„Typisch deutsch“: Brigitte Fassbaender über „Die lustigen Weiber von Windsor“
Lüsterner Kerl interessiert sich gleichzeitig für zwei Frauen, die sich deshalb an ihm rächen: William Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“ schafften es in den Vertonungen von Giuseppe Verdi und Otto Nicolai auf die Opernbühne. Letztere Version kommt am 26. April im Gärtnerplatztheater heraus. Es inszeniert Opernlegende Brigitte Fassbaender – die bei dem Stück allerdings auch Bauchgrimmen verspürt.

Das Stück wird fast nie gespielt. Was hat es für ein Problem?
Eines der größten Probleme ist der Dialog. Den habe ich mit Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz total gekürzt und modernisiert. Sonst wäre er viel zu lang. Außerdem ist das Stück insgesamt zu lang, also gibt es auch musikalische Striche. Die Nicolai-Oper hat mit der Shakespeare-Vorlage außer dem gröbsten Plot nicht furchtbar viel zu tun. Die Musik ist größtenteils entzückend, bezaubernd, traumhaft, wunderschön. Nehmen Sie nur den Mond-Chor. Sie ist aber eher ohne Tiefgang. Die musikalische Charakterisierung der Figuren bleibt manchmal auf der Strecke. Außer bei der Person des Herrn Fluth, der unter krankhafter Eifersucht leidet und seiner Frau das Leben zur Hölle macht. Das ist ja ein Hauptthema dieser Oper, da gibt es große, ernst zu nehmende Momente.
Als Regisseurin müssen Sie also Otto Nicolai helfen?
Über Probleme des Stücks hinwegzuarbeiten und – wo möglich – Vertiefung zu versuchen, finde ich schwer. Wie immer bei der Komödie muss man die Figuren ernst nehmen. Auch sie selbst müssen sich todernst nehmen auf der Bühne. Erst dann wird es vielleicht komisch. Vieles muss sich aus einer Situationskomik ergeben, das kann man gar nicht bis ins Detail vorbereiten. Es darf weder zum Schenkelklopfer noch zum Studentenulk werden. Und dann gibt es ja auch noch das Bühnenbild, die Kostüme, das Licht, die ein Stück zum Leben erwecken. Bei dieser Produktion genieße ich wieder die Zusammenarbeit mit Dietrich von Grebmer.
Handelt es sich hier um einen spezifisch deutschen Humor?
Ich denke, ja. Der hat mit dem schwarzen, ernsten, ab- und untergründigen Humor eines Shakespeare nichts zu tun. Es geht mir bei diesem Stück auch darum, sich Klischees zu stellen. Sie nicht nur zu vermeiden, sondern vielleicht sogar zu bedienen.
Das Klischee also gegen das Klischee ausspielen?
Ich sag‘ Ihnen ein kleines Beispiel. Sehr oft beobachte ich in der Oper: Wenn ein Mann das Kleidungsstück einer Frau aufhebt oder bei sich hat, riecht er ausgiebig daran. Bei uns ist es mal umgekehrt: Frau Fluth hebt einen Schal Falstaffs auf und schnuppert an ihm. Solche klitzekleinen Momente machen mir Freude.
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Inwieweit inszeniert man eigentlich seine eigenen Lebensgeschichten mit?
Möglichst selten. Aus Menschenerfahrung allerdings kann man schon viel einfließen lassen, das ist etwas anderes. Man sollte nur nicht seine eigenen Neurosen abreagieren. Ich sehe zu oft zu viele Traumata der Regisseure auf der Bühne. Es sollte doch möglichst überpersönlich bleiben. Ich gebe allerdings zu: Bei mir kommt in fast jeder Inszenierung etwas mit Essen vor. Einfach weil ich wahnsinnig gerne esse.
Sie haben Verdis „Falstaff“ inszeniert, die andere Vertonung der Shakespeare-Vorlage. War das leichter?
Viel leichter. Weil Verdi eine ganz andere Qualität hat, allein von der Textbehandlung her. Oder nehmen Sie das Finale: Bei Verdi hat das ein unglaubliches musikalisches Niveau. Nicolai lässt einen da ziemlich im Stich, er findet kein Ende, aber das passiert ja in vielen Opern. Wieder eine Herausforderung, und das ist gut! Ich mache es mir ohnehin nie leicht. Und hier habe ich die nötige, choreografische Hilfe durch den wunderbaren Alex Frei.
Ist es auch schwieriger, von Sängerinnen und Sängern Komik zu verlangen?
Nein, gerade am Gärtnerplatz ist man dieses Genre gewöhnt. Sie bringen also einiges mit. Sie dürfen allerdings nicht komisch sein wollen. Das ist der Knackpunkt. Man muss auf der Lauer liegen als Regisseurin: Wenn sich etwas spontan ergibt, muss man das szenisch sofort einkassieren und verwenden. Ich bin zwar immer sehr gut vorbereitet, lasse mir aber 30 bis 40 Prozent offen für Angebote der Sänger und deren im Laufe der Proben wachsende Fantasie. Ich muss die Weichen stellen, damit es in eine bestimmte Richtung geht – und dann ist das Ensemble gefragt. Ich brauche die Energie, die Fantasie und die Disziplin der Mitspieler. Diese drei Kriterien erlege ich mir selbst auch immer auf.
Warum hat es die deutsche Spieloper so schwer? Ist die Zeit über sie hinweggegangen?
Sicherlich liegt es daran, dass sich Dirigenten kaum mehr dafür interessieren. Es liegt aber auch an den vielen nicht deutschsprachigen Sängern, die gerade überall aktiv sind. Internationalität ist im Opernbetrieb ja immer gegeben. Für diese Sänger ist die Dialogarbeit der Spielopern sehr schwer. Das ist dieselbe Schwierigkeit wie bei der Operette.
Dann dürfte man auch keine „Zauberflöte“ mehr aufführen.
Das ist etwas anderes, weil sie in einem Fantasieland spielt. Die Sängerinnen und Sänger können also in diesem Fall Gott weiß wo herkommen.
Sind die Dialoge auch deshalb problematisch, weil das mit dem Nachwuchs an den Hochschulen kaum gearbeitet wird? Ähnlich wie im Falle der Rezitativ-Behandlung?
Genau. Ich werde nie vergessen, wie zu meiner Zeit als Innsbrucker Intendantin Regisseur Peer Boysen dort vorgegangen ist. Er hat „Figaros Hochzeit“, „Così fan tutte“ und „Don Giovanni“ inszeniert und jedes Mal 14 Tage lang nur Rezitative gearbeitet. Alle saßen um einen Tisch herum, wie beim Schauspiel und haben den Text erst mal gelesen. Das war toll und wurde dann auf der Bühne total selbstverständlich. Nichts wurde nur runtergerasselt.
Und über was können Sie am meisten lachen?
Über Loriot. Oder über Jacques Tati, von dem Loriot ja einiges gelernt hat. Bei Loriot, diesem Allroundkomiker, entdeckt man immer wieder Neues. Komischerweise kann ich über Chaplin nicht so lachen, über Buster Keaton schon. Letztlich ist das Geschmackssache. Und auf die banalsten Witze fallen doch alle ständig rein, mich eingeschlossen. Kommt immer darauf an, wie sie serviert werden. Ich finde es übrigens problematisch, wenn es von den Proben heißt: „Wir haben so viel Spaß gehabt.“ Wir haben vielleicht Freude und gute Arbeitsatmosphäre, aber den Spaß soll das Publikum haben.
Das Gespräch führte Markus Thiel.