Photovoltaik-Boom: Landkreis Weilheim-Schongau macht Tempo beim Solarausbau
Um die Energiewende zu schaffen, muss die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen massiv ausgebaut werden. Zumindest in Sachen Photovoltaik scheint das Tempo im Landkreis Weilheim-Schongau zu stimmen.
Landkreis – Jüngst zeigte sich wieder einmal, dass das mit der Energiewende in Bayern keine einfache Angelegenheit ist. In Mehring im Landkreis Altötting stimmten die Bürger mehrheitlich gegen Windkraftanlagen auf dem Gemeindegebiet, was den Plänen für den größten geplanten Windpark im Freistaat einen gehörigen Dämpfer verpasste. Auch im Landkreis Weilheim-Schongau weht in Sachen Windkraft bislang bekanntlich allenfalls ein laues Lüftchen (wir berichteten).
Deutlich besser, und das ist die gute Nachricht, läuft es dagegen hierzulande, was den Ausbau der Photovoltaik angeht. Das zeigt der Blick auf die aktuellen Zahlen. Laut Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, in dem alle Anlagen registriert werden müssen, gingen allein im abgelaufenen Jahr rund 1900 PV-Anlagen in Betrieb, die es zusammen auf eine Nennleistung von rund 18 Megawatt bringen. Im Vergleich zu 2022 hat sich der Zubau damit quasi verdoppelt. Dass dies nicht nur für die Leistung, sondern in gleichem Maß auch für die Zahl der Erzeugungsanlagen gilt, zeigt, dass der jüngste Boom nicht auf dem Bau von riesigen Solarparks beruht. Tatsächlich seien im vergangenen Jahr keine größeren Freiflächenanlagen in Betrieb gegangen, sagt Andreas Scharli von der Energiewende Oberland. Der Zubau erfolgte vornehmlich auf den Dächern der Region.
Im Landkreisvergleich steht Weilheim-Schongau gut da
Mit nun insgesamt 180 Megawatt installierter PV-Leistung steht der Landkreis im Vergleich zu seinen Nachbarn gut da. In Garmisch-Partenkirchen liegt man mit 50,5 Megawatt deutlich darunter, 2023 wurden dort nur knapp acht Megawatt zugebaut. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen weist das Marktstammdatenregister für das abgelaufene Jahr einen Anstieg um knapp 15 Megawatt auf 91 Megawatt installierte Leistung aus. Nur im Landkreis Landsberg stehen die Zeichen auf noch mehr Wachstum. Dort kamen im abgelaufenen Jahr 30,8 Megawatt Leistung hinzu, die installierte Leistung stieg auf stolze 251 MW.
Dass sich im vergangenen Jahr im Landkreis Weilheim-Schongau mehr Hausbesitzer als in den Vorjahren dafür entschieden, die Stromerzeugung in die eigene Hand zu nehmen, dürfte viel mit den Erleichterungen zusammenhängen, die die derzeit oft im Kreuzfeuer der Kritik stehende Ampel-Regierung 2022 auf den Weg gebracht hatte. Bis dahin war die Errichtung einer privaten Photovoltaik-Anlage oft mit reichlich Bürokratie verbunden. Seit Januar 2023 gehören viele Hürden der Vergangenheit an. Einnahmen aus dem Verkauf von Solarstrom und die private Nutzung zur Eigenversorgung müssen etwa nicht mehr versteuert werden. Die Anlagen dürfen nun bis zu 30 Kilowatt leisten. „Alles ist wesentlich erleichtert worden“, sagt Scharli.
Dazu kommt der finanzielle Anreiz durch den Wegfall der Mehrwertsteuer beim Kauf einer PV-Anlage und des dazugehörigen Stromspeichers. Auch die hohen Strompreise machen die Energieerzeugung auf dem eigenen Dach attraktiv. „Für viele spielt auch die Versorgungssicherheit eine Rolle“, hat der Energiemanager festgestellt. Die Nachfrage nach Lösungen, die eine Notstromversorgung garantieren, habe zugenommen.
Doch auch wer keine Dachflächen zur Verfügung hat, kann sich Sonnenstrom zunutze machen. Die sogenannten Balkonkraftwerke bieten etwa Mietern eine einfache Möglichkeit, den Energiebedarf aus dem Netz zu senken. Immerhin 428 dieser steckerfertigen PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 250 kW wurden 2023 im Landkreis installiert. „Daran kann man erkennen, dass auch diese Kleinanlagen einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten“, so Scharli.
Immer mehr PV-Anlagen entstehen auf Dächern von Gewerbebetrieben
Auffällig in der Entwicklung im Vergleich zu den Vorjahren ist noch ein weiterer Punkt. Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Anlagen, die im Bereich zwischen 100 und 500 kW Leistung liegen. Diese befinden sich vornehmlich auf Dächern von Gewerbebetrieben. „Das hatten wir früher fast gar nicht“, stellt Scharli fest. Das liegt zum einen daran, dass seit März 2023 eine Solarpflicht für neue Gewerbe- und Industriegebäude gilt. Zum anderen würden laut Scharli aber auch immer mehr Bestandshallen für die Stromerzeugung genutzt. „Gerade für Unternehmen, die am Tag produzieren und den Strom selber nutzen können, macht das wirtschaftlich Sinn. Das ist eigentlich ein Selbstläufer“, so Scharli.
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Viel spricht deshalb aus Sicht des Energiemanagers dafür, dass der Trend aus dem vergangenen Jahr anhält. Beitragen dürfte auch die zunehmende Verbreitung von Elektroautos und Wärmepumpen. Das Potenzial, was die Dachflächen im Landkreis angehe, sei nach wie vor groß, so Scharli. Zumal eine große Fraktion derzeit noch ein Schattendasein fristet. Auf Mehrfamiliengebäuden sind PV-Anlagen bislang eine Seltenheit, was laut Scharli daran liegt, dass der Verkauf des erzeugten Stroms an die Mieter immer noch eine komplizierte bürokratische Angelegenheit ist. „Es wäre wünschenswert, wenn auch das vereinfacht würde.“
Doch nicht nur auf den Dächern boomt das Geschäft mit der Sonne im Landkreis. In den vergangenen Monaten wuchsen quer durch die Region neue Projekte für den Bau von Freiflächenanlagen wie Pilze aus dem Boden. Einige stehen mittlerweile kurz vor der Fertigstellung. So entsteht in Schongau gerade eine große Agri-PV-Anlage mit einer Leistung von 8 MW. In Antdorf soll heuer noch ein Solarpark mit 4,5 MW Leistung ans Netz gehen. In Bernbeuren laufen die Arbeiten am „Solarpark Osterberg“, der jährlich 10 800 Megawattstunden Sonnenstrom für rund 2700 Haushalte erzeugen soll. Allein mit diesen Vorhaben wäre der Zubau aus dem vergangenen Jahr bereits deutlich übertroffen. Auch rund um Weilheim könnte heuer der Bau von mehreren kleineren Projekten beginnen. Noch offen ist, ob im Westen der Kreisstadt das bislang größte Vorhaben im Landkreis umgesetzt wird. Für die geplante Anlage mit einer Leistung von 35 MW müssen noch einige Hürden überwunden werden.
„Da passiert gerade sehr viel“, freut sich Scharli. Freilich: Nicht immer stoßen die Pläne auf Begeisterung. Wie etwa in Peiting, wo bei Kurzenried noch heuer ebenfalls eine große Freiflächen-PV-Anlage mit bis zu acht Megawatt entstehen soll, warnen Kritiker vor dem Verlust von Flächen für die Landwirtschaft. Eine geplante Freiflächenanlage im Süden Peitings lehnte der Marktgemeinderat im vergangenen Jahr ab. Man hatte Bedenken wegen des Ortsbilds. In Weilheim protestieren Anwohner gegen ein PV-Projekt im Süden der Stadt. Manche Gemeinde wie etwa Schwabsoien hat deshalb schon Regeln erlassen, die den Zubau von Solarparks reglementieren.
Anschlussboom stellt Netzanbieter vor Herausforderungen
Zu diesem Spannungsfeld kommt noch ein weiteres Problem. Es betrifft die Stromnetze, die den erzeugten regenerativen Strom der Photovoltaik-Anlagen aufnehmen und transportieren müssen. Sie entsprechend zu ertüchtigen, ist eine Mammutaufgabe. „Bis Ende des Jahrzehnts muss die gesamte Kapazität im regionalen Stromnetz um etwa 50 Prozent erweitert werden, damit die zusätzliche Erzeugungsleistung aufgenommen und verteilt werden kann“, verdeutlicht Ingo Butters, Pressesprecher der LEW Verteilnetz, die als Netzbetreiber für den Schongauer Raum zuständig ist, die Dimension. Allein für 2023 seien rund 25 000 neue PV-Anlagen im gesamten Gebiet von LEW Verteilnetz dazugekommen. Zum Vergleich: 2020 habe der jährliche Zubau im gesamten Netzgebiet, das sich von Schongau bis Donauwörth erstreckt, noch rund 6500 Anlagen betragen, so Butters. Ähnlich stellt sich die Situation beim Bayernwerk da, das als Netzbetreiber im Weilheimer Raum aktiv ist. „Wir erleben derzeit einen Anschlussboom mit mehr als 100 000 Anfragen bei der Bayernwerk Netz im Jahr 2023“, sagt Pressesprecher Christian Martens.
Doch der nötige Netzausbau wie auch die angestrebte Digitalisierung der Energieversorgung gehen nicht von heute auf morgen. „Eine Herausforderung ist, dass die Genehmigungsverfahren sehr viel länger dauern als der Bau neuer Erzeugungsanlagen“, so Butters. Als Beispiel verweist er auf die Erneuerung der Hochspannungsleitung von Bidingen nach Schongau. Das Verfahren laufe bereits seit den 2010er Jahren und sei für den letzten Abschnitt von Schwabbruck zur Lechstadt noch immer nicht abgeschlossen. Auch auf Ebene der Mittel- und Niederspannung sei die Suche nach Standorten für neue Ortsnetzstationen sehr schwierig geworden. Diese würden aber benötigt, „wenn wir das Stromnetz verstärken müssen für zusätzliche Einspeisung in den Ortsnetzen“.
Solche Engpässe können dazu führen, dass neue PV-Anlagen nicht sofort ans Netz gehen können oder die Einspeisung bestehender gedrosselt werden muss. Letzteres komme derzeit im Regelbetrieb bei der LEW Verteilnetz noch nicht vor, sagt Butters. Schreite der Netzausbau allerdings nicht schnell genug voran, könnten derartige Abregelungs-Maßnahmen jedoch in der Zukunft notwendig werden, warnt er. Auch Martens spricht mit Blick auf das „Engpassmanagement“ von einer neuen Herausforderung.
Doch auch wenn netztechnisch nichts gegen einen Anschluss spricht, ist aktuell oft Geduld gefragt. Von der Inbetriebnahme einer neuen privaten PV-Anlage bis zum Zählerwechsel vergehen laut Martens im Schnitt rund zehn Wochen im Bayernwerk-Netzgebiet. Ähnlich sieht die Situation bei LEW aus. „Die exponentielle Entwicklung beim Zubau neuer PV-Anlagen hat die ohnehin schon hohen Erwartungen an den Hochlauf noch einmal weit übertroffen. Dies stellt uns bei der Bearbeitung der Anträge neuer Anlagen zweifellos vor große Herausforderungen“, sagt Butters. Im Optimalfall erfolge die Anmeldung am Netz innerhalb weniger Tage, die Auswechslung des Zählers könne noch einmal „wenige Wochen“ dauern.