Hebel verwechselt - Pilotenfehler bringt Boeing 737 in gefährliche Schieflage von 42 Grad

Der Virgin Australia Flug 336 erlebte eine Schrecksekunde, als ein Pilot den falschen Schalter betätigte und das Flugzeug plötzlich zur Seite kippte. Die Maschine drehte sich 42 Grad um die Längsachse, wobei eine Flugbegleiterin leichte Verletzungen erlitt. Der Fall ist ein Beispiel dafür, weshalb man im Flugzeug immer angeschnallt sein sollte

Die Boeing 737-8 konnte nach dem Vorfall am 6. September sicher landen, wie aus dem am vergangenen Freitag veröffentlichten Untersuchungsbericht der ATSP, der Australischen Behörde für Sicherheit im Transportwesen, hervorgeht.

Pilot verwechselt Schalter für Cockpittür und Seitenruder

Während eines Flugs von Brisbane nach Melbourne betätigte ein Virgin-Australia-Pilot versehentlich den Schalter für die Trimmung des Seitenruders, als er die Cockpittür für ein Mitglied der Kabinenbesatzung öffnen wollte. Der Vorfall ereignete sich laut dem Bericht kurz vor Erreichen der Reiseflughöhe auf Flight Level 370 (37.000 Fuß) in ungefähr 11,2 Kilometer Höhe.

Eine Aufnahme aus dem Cockpit der 737-8, welche die betreffenden Schalter zeigt.
Eine Aufnahme aus dem Cockpit der 737-8, welche die betreffenden Schalter zeigt. Virgin, annotated by the ATSB

In den folgenden Sekunden wurde es hektisch im Cockpit. Der ungewollte Input führte zu einer Drehung des Flugzeugs um die Längsachse und die vertikale Achse. Der Autopilot versuchte gegenzusteuern, erreichte jedoch nach fünf Sekunden sein Maximum. In den folgenden acht Sekunden kippte das Flugzeug plötzlich nach links ab und erreichte seine maximale Neigung um die Längsachse (fachsprachlich: bank angle) von 42 Grad.

Neue Vorgaben sollen Fehler verhindern

Fluggäste in den vordersten Reihen hörten zwei Mal die akustische Warnung "BANK ANGLE!" aus dem Cockpit. Dieses Signal löst selbst bei Vielfliegern akute Flugangst aus. Die Rollbewegung endete nach 18 Sekunden, doch es dauerte eine Minute und zwölf Sekunden, bis die Piloten den Fehler identifizieren konnten.

Die ATSB und Virgin Australia haben Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass ein ähnlicher Fehler nicht erneut auftritt. Dazu gehört die Vorgabe, dass der Hebel für die Cockpittür erst betätigt werden darf, wenn die eintretende Person bereits an der Tür steht.

Warum treten solche Pilotenfehler auf?

Der Hergang des Vorfalls lässt aufhorchen. Wie kann es sein, dass die Piloten den falschen Hebel betätigen und dies über eine Minute unbemerkt bleibt? 

  • Komplexe Umgebung: Das Cockpit eines Flugzeuges ist einer der kompliziertesten Arbeitsplätze. Einen einzelnen falsch eingestellten Hebel zu finden, ist nicht einfach.
  • Dreidimensionale Steuerung: Im Gegensatz zum Autofahren (vertikale Achse: links/rechts) wird ein Flugzeug über drei Achsen gesteuert.
  • Zusätzliche Komponenten: Damit ein Flugzeug sicher fliegt, müssen die Neigungswerte für alle Achsen, die Geschwindigkeit und der Auftrieb an die Situation (zum Beispiel Steigflug, Sinkflug oder Kurvenflug) angepasst und überwacht werden.
  • Zusammenhänge: Im Virgin-Airlines-Fall führte eine vertikale Drehung zum Abkippen eines Flügels. Die Rollbewegung kann jedoch zahlreiche Ursachen haben, welche die Piloten gemeinsam durchgegangen sind.
  • Standardisiertes Verhalten: Weil die Steuerung eines Flugzeuges so komplex ist und Piloten schnell den Überblick verlieren können, gibt es für jede Situation standardisierte Checklisten. Ein Ansatz, der auch im Management genutzt werden kann
Die Bewegungsachsen eines Flugzeuges und die Steuerungselemente.
Die Bewegungsachsen eines Flugzeuges und die Steuerungselemente. ATSB

Piloten vergessen Aktivierung der Sauerstoffversorgung

Nach ihrem Fehler haben die Virgin-Australia-Piloten schnell reagiert und alles richtig gemacht, wie aus dem ATSB-Bericht hervorgeht. Ganz anders verlief ein Tui-Airways-Flug mit 193 Passagieren an Bord. Der Kapitän hatte vergessen, den Schalter für den Kabinendruck zu aktivieren, und die Maschine flog 43 Minuten ohne gesicherte Sauerstoffversorgung.