Folgen der Einwanderung - Welchen Einfluss Migration auf künftige Wahlen in Deutschland haben wird
Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind wahlberechtigt. Diese Zahl wird steigen und das Land in Zukunft entscheidend beeinflussen. Sozialforscher Andreas Herteux erläutert, wie Migranten Deutschland künftig prägen werden und wie er die Einbürgerungserleichterungen der Ampel einschätzt.
Wie viele Migranten sind in Deutschland wahlberechtigt?
Zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 2021 lebten ca. 21,9 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Davon waren 7,9 Millionen wahlberechtigt. Das entsprach ca. 14% aller Wahlberechtigten. 2017 waren es noch 10%.
Der Anteil wird weiter steigen, denn 2021 hatte bereits jeder Dritte Erstwähler einen Migrationshintergrund. Die Wahlbeteiligung ist bei dieser Gruppe allerdings noch steigerungsfähig, und liegt bei ca. 70%., Darum ist das wahre Potential nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Zudem ist der Urnengang nicht für alle gleich selbstverständlich. Die Deutsch-Türken sind dabei beispielsweise unterrepräsentiert, bei Personen mit ost-europäischen Wurzeln ist das deutlich besser ausgeprägt.
Wählen Migranten teils auch die AfD?
Was die AfD betrifft, wird aufgrund der stetigen Diskussion über das Thema Zuwanderung sowie Asyl oft vergessen, dass der größte Teil dieser Menschen aus Europa stammt, darunter auch Russlanddeutsche und Spätaussiedler, von denen sich nicht wenige inzwischen von der CDU, bzw. der CSU abgewandt und für die AfD geöffnet haben. Sie stellen die größte Gruppe der migrantischen AfD-Wähler dar. Hinzu kommt inzwischen eine wachsende kleinere Gruppe, die sich nicht klar verifizieren lässt, aber die vor allem die Merkmale „integriert“ und „unzufrieden mit der politischen Entwicklung“ aufweist.
Über den Experten
Andreas Herteux ist ein deutscher Wirtschafts- und Sozialforscher, Publizist und der Leiter der Erich von Werner Gesellschaft. Er ist zugleich Herausgeber und Co-Autor des Standardwerks über die Geschichte der Freien Wähler (FW). Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Die AfD bemüht sich inzwischen zwar auch darum, die letztgenannte Zuwanderergruppe gezielt zu umwerben, aber es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich dies sein wird.
Grundsätzlich sei aber angemerkt, dass die Datenlage, aufgrund verschiedener Faktoren, wie der gesteigerten Migration, Sprachbarrieren, hohe Kosten, schwierige Erreichbarkeit der Menschen und mangelndem Interesse, in diesem Bereich nicht die Beste ist. Man weiß wenig und rechnet oft aus kleinen Beständen hoch.
Wie werden Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund das Land künftig prägen?
Menschen mit Migrationshintergrund werden mit jedem Jahr eine immer wichtigere Rolle spielen. Wichtig ist es allerdings darauf hinzuweisen, dass auch die wahlberechtigte migrantische Gesellschaft nicht homogen ist, sondern sich in viele Milieus mit unterschiedlichen Weltansichten unterteilt.
Auch die Solidarität ist unter ihnen nicht größer als bei der sonstigen Bevölkerung. Dementsprechend gilt auch für sie, dass, sobald ihre Bedürfnisse in Sachen Verteilung und Anerkennung nicht mehr erfüllt werden, Milieukonflikte entstehen, die sich entladen können. Es sind die gleichen Mechanismen und das öffnet auch die Türe für die AfD.
Es existieren aber natürlich auch Besonderheiten. Greifen wir zwei Entwicklungen heraus: Es gibt einen großen Anteil von Migranten, der sich ganz oder zumindest bi-kulturell in die vorhandenen Lebenswirklichkeiten eingegliedert hat, aber eben auch einen nicht gerade kleinen, leider auch wachsenden Part, dem die deutsche Kultur fremd geblieben ist und der abgetrennt lebt. Vereinfacht gesagt, kapseln sich letztere ab und es ist davon auszugehen, dass große Parallelgesellschaften, die teilweise schon vorhanden sind, entstehen werden. Besagte Menschen haben aber natürlich noch nicht unbedingt immer die deutsche Staatsbürgerschaft. Die erste Gruppe ist aber grundsätzlich auch für die AfD interessant; Personen, die sich ganz oder teilweise integriert haben, aber mit der Entwicklung unzufrieden sind, finden sich auch hier. Aus der zweiten Gruppe könnten irgendwann eigene politische Bewegungen entstehen, teilweise geschieht dies auch schon.
Grundsätzlich sei aber erneut darauf hingewiesen, dass auch hier die Forschungslage oft nicht auf einem aktuellen Stand ist. Gerade die Migrationswellen der letzten Jahre finden oft keine Berücksichtigung. Nüchtern betrachtet, wissen wir nicht genug, über diejenigen, die nach Deutschland gekommen sind. Im Grunde genommen ist das fahrlässig, aber nun einmal die Wahrheit.
"Grundlagen gesellschaftlicher Entwicklungen im 21. Jahrhundert: Neue Erklärungsansätze" von Andreas Herteux
Ist die erleichterte Einbürgerung, wie sie von der Ampel beschlossen wurde, ein gutes Mittel für das Vorantreiben des Integrationsprozesses?
Zumindest ist das eines der vorgebrachten Argumente. Auf wirklich empirischen Grundlagen beruht dies aber nicht und die meisten Studien aus dem Bereich sind wenig überzeugend.
Im Gegenteil kann nur immer wieder darauf verwiesen werden, dass die Forschungslage dürftig ist und auch die politischen Konsequenzen bedacht werden sollten.
Da ein solcher Vorgang auch immer gewaltige Symbolkraft hat und eine breite Auswirkung auf die Gesellschaft, ist zu vermuten, dass die Gesetzesänderung langfristig zu großen Herausforderung führen könnte. Die Sympathiekundgebungen für Erdogan, Putin oder die Hamas müssten dabei einen Ansatz zu genaueren Untersuchungen bieten.
Grundsätzlich sollte die Staatsbürgerschaft am Ende des Integrationsprozesses stehen und nicht die Hoffnung sein, dass einer beginnt. Migration ist aber ein Thema, das uns noch Jahrzehnte beschäftigen wird.
Häufig gestellte Fragen zu diesem Thema
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Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.
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