Taylor Swift überrascht uns mit der doppelten Ladung
Megastar Taylor Swift ist immer für eine Überraschung gut. Ihr neues Album hat sich als doppelt so lang erwiesen wie angekündigt. Vor allem ihre Wut-Songs werden immer besser.
Wer hat Angst vor der bösen Wölfin? Niemand! Und wenn sie aber singt? Dann hör‘n wir alle zu! Moment, Moment, natürlich ist Taylor Swift kein Raubtier und böse ist sie auch nicht. Aber furchteinflößend ist der 34-jährige Mega-Popstar mitunter schon. Bringt fast jedes Jahr ein Album raus. Geht auf Giga-Tour. Und jetzt das: Die von abermillionen Fans (den sogenannten „Swifties“) heiß ersehnte neue Platte „The tortured Poets Department“ sollte eigentlich als 16-Song-Sammlung erscheinen. Doch Freitagmorgen hieß es überraschend: Taylor gibt uns die doppelte Ladung. Ein Doppelalbum, 31 Lieder stark. Puh.

Aber sind denn auch alle Lieder stark? Da muss man wieder auf den Wolf zurückkommen. Denn was Swift mittlerweile wirklich zu einer Kunstform erhoben hat, sind die songgewordenen Antworten auf Attacken missgünstiger Zeitgenossen, die sie hintenrum schlechtmachen. Da wird Swift zur eleganten Furie. Ganz besonders schön böse diesmal: „Who‘s afraid of little old me?“ Da klingt die Musik, als habe sie ihren Gegner gerade in den Staub geschickt, sie singt hexenhaft: „Wenn Du mich tot sehen wolltest, hättest Du es einfach sagen sollen. Denn das macht mich nur lebendiger.“ Die Frage im Songtitel beantwortet Swift eindeutig: „You better should be.“
Sie ist halt mittlerweile so überlebensgroß, dass sie Angriffsfläche bietet wie sonst kaum jemand: Grammy-Rekordhalterin, laut „Forbes“ inzwischen Milliardärin. Aber sie ist eben auch eine riesige Projektionsfläche für die „Swifties“, und auch damit spielt sie beängstigend virtuos. Denn sie und ihr Team hüten Infos um neue Musik gewissenhafter als Ford Knox. Nur wenige Inhalte lancieren sie vorher beiläufig – das können winzige QR-Codes auf Postern sein oder bestimmte Gesten. Die „Swifties“ nennen diese versteckten Botschaften „Ostereier“, und sie stürzen sich in den Sozialen Medien mit Begeisterung darauf. Nebenbei erledigen sie das Marketing für den Superstar.
„Swifties“ wussten es als Erste: Taylors Victory- Zeichen hatte etwas zu bedeuten
Kein Wunder, dass bei dieser Schnitzeljagd auch das mit dem Doppelalbum ans Licht kam. Einigen Fans fiel auf, dass Swift zuletzt auf Fotos das Victory-Zeichen machte. Das konnte doch nur heißen, dass am Freitag zwei Alben das Licht der Welt erblicken.
Aber was gibt‘s sonst herauszulesen aus diesem elften Studioalbum? Es enthält – das wussten die „Swifties“ längst – zahlreiche Bezüge zu Swifts Leben und ihren Ex-Partnern. Schauspieler Joe Alwyn hatte in einem Interview erzählt, dass er gemeinsam mit anderen Swift-Verflossenen eine WhatsApp-Gruppe namens „The Tortured Man Club“ habe. Das Titellied klingt wie ein ironischer Kommentar darauf. „Du bist nicht Dylan Thomas, ich nicht Patti Smith, das ist nicht das Chelsea Hotel, wir sind nur moderne Idioten“, ruft sie ihrem Ex Popkultur-kennerhaft hinterher. Liebeskummer ist also ein großes Thema – allerdings auch das Gegenteil. So widmet sie an anderer Stelle offenbar ihrem neuen Partner, dem Football-Star Travis Kelce, das leicht vulgäre Wortspiel „You know how to ball, I know Aristotle“ (sinngemäß: „Du weißt, wie man bumst, ich weiß, wer Aristoteles ist“).
Die prominenten Gäste Post Malone und Florence + The Machine stehlen dem Star nie die Show
Musikalisch bietet uns Swift nichts bahnbrechend Neues. Den ersten Teil von „Tortured Poets“ hat wieder mehrheitlich Jack Antonoff co-produziert, der zuletzt „Midnights" seinen Stempel aufdrückte. An den meisten Songs des zweiten Teils beteiligte sich Aaron Dessner, der die ruhigeren Alben „Folklore“ und „Evermore“ mitgeprägt hatte. Prominente Gäste wie US-Rapper Post Malone im Eröffnungsstück „Fortnight“ und die britische Rockband Florence + The Machine im Track „Florida !!!!“ stehlen dem Star nie die Show.
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Es ist der typische Taylor-Sound: leicht pulsierende Beats und Synthesizerflächen – man fühlt sich, als sehe man aus ㈠einem Flugzeugfenster, während die Maschine durch die Wolken bricht. Eine überwältigende, gleißende Weite – die aber auch bald eintönig werden kann, wenn man sich dran gewöhnt hat. Nur selten, etwa im Song „I can do it with a broken Heart“, geht‘s etwas flotter zu.
Das Reizvolle an Taylor-Swift-Alben bleiben somit die poetischen Anspielungen auf das komplizierte Leben eines Megastars, von aller Welt beobachtet und bewertet. „Schönheit ist ein Biest, das auf allen Vieren brüllt und mehr verlangt“, singt sie in „Clara Bow“. „Wenn dein mädchenhafter Glanz gerade noch so flackert, lassen sie dich wissen: Es ist die Hölle auf Erden, himmlisch zu sein.“ Da kann man schon mal zum Isegrim werden.