Ein halbes Jahr „Jobturbo“ für Geflüchtete: Das ist die traurige Ampel-Bilanz

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Seit Jahresbeginn ist der „Jobturbo“ von Arbeitsminister Heil in Kraft. Wie erfolgreich aber ist die Maßnahme für Geflüchtete?

Berlin – Im Oktober vergangenen Jahres (18.10.2023) wurde der sogenannte „Jobturbo“ vom Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD), angekündigt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) versteht ihn als „gemeinsame Anstrengung der Bundesregierung, der Arbeitsagenturen und Jobcenter, der Kommunen und Länder, der Unternehmen und Verbände, der Gewerkschaften, der Beratungseinrichtungen und der Migrationsorganisationen“, mit dem Geflüchtete effizient und nachhaltig in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden sollen.

Konkret heißt das: Wer einen Integrationskurs erfolgreich absolviert hat, soll so schnell wie möglich Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erhalten und dort weiter qualifiziert werden und nicht weiter auf das Bürgergeld angewiesen sein. Anlass für die Einführung des „Jobturbos“ war die Kritik, dass unter geflüchteten Ukrainern zu dem Zeitpunkt etwa Hunderttausend solche Kurse abgeschlossen hatten, aber nur 17 Prozent von ihnen beschäftigt waren.

Ampel und Arbeitsagentur zeigen sich weiterhin positiv – doch wie wirksam ist der „Jobturbo“?

Damals forderte der Haushaltsausschuss des Bundestages das BMAS auf, jeweils im März und September 2024 Zwischenberichte zur Wirkweise des „Jobturbos“ vorzulegen. Was aber lässt sich mittlerweile, gut ein halbes Jahr nach seiner Einführung, über die Wirkweise des „Jobturbos“ festhalten?

Zum Abschluss der Aktionswoche Jobturbo (22. bis 27. April) traf sich Bundesarbeitsminister Heil mit Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Sonderbeauftragter für das Jobprogramm, sowie mit Jobcenter-Geschäftsführungen aus Nordrhein-Westfalen. Das Signal nach außen hin blieb dabei klar positiv, wie das BA auf seinem X-Account (ehemals Twitter) mitteilte.

„Viele Unternehmen haben eine hohe Bereitschaft, Menschen mit Fluchtgeschichte einzustellen“, erklärte Terzenbach, wie die Welt berichtet. Gemeinsam mit einer ukrainischen Friseurin, die durch eine Jobmesse in Berlin Arbeit gefunden hat, wurde für Fotos posiert. „Der Jobturbo läuft auf Hochtouren“, gab sich auch Arbeitsminister Heil zuversichtlich.

Entgegen der positiven Stimmung von Heil und Terzenbach lässt sich die tatsächliche bisherige Wirkung des „Jobturbos“ allerdings nur schwer festmachen. Zwar heißt es im ersten BMAS-Zwischenbericht von Ende März, die „Kontaktdichte“ der Geflüchteten mit den Jobcentern sei erhöht worden. Demnach gab es von November bis Februar 225.000 zusätzliche Gespräche im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch habe sich die Zahl der bei der BA gemeldeten Stellen, die durch Zuwanderer besetzt werden können, von November bis Februar fast verdoppelt.

Erster Zwischenbericht zum „Jobturbo“ legt wenig Konkretes offen

Bundesweit sind laut BMAS mittlerweile rund 170.000 Menschen aus der Ukraine sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Ministerium sieht man das „unter den derzeitigen konjunkturellen Rahmenbedingungen als erhebliche Leistung“ an, berichtete der Bayerische Rundfunk (BR). Und auch bei den Geflüchteten aus den Hauptasylherkunftsländern seien positive Entwicklungen zu erkennen: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den Hauptasylherkunftsländern betrug dem BMAS zufolge im Februar 2024 laut BMAS rund 564.000.

Zu Jahresbeginn führte Hubertus Heil den sogenannten Jobturbo ein. Durch ihn sollten Geflüchtete schneller und effizienter in den Arbeitsmarkt integriert werden. Was lässt sich mittlerweile über den Erfolg der Maßnahme feststellen?
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales © IMAGO/

Allerdings liegen statistische Daten darüber, ob und in wie vielen Fällen Geflüchtete, die Bürgergeld beziehen, eine Beschäftigung innerhalb der Probezeit gekündigt haben oder gekündigt wurden, laut BMAS nicht vor. Konkrete Zahlen zur schnelleren Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt sucht man im ersten BMAS-Zwischenbericht von Ende März vergeblich. „Statistische Daten zur Arbeitsmarktintegration liegen erst mit zeitlichem Verzug vor und sind daher Teil des Berichts Ende September 2024“, heißt es zur Begründung im Bericht.

Opposition kritisiert bislang ausbleibende Effekte von Heils „Jobturbo“

Aber zumindest einen konkreten Erfolg kann der Bericht der BA belegen: Im April hatten bundesweit knapp 6800 Geflüchtete aus der Ukraine einen Job im ersten Arbeitsmarkt, wie der BR berichtet. Das sind mehr als doppelt so viele, wie noch im April des Vorjahres. Damals standen rund 2850 Ukrainer in einem Beschäftigungsverhältnis. Ohne eine genannte Abgangsrate in Arbeitslosigkeit ist das aber nur ein begrenzt aussagekräftiger Wert. „Gleichwohl sehen wir in den letzten Monaten deutlich mehr Abgänge in Beschäftigung im Vergleich zum Vorjahr“, heißt es bei der BA etwas vage formuliert.

In den Reihen der Opposition wird unterdessen teils herbe Kritik an der vermeintlich ausbleibenden Wirksamkeit von Heils Maßnahme laut. „Heils Jobturbo ist keine Erfolgsgeschichte, sondern ein stotternder Motor“, sagte etwa Stephan Stracke, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Bundestag der Welt. „Derzeit werden pro Monat nur etwas über 5000 Ukrainer in den Arbeitsmarkt vermittelt. Zugleich sind rund 850.000 Ukrainer im erwerbsfähigen Alter gemeldet“, betont Stracke.

Arbeitsminister Heil habe den Ukrainern den Arbeitsmarktzugang eröffnet, ohne sie beim Weg in Arbeit intensiv zu begleiten, bemängelt der CSU-Politiker. Zunächst seien die Wartezeiten für Sprachkurse zu lang gewesen, und anschließend seien geflüchtete Ukrainer in den Sprachkursen geparkt worden, ohne dass ihre Qualifikationen in der Zwischenzeit von den Jobcentern erfasst worden wären. „Lahmt die Integration weiter so, würde es deutlich über zehn Jahre dauern, nur um die jetzt gemeldeten Ukrainer in den Arbeitsmarkt zu vermitteln“, fügt Stracke hinzu.

Sächsischer Flüchtlingsrat mahnt vor negativen Folgen des „Jobturbos“ für Geflüchtete

Kritik an der Effizienz des „Jobturbos“ wurde vor Kurzem auch an anderer Stelle laut: So warnte der sächsische Flüchtlingsrat am Mittwoch (1. Mai) eindringlich vor negativen Folgen der Maßnahme für Geflüchtete. Mit der angestrebten schnellen Integration in den Arbeitsmarkt blieben Geflüchteten weniger Zeit für Deutschkurse und individuelle Qualifizierung, mahnte der Flüchtlingsrat.

„Es ist zu befürchten, dass der Job-Turbo die gegebene Prekarisierung verstärken wird“, erklärte der Flüchtlingsrat, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete. Nach Auffassung des Vereins werden die Betroffenen verstärkt in Helfertätigkeiten vermittelt. Mit besseren Deutschkenntnissen und höheren Bildungsqualifikationen könnten sich dagegen anspruchsvollere und besser bezahlte Tätigkeiten für die Betroffenen ergeben. (fh)

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