Deutlich mehr Geld für Bürgergeld-Empfänger – Diese Bereiche sind betroffen

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Bürgergeld-Empfänger kommen sowohl beim Wohnen als auch bei Sanktionen besser weg als früher. Woran liegt das? Die Union hatte nachgefragt.

Berlin – Die Reform des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) sowie die Einführung des Bürgergelds 2023 sollten die bislang geltende Grundsicherung für Arbeitssuchende grundlegend modernisieren. Die Reform sollte die soziale Absicherung stärken, Anreize zur Arbeitsaufnahme verbessern und die individuelle Förderung der Betroffenen „intensivieren“. In einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU im Deutschen Bundestag wollte die Fraktion herausfinden, wie gut das gelungen ist. Die Antworten der Bundesregierung an die CDU/CSU liegen IPPEN.MEDIA exklusiv vor.

Weniger Budget für das Bürgergeld im neuen Jahr? – Union stellt Anfrage

Weil die Union in ihrer Kleinen Anfrage fast 60 Fragen (teils mit jeder Menge Unterpunkten) stellt, ist es kaum möglich, alles auf einmal zu behandeln – im Folgenden wollen wir uns darum auf die zwei Kernpunkte Wohngeld und Sanktionierung beim Bürgergeld konzentrieren. Vorweg aber wollte die Union von der Bundesregierung wissen, ob „angesichts der angespannten Lage des Arbeitsmarkts“ im Haushalt 2025 weniger Geld für das Bürgergeld und die Kosten der Unterkunft (KdU) vorgesehen ist. Gleichzeitig stellte sie die Frage danach, wie viele Bürgergeldempfänger in den Arbeitsmarkt abwandern müssten, um den von der Regierung geplanten Rückgang der Bürgergeld- und KdU-Zahlungen um 5,3 Milliarden Euro im Jahr 2025 zu erreichen.

Bildmontage aus einem Taschenrechner, einem Stift und Geldscheinen.
Bildmontage aus einem Taschenrechner, einem Stift und Geldscheinen (Symbolfoto). Bürgergeld-Empfänger kommen sowohl beim Wohnen als auch bei Sanktionen besser weg als früher. Woran liegt das? Die Union hatte nachgefragt. © IMAGO / Wolfilser

„Der Beschluss des Haushalts 2025 wird vor dem Hintergrund des Endes der bisherigen Regierungskoalition dem neuen Deutschen Bundestag im kommenden Jahr vorbehalten sein“, erklärte die Bundesregierung dazu. Zahlen legte sie nicht vor – verwies aber auch darauf, dass die Titel Bürgergeld und Bundesbeteiligung für die Kosten der Unterkunft als Schätztitel deklariert seien.

So viel Bürgergeld erhalten Empfänger für die Wohnung – Tendenz steigend

Weiter hakte die Union nach, wie sich die Kosten der Unterkunft seit 2013 entwickelt hatten. Die sogenannten laufenden anerkannten Kosten nach Art der Kosten hatte die Bundesregierung aufgeschlüsselt nach Landkreis, Unterkunftskosten, Betriebskosten und Heizkosten transparent gemacht. Einige Beispiele:

2013 2016 2019 2021
Hamburg, Freie und Hansestadt 367.230.616 389.709.002 514.305.603 537.833.833
Bonn, Stadt 49.372.850 58.790.012 63.648.227 67.484.336
München, Landeshauptstadt 194.849.985 202.568.408 207.313.580 251.290.442
Ingolstadt 10.316.349 10.685.343 14.842.048 17.541.912
Berlin, Stadt 1.123.044.967 1.173.620.324 1.142.065.681 1.187.257.496

Wohn- und Wohnkostensituation: laufende anerkannte Kosten nach Art der Kosten in Euro, anerkannte Unterkunftskosten

Das bedeutet: Für die Unterkunft erhalten Bürgergeldempfänger deutlich mehr Geld als noch vor ein paar Jahren. Während die Unterkunftskosten in manchen Städten teils massiv gestiegen sind, steht in einigen Städten und Landkreisen ein Minus auf dem Papier. Beispiele dafür sind etwa Brandenburg an der Havel (Stadt), Leipzig, Friesland und Remscheid.

Eher statische Entwicklung bei Betriebs- und Heizkosten für Bürgergeld-Empfänger

Bei den anerkannten Betriebskosten sieht das Ganze anders aus. Manche Städte stagnierten, andere hatten einen Rückgang und wieder andere einen Zuwachs zu verzeichnen. In den großen Städten hatte es eher Rückgänge gegeben, allerdings gab es auch hier Ausnahmen.

2013 2016 2019 2021
Hamburg, Freie und Hansestadt 109.672.293 107.641.108 102.978.623 110.560.498
Köln, Stadt 61.815.553 65.959.207 67.026.839 73.920.350
München, Landeshauptstadt 40.265.790 36.704.351 32.541.332 38.165.955
Ingolstadt 2.539.969 2.422.615 2.696.954 3.391.438
Berlin, Stadt 293.964.805 273.563.944 251.690.282 266.263.447

Wohn- und Wohnkostensituation: laufende anerkannte Kosten nach Art der Kosten in Euro, anerkannte Betriebskosten

Ähnlich war es bei den Heizkosten. Hier eine kurze Übersicht:

2013 2016 2019 2021
Hamburg, Freie und Hansestadt 75.752.331 70.466.214 62.753.754 63.660.950
Köln, Stadt 38.257.793 39.855.010 37.107.106 38.072.611
München, Landeshauptstadt 28.340.807 30.148.668 26.098.361 29.769.170
Ingolstadt 2.191.569 2.013.758 2.222.813 2.541.198
Berlin, Stadt 177.270.104 180.619.642 161.716.865 163.965.989

Wohn- und Wohnkostensituation: laufende anerkannte Kosten nach Art der Kosten in Euro, anerkannte Heizkosten

Die einmaligen Kosten für die Unterkunft (eKdU) beliefen sich im Juli 2024 auf rund 48,2 Millionen Euro. Laut der Bundesregierung fielen darunter etwa Wohnungsbeschaffungskosten (Umzug, Courtage etc.), Mietschulden oder sonstige einmalige Kosten (etwa Nachzahlungen für Heiz- und Betriebskosten). Im Jahr 2023 hatten sich die Gesamtkosten dafür auf rund 632,8 Millionen Euro belaufen, zehn Jahre vorher waren es noch 452,6 Millionen Euro gewesen.

Sanktionen beim Bürgergeld – Diese Empfänger erhalten am wenigsten

Bei den Sanktionen im Bürgergeld zeigte die Bundesregierung vor allem einen hauptsächlichen Trend auf: „Leistungsminderungen werden aktuell im Vergleich mit den Jahren vor 2019 seltener und in geringerer Höhe ausgesprochen.“ Zum Vergleich: 2013 hatte die Anzahl der neu festgestellten Leistungsminderungen noch bei knapp über einer Million Fälle gelegen, zehn Jahre später waren es 226.000.

Am häufigsten waren damals wie heute die Singles betroffen, mit weitem Abstand folgten die Partner-Bürgergeldbezieher mit Kindern. Oft erfolgte eine Leistungsminderung wegen eines Meldeversäumnisses beim Träger. 2013 hatten rund 126.800 Leistungsempfänger eine Sanktion wegen der Weigerung einer Arbeitsaufnahme erhalten. Im Jahr 2023 gab es dazu keine Angabe, aber 2021 hatte diese Zahl rund 100.000 betragen.

Gerichtsurteil erklärt Sanktionierung als „unvereinbar“ mit Existenzminimum – Einnahmen brechen ein

Als hauptsächlichen Grund für den Rückgang nannte die Bundesregierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. November 2019. „Bestimmte Sanktionsregelungen wurden vom BVerfG als mit dem Grundrecht auf ein Seite 18 von 28 menschenwürdiges Existenzminimum unvereinbar eingestuft.“ Zwischen 2019 und 2020 gingen die neu festgestellten Leistungsminderungen von 806.000 auf rund 171.100 zurück. Konkret ging es um Minderungen, die eine Minderungshöhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs überstiegen – diese waren nicht mehr möglich. „Darüber hinaus forderte das BVerfG weitere Elemente zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit von Leistungsminderungen.“

Die gesetzliche Umsetzung für diese Vorgaben erfolgte dann durch das Bürgergeld-Gesetz vom 1. Januar 2023. „Die bis dahin mit Weisung der Bundesagentur für Arbeit umgesetzten Übergangsregelungen des BVerfG könnten zu einer zurückhaltenden Anwendung der Regelungen in der Praxis geführt haben.“ Daneben spielte vor allem 2022 aber auch die Coronavirus-Pandemie mit in die verringerten Sanktionen mit hinein.

Leistungsminderung im Bürgergeld – Drastischer Rückgang

Mit der Einführung des Bürgergelds zum Jahresbeginn 2023 seien die Zahlen jedoch wieder gestiegen. 2023 seien weitaus mehr Leistungsminderungen gegenüber den Leistungsberechtigten ausgesprochen worden als noch im Vorjahr (148.488 auf 226.008). Der Anteil der erwerbsfähigen Bürgergeldempfänger mit Sanktionierung oder Leistungsminderung lag im Juli 2024 bei 0,7 Prozent.

Jahr Bestand erwerbsfähige Leistungsempfänger mit mindestens einer Leistungsminderung
2013 3,3 Prozent
2019 3,1 Prozent
2020 0,9 Prozent
2023 0,5 Prozent

Neben der schieren Anzahl der Leistungsminderungen ging auch ihr Volumen in Reaktion auf das Urteil von 2019 drastisch zurück. Laut Bundesregierung hatte die durchschnittliche Leistungsminderung im Jahr 2013 noch bei 108,68 Euro gelegen (20,7 Prozent), zehn Jahre später waren es 54,26 Euro (7,4 Prozent). Im Juli 2024 war dagegen wieder ein leichter Anstieg zu beobachten: 62,53 Euro oder 7,8 Prozent.

Die Minderausgaben (also das Geld, das die Bundesregierung durch Sanktionierungen bei der Bürgergeld-Auszahlung spart) befanden sich 2023 mit rund 12,3 Millionen Euro auf einem Tiefpunkt. 2013 beliefen sie sich auf etwa 190,5 Millionen Euro, im Juli 2024 lagen sie bei rund 1,7 Millionen Euro.

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