir brauchen das, das, das – sonst geht’s nicht mehr weiter.“ Es braucht eine öffentliche Debatte.
Sie fordern von anderen Betrieben mehr Einsatz. Wie gehen Sie selbst mit gutem Beispiel voran?
Wir haben einen hohen Anspruch an unser Café, und der wurde uns mehrfach bestätigt. Die Fachzeitschrift Der Feinschmecker hat uns zwei Mal als eines der besten Cafés in Deutschland ausgezeichnet. Du brauchst Qualität, sonst fahren die Leute irgendwo anders hin. Man muss schon ein bisschen herausstechen aus der Masse. Dann macht’s in einer Kleinstadt wie Moosburg allen Widerständen zum Trotz Sinn, ein Geschäft zu betreiben.
Wann war die Innenstadt in Ihren Augen noch in Ordnung?
Anfang der 1990er. Da hat’s hier eigentlich keine Leerstände gegeben. Da sind die Leute aus Orten wie Nandlstadt und Au nach Moosburg gefahren, um einzukaufen. Klar, es sind inzwischen viele andere Probleme dazugekommen, das liegt natürlich nicht nur an der Stadt, sondern an Dingen wie dem Onlineverkauf. Aber wenigstens die Probleme, die man hier angreifen könnte, sollte man bearbeiten.
Termin zum Thema
Zum „Ideen-Austausch zur Zukunft der Innenstadt“ laden Moosburgs Grüne am Mittwoch, 13. Dezember, ins Gasthaus Drei Tannen ein. Dort will man ab 20 Uhr „Menschen zusammenzubringen, denen die Innenstadt am Herzen liegt“, so Ortsvorsitzende Ramona Rümelin. „Die Leerstände sind unübersehbar und der Trend geht leider weiter in diese Richtung.“ Es brauche frische Ideen, mutige Gründer sowie eine Stärkung und Gestaltung der Innenstadt. Willkommen zu dem Mitmach-Format seien alle mit konkreten Ideen und Lust, anzupacken: Geschäftstreibende, Gebäudebesitzende und Bürger „sowie explizit auch die Moosburg Marketing eG, Bürgermeister und der Stadtrat“. Anmeldung erbeten via einepost@gruene-moosburg.de.
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