Kunst von Weltrang am Tegernsee: Ein Coup mit Potenzial zum Rekord
Es ist der nächste große Coup im Gulbransson Museum – mit dem Potenzial für Besucherrekorde: Die neue Sonderausstellung bringt das Werk von Gerhard Richter als komprimierten Überblick an den Tegernsee.
Tegernsee – Auch wenn er sich selbst gerade mal als„Bildermacher“ bezeichnet: Seine Arbeiten erzielen Rekordpreise, seine Techniken sind vielfältig, seine Themen von tiefer Relevanz, von Holocaust bis Deutscher Herbst. Gerhard Richter gilt als wichtigster lebender Künstler der Welt. Nun zieht dieser große Name ins Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee ein. Am 3. März 2024 eröffnet die Sonderausstellung „Werk im Plural“. Sie widmet sich dem Editionswerk, also den Unikat-Serien Richters mit limitierten Stückzahlen, und zeigt – neben seiner Ausdrucksvielfalt – auf, wie sehr sein Werk in sich verbunden ist: schöpfen, reproduzieren, daraus Neues schaffen.
Zu verdanken ist der Coup abermals den Kontakten von Michael Beck, Vorstandsvorsitzender der Gulbransson Gesellschaft, erfolgreicher Galerist und Sohn des Malers Herbert Beck. Und vor allem Thomas Olbricht und seiner Akribie als Sammler. Als weltweit einziger überhaupt verfügt er über das komplette Editionswerk Richters und noch viel mehr. „Wenn wir das alles“, sagt Beck und deutet auf die Bilder, die im Museum gerade zum Hängen bereitliegen, „von verschiedenen Sammlern zusammensuchen müssten – das wäre unmöglich.“
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Die neue Sonderausstellung bezeichnet Beck als „kleine Retrospektive“, von 1965 bis heute. Tatsächlich ist sie eher ein komprimierter Überblick über das Faszinosum Gerhard Richter. Auch von den Techniken her – Richter ist ja berühmt für seine Vielseitigkeit – ist fast alles zu sehen, was der heute 92-Jährige genutzt hat. Sogar sein monumentales „Schwarz Rot Gold“ aus der Eingangshalle des Bundestags findet sich im Kleinen wieder. In zweifacher Ausführung, sodass zu sehen ist, dass selbst dieses vermeintlich selbe Motiv sich doch unterscheidet: in den Farbtönen.
Neue Ideen, neue Erfindungen
Das ist das Thema der Schau „Werk im Plural“ – der Titel geht darauf zurück, dass Richter Olbricht mal „mein Sammler im Plural“ nannte. Sie zeigt, wie Richter mit der Vervielfältigung und Abwandlung seines Werks arbeitet, gewissermaßen in der Evolution von Dürer und Warhol. „Er hat mit seinem Editionswerk versucht, immer wieder neue Ideen, neue Erfindungen hineinzubringen“, erklärt Olbricht.
Der Sammler – Professor für Innere Medizin, Chemiker und Wella-Miterbe – trägt mit Begeisterung Schätze zusammen: von Kindesbeinen an Briefmarken, später Kunst, vor allem zeitgenössische. Seit mehr als 30 Jahren sammelt er akribisch Gerhard Richters Arbeiten, hat sogar persönlichen Kontakt zu dem zurückgezogenen Künstler. Olbricht ist es ein Anliegen, dass Kunst nicht hinter verschlossenen Türen landet, sondern sichtbar gemacht wird. Trotzdem war Beck baff, als er auf seine Frage, ob man nicht mal eine Ausstellung im Gulbransson Museum machen könne, von Olbricht unverhofft ein Ja zur Antwort bekam.
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Noch laufen die letzten Arbeiten für den Einbau einer Abtrennung der Museumsbereiche der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und der Gulbransson Gesellschaft, doch das Hängen der Arbeiten hat begonnen. Auch die beiden bekanntesten Richter-Motive – die ikonische „Ema“, die nackt und fast ätherisch eine Treppe hinabschwebt, sowie Tochter „Betty“, in rot gemusterter Jacke dem Betrachter abgewandt – sind zu sehen.

58 Jahre Editionen – von 1965 bis heute
Die Editionen bilden einen Ringschluss von der ersten, dem bekannten „Hund“ von Ende 1965, bis zur jüngsten von Ende 2023. 58 Jahre. Dazwischen hat alles, für das Richter berühmt ist, Platz gefunden. Ölgemälde, übermalte Fotografien, überrakelte Zeitungen, bemalte Schallplatten mit den „Goldberg Variationen“, sogar Digitalkunst und eine abstrakte Tapisserie. Auch RAF-Terroristin Ulrike Meinhof ist zu sehen, deren Porträt von Fotografin Inge-Maria Peters von 1966 Richter 2015 bearbeitet hat. Hier wird nachvollziehbar, wie sehr der Künstler experimentiert, bis er die gewünschte Ausdrucksform gefunden hat: In der Mitte hängt ein Exemplar aus der veröffentlichten Edition, begleitet von zwei verworfenen Probe-Versionen, in denen Richter das Porträt stark zerkratzt und übermalt hat.
Selbst Richters monumentales Kirchenfenster im Kölner Dom findet Widerhall in der Ausstellung: Sie zeigt die Farbkombinationen, die der Künstler aber nicht nach ästhetischen, sondern mathematischen Gesichtspunkten angeordnet hat, wie Kuratorin Sarah Sonderkamp erklärt. Das veranschaulicht ein Entwurfspapier, das Olbricht ergattern konnte.
Der Kunstmäzen ist nicht nur ein Sammler, sondern auch ein Jäger, was Gerhard Richters Werk betrifft. Wenn man mal so weit sei, sagt er, könne man ja nicht einfach aufhören. Damit meint er nicht nur, was er „Stadium der beginnenden Sucht“ nennt. Sondern seine Verantwortung als Hüter des vollständigen Werks Gerhard Richters.

Soft Opening zum Auftakt
Die Gerhard-Richter-Ausstellung „Werk im Plural“ im Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee eröffnet am Sonntag, 3. März 2024, von 11 bis 14 Uhr mit einem Soft Opening bei freiem Eintritt für alle Besucher. Zudem erscheint ein hochwertiger Katalog, kündigt Michael Beck an. Zu sehen sein wird die Ausstellung bis 28. Juli 2024.