„Echtes Problem“: Ukraine sucht Antwort auf Putins Glasfaser-Drohnen

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Ausgefeiltere Technik: Von Tag zu Tag verfeinern beide Kriegsparteien ihre Drohnentechnik. Inzwischen haben vor allem die Russen wieder angefangen, gegen ukrainische Störsender Drohnen mit kilometerlangen Glasfaserkabeln zu steuern (Archivfoto) © IMAGO / Evgeny Biyatov

Russland belebt eine alte Drohnensteuerung neu. Mittels Glasfaserkabel werden die Drohnen ins Ziel gelenkt. Der Ukraine fehlt die passende Antwort.

Kiew –  „Die Effektivität von FPV-Drohnen beruht größtenteils auf ihrer hohen Manövrierfähigkeit“, hat The War Zone (TWZ) geschrieben. Das Magazin hatte sich mit Russlands Drohnen-Innovation einer Steuerung mittels Glasfaser beschäftigt, weist aber darauf hin, dass Drohnen am Draht einiges an Einsatzwert einbüßen. Dennoch: Im Ukraine-Krieg versuchen sich beide Seiten mit immer ausgefeilterer Drohnen-Technik auszustechen. Einer offensiven Innovation folgt binnen kurzer Zeit eine defensive. Was beide Seiten in den Fortschritt investieren, endet zwangsläufig in einem Patt.

Die Drohne am Draht hat ihre Grenzen, wie TWZ klarstellt: Insofern könne die Waffe lediglich eingesetzt werden, wo die Frontabschnitte ruhig und abgegrenzt sindThe War Zone spricht von „stabilisiert“: „Hindernisse können richtig kartiert und erkannt werden, sodass jede größere Interaktion mit dem Draht vermieden wird und die Entfernungen zu potenziellen Zielen gut definiert werden können“.

Ukraine-Krieg: Seit einem Jahr tauchen Glasfaserdrohnen häufiger in Kampfeinsätzen auf

Seit einem Jahr tauchen Glasfaserdrohnen häufiger in Kampfeinsätzen auf, schreibt aktuell der Business Insider (BI) und nimmt Bezug auf die Klage eines Majors einer ukrainischen Einheit für elektronische Kriegsführung: Die Drohnen seien „ein echtes Problem“, weil „wir sie nicht elektronisch aufspüren und abfangen können“, sagt Yuriy, wie ihn der Business Insider nennt. Im Gegensatz zu kabellosen Drohnen, die durch Funk- oder Wi-Fi gesteuert würden, sei eine Glasfaserdrohne über ein ultraleichtes Glasfaserkabel mit der Bodenstation verbunden. Diese physische Verbindung sichere eine störungsfreie, latenzarme Datenübertragung.

„Die Einführung von Glasfaserkabeln stellt keine grundlegende Veränderung dar, ist aber sicherlich ein weiterer kleiner Schritt nach vorn im brutalen, nie endenden Überlebenskampf auf dem Schlachtfeld.“

TWZ spricht der Waffe auch eine gute Effektivität auf kurze Distanzen zu – als Nahkampfmunition beispielsweise; „auch die Verwendung von Taktiken, bei denen die Drohne eine größere Höhe beibehält, bevor sie direkt auf ihr Ziel herabstößt, wäre ein optimiertes Profil für eine solche Waffe“, schreibt das Magazin. Ihm zufolge läge aber der größte Vorteil einer physisch gesteuerten Drohne in ihrer Emissionsfreiheit. Das Ausbleiben von elektromagnetischen Impulsen macht die Drohne unsichtbar für Gegner, die ansonsten aus der Position sowie aus der Bewegung einer Drohne durch das Messverfahren der Triangulation auch den Standort des Piloten ermitteln und letztendlich ausschalten könnten. Das entfällt durch die kabelgebundene Steuerung.

Offenbar sucht auch Russland sein Heil darin, immer ausgefeiltere Drohnentechnik an die Front zu schicken. „Die beeindruckend schnellen Innovationszyklen – von Pappdrohnen und angebundenen Drohnen bis hin zu erhöhter Autonomie und dem Einsatz künstlicher Intelligenz – sind also nicht nur das Ergebnis des Einfallsreichtums ukrainischer, russischer und westlicher Ingenieure. Sie sind eine zwingende Notwendigkeit, um eine Niederlage zu vermeiden“, schreibt Ulrike Franke. Die Politikwissenschaftlerin des Thinktanks European Council on Foreign Relations (ECFR) sieht in der Ukraine das Land, das die Drohnentechnologie in der Welt über kurz oder lang am besten beherrschen wird.

Offensive Gefahr: An Glasfaser gebundene Drohnen sollen bis zu 20 Kilometern zurücklegen können

Wie The War Zone berichtet hatte, war bereits Anfang vergangenen Jahres eine abgestürzte angebundene Drohne gefunden worden. Eine an der Drohne befestigte Spule für das Glasfaserkabel soll einen Hinweis darauf enthalten haben, wonach die Leitung mehr als zehn Kilometer lang sein sollte. Immerhin sind diese Drohnen immun gegen jegliche Einflussnahme von außen – die um so leichter einwirken kann, je länger die Distanz zwischen Pilot und Drohne wird.

„Gelände, von Menschenhand geschaffene Hindernisse wie Gebäude, Laub und die Erdkrümmung wirken sich alle negativ auf die Aufrechterhaltung dieser kritischen Kontrollstrecke aus. Je weiter der Bediener entfernt und je höher oder komplexer das Gelände ist, desto schlimmer wird dieses Problem“, schreibt The War Zone. Laut der ukrainischen Plattform United24 sollen an Glasfaser gebundene Drohnen Distanzen bis zu 20 Kilometern zurücklegen können; allerdings würde durch die schwerere Spule die Nutzlast verringert – dennoch gehöre der Glasfaser-Drohne die Zukunft, will United24 erfahren haben von „Steele“, einem Amerikaner, der als Freiwilliger für die Ukraine gekämpft hatte; ihm zufolge brächten die Glasfaser-Drohnen eine neue Dynamik auf das Schlachtfeld.

„Indem sie elektronische Kriegsführungssysteme neutralisieren, werden diese Drohnen es dem Feind erschweren, starke Verteidigungsanlagen aufzubauen. Diese Drohnen könnten die Versorgungslinien des Feindes unterbrechen und es wird für sie schwieriger, ihre Positionen zu halten und ihre Operationen fortzusetzen. Diese Fähigkeit, Logistik und Kommunikation zu stören, wird den Feind vor erhebliche Herausforderungen stellen“, erläuterte er gegenüber United24.

Putins Krieg: Lediglich das Vorgeplänkel zu ersten Eskalationsstufe des Drohnen-Krieges

Drei Drohnen-Szenarien für die Zukunft hat Dominika Kunertova im August aufgestellt – der Ukraine-Krieg bildet lediglich das Vorgeplänkel zu ersten Eskalationsstufe „Full-spectrum Drone Warfare“ – darin würden Drohnen über die gesamte Bandbreite von Waffen eingesetzt werden; was sie tatsächlich heute schon werden. Die Schwierigkeiten sieht die Analystin des Center for Security Studies (CSS) an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich in den Herausforderungen der Einsatzräume Land, Luft, See – die Glasfaser-Drohnen versuchen eben, die geografischen Gegebenheiten besser zu nutzen.

„AI-enabled Drone Warfare“ ist für Kunertova die zweite Entwicklungsstufe – darin übernimmt Künstliche Intelligenz mehr und mehr die Steuerung von Drohnen. Für die Analystin liegt die Herausforderung in dieser Stufe darin, dass die KI noch begrenzt ist auf das Erkennen der Topografie. Die Entscheidung aufgrund situativer Besonderheiten ließe noch auf sich warten.

„Human–drone Team Warfare“ – in Kunertovas dritter Stufe eines Drohnenkrieges würden beispielsweise Flugzeuge und Schiffe zu Drohnen-Basen werden und im Verbund mit den menschlichen Entscheidern kämpfen. Selbst der neue deutsch-französische Panzer MGCS (Main Ground Combat System) ist weniger als Panzer gedacht, denn als kampftüchtiger Hub für angedockte Drohnensysteme, die entweder Kampfaufgaben übernehmen könnten oder eher eine aktive Panzerung, indem sie Ziele vor Auftreffen auf den eigentlichen Panzer selbst unter Feuer nähmen.

Steigende Verluste im Ukraine-Krieg: Drohnen haben vermutlich schon zu einer Sättigung auf dem Gefechtsfeld geführt

Allerdings haben die Drohnen vermutlich auch schon zu einer Sättigung auf dem Gefechtsfeld geführt, vermutet Kunertova. Abgesehen von den vom Wetter begrenzten Nutzungsmöglichkeiten würde die Masse der pilotierten FPV-Drohnen ein Ausmaß annehmen, dass sich die Drohnen gegenseitig störten, oder das in seiner Offensivkraft so auffällig wird, dass der Feind auch seine defensiven Maßnahmen massiv ausbauen würde. Die Analystin bemerkt, dass Künstliche Intelligenz zunächst dazu genutzt werden müsste, um der Inflation der Drohnen auf dem Gefechtsfeld Herr zu werden beziehungsweise um den Beschuss der Drohnen durch die eigene Abwehr – friendly fire – vorzubeugen.

Mit der Masse an Drohnen und den wiederum steigenden Kosten würde auch der Drohnenkrieg in seiner jetzigen Patt-Situation über kurz oder lang unerschwinglich werden, betont Daniel Kosoy für United24. Immerhin böten Glasfaser-Drohnen eine erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber den via Funk ferngesteuerten. Kosoy hält für wahrscheinlich, dass sie im laufenden Jahr eine bedeutendere Rolle spielen werden beziehungsweise grundsätzlich eine Renaissance erleben – mit steigender Unübersichtlichkeit auf dem Gefechtsfeld wüchse die Bedeutung von sicheren Kommunikationsverbindungen, um als Kriegspartei eine Chance zu behalten.

Das Magazin Newsweek hat den in Großbritannien ansässigen Drohnenexperte Steve Wright mit der gleichen Einschätzung zitiert: „Die Einführung von Glasfaserkabeln stellt keine grundlegende Veränderung dar, ist aber sicherlich ein weiterer kleiner Schritt nach vorn im brutalen, nie endenden Überlebenskampf auf dem Schlachtfeld.“

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