Hormonelle Umstellung - Wechseljahre: So bewältigen Sie emotionale Schwankungen
Ein Moment tiefer Traurigkeit ohne ersichtlichen Grund, gefolgt von Wut über die kleinste Unachtsamkeit. Viele Frauen im mittleren Alter kennen diese Achterbahn der Gefühle nur zu gut – die Wechseljahre sind angebrochen.
Die Wechseljahre bezeichnen den Übergang von der fruchtbaren Lebensphase in die Zeit nach der Menopause. In dieser Phase kommt es zu einer hormonellen Umstellung, die bei vielen Frauen zu emotionalen Dysbalancen führt. Stimmungsschwankungen sind dabei eine der häufigsten Beschwerden. Sie können sich in Form von unerklärlicher Traurigkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüchen oder Ängsten äußern. Solche Stimmungsschwankungen sind keine Seltenheit – etwa 85 % aller Frauen berichten vorübergehend oder dauerhaft von einer emotionalen Dysbalance.
Ursachen der Stimmungsschwankungen
Hormonelle Umstellungen
Die hauptsächliche Ursache für Stimmungsschwankungen in den Wechseljahren ist die hormonelle Umstellung. Mit dem Absinken des Östrogenspiegels verändert sich das Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn, was sich direkt auf die Stimmung auswirken kann. Östrogen und Progesteron, die beiden wichtigsten weiblichen Sexualhormone, spielen eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Stimmung und emotionalem Wohlbefinden.
Östrogen hat einen direkten Einfluss auf die Produktion und Freisetzung des Neurotransmitters Serotonin, auch bekannt als „Stimmungshormon“. Ein niedriger Östrogenspiegel führt zu einem Abfall des Serotoninspiegels, was depressive Verstimmungen und Reizbarkeit zur Folge haben kann. Zudem kann der Östrogenmangel das Stresshormon Cortisol erhöhen, was zusätzlich zu einem Gefühl der Anspannung beiträgt.
Progesteron, das während der fruchtbaren Jahre in der zweiten Zyklushälfte gebildet wird, trägt zur Beruhigung und Entspannung bei. Ein Absinken des Progesteronspiegels kann daher zu Schlafstörungen, Nervosität und verstärkter Reizbarkeit führen.
Lebensumstände und psychische Belastungen
Neben den hormonellen Veränderungen tragen auch psychische und soziale Faktoren zu den Stimmungsschwankungen bei. Die Wechseljahre fallen häufig in eine Lebensphase, in der Frauen mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert sind: berufliche Veränderungen, das Ausziehen der Kinder, die Pflege älterer Eltern oder eigene gesundheitliche Probleme. Diese Belastungen können die emotionalen Schwankungen verstärken und das seelische Gleichgewicht ins Wanken bringen.
Symptome der Stimmungsschwankungen
Die Symptome der Stimmungsschwankungen in den Wechseljahren sind vielfältig und können in ihrer Intensität variieren. Typische Symptome sind:
- Innere Unruhe und Nervosität: Ein ständiges Gefühl der Anspannung und das Unvermögen, sich zu entspannen.
- Depressive Verstimmungen: Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit, oft ohne erkennbaren Auslöser.
- Reizbarkeit und Aggression: Eine niedrige Reizschwelle und das Gefühl, wegen Kleinigkeiten schnell wütend zu werden.
- Angstzustände: Übermäßige Sorgen und Ängste, die den Alltag deutlich belasten.
- Schlafstörungen: Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen, oft verbunden mit nächtlichen Hitzewallungen und Schweißausbrüchen.
- Verminderte Konzentrationsfähigkeit: Probleme, sich zu fokussieren und Aufgaben zu Ende zu bringen.
- Weinerlichkeit und erhöhte Empfindlichkeit: Leichte Tränenausbrüche und eine gesteigerte emotionale Empfindsamkeit.
Die Dauer der Stimmungsschwankungen kann stark variieren. Einige Frauen erleben nur in der Perimenopause – der Zeit vor der Menopause – häufiger emotionale Schwankungen, während andere sogar noch Jahre nach der Menopause damit zu kämpfen haben. In vielen Fällen verbessern sich die Symptome jedoch, sobald sich der Hormonspiegel stabilisiert hat.
Stimmungsschwankungen oder Depression?
Ein wichtiger Punkt ist die Unterscheidung zwischen „normalen“ Stimmungsschwankungen und einer Depression. Stimmungsschwankungen sind in den Wechseljahren häufig und von wechselnder Intensität. Sie sind unangenehm, aber vorübergehend. Eine Depression hingegen ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die sich durch anhaltende Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und mangelnde Lebensfreude auszeichnet. Wenn die Stimmungstiefs über Wochen anhalten und das Alltagsleben stark beeinträchtigen, sollte eine medizinische Abklärung erfolgen.
Behandlungsmöglichkeiten und Tipps
Es gibt verschiedene Ansätze, um Stimmungsschwankungen in den Wechseljahren zu behandeln und das emotionale Wohlbefinden zu verbessern.
Hormontherapie
Eine Möglichkeit ist die Hormonersatztherapie (HRT), bei der Östrogen und Progesteron zugeführt werden, um den Hormonspiegel zu stabilisieren. Diese Therapie kann viele der Wechseljahressymptome lindern, muss jedoch aufgrund möglicher Nebenwirkungen sorgfältig abgewogen werden. Frauen sollten sich daher ausführlich von ihrem Arzt beraten lassen.
Natürliche Hilfsmittel und Lebensstiländerungen
Für Frauen, die keine Hormone einnehmen möchten, gibt es zahlreiche natürliche Alternativen und Lebensstiländerungen, die helfen können:
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann das Wohlbefinden unterstützen. Speziell phytoöstrogenhaltige Lebensmittel wie Soja, Leinsamen und Hülsenfrüchte können helfen, den Hormonhaushalt zu regulieren.
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität, insbesondere Ausdauersport wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren, fördert die Produktion von Endorphinen, den „Glückshormonen“, und kann stressabbauend wirken.
- Entspannungstechniken: Methoden wie Yoga, Meditation, autogenes Training oder progressive Muskelentspannung helfen dabei, Stress abzubauen und das emotionale Gleichgewicht zu stabilisieren.
- Soziale Aktivitäten: Der Austausch mit Freunden und Familie, gemeinsame Unternehmungen und gesellige Runden können das Wohlbefinden steigern und helfen, negative Gedanken zu vertreiben.
Pflanzliche und homöopathische Mittel
Es gibt auch eine Reihe pflanzlicher und homöopathischer Mittel, die speziell für die Linderung von Wechseljahressymptomen entwickelt wurden. Dazu gehören:
- Traubensilberkerze: Wird häufig zur Linderung von Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen eingesetzt.
- Johanniskraut: Bekannt für seine stimmungsaufhellende Wirkung bei leichten Depressionen und Stimmungstiefs.
- Mönchspfeffer: Kann bei hormonellen Schwankungen und prämenstruellen Beschwerden helfen.
- Passionsblume und Baldrian: Haben eine beruhigende Wirkung und können bei Schlafstörungen und innerer Unruhe unterstützen.
Therapie und professionelle Unterstützung
Frauen, die stark unter ihren Stimmungsschwankungen leiden, sollten sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Gespräch mit dem Hausarzt oder Gynäkologen kann der erste Schritt sein, um die richtige Therapie zu finden. Psychotherapeuten und spezialisierte Frauenärzte können ebenfalls wertvolle Unterstützung bieten.
Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als besonders wirksam bei der Behandlung von Stimmungsschwankungen und leichten bis mittelschweren Depressionen erwiesen. Dabei lernen die Betroffenen, ihre negativen Gedankenmuster zu erkennen und zu verändern, um so ihre Stimmung langfristig zu stabilisieren.
Neben der individuellen Therapie können auch Selbsthilfegruppen und Informationsveranstaltungen eine wertvolle Unterstützung bieten. Der Austausch mit anderen betroffenen Frauen kann helfen, sich weniger allein zu fühlen und praktische Tipps zur Bewältigung der Beschwerden zu erhalten.
Abschluss
Stimmungsschwankungen in den Wechseljahren sind eine Herausforderung, die viele Frauen betrifft. Sie sind jedoch kein unausweichliches Schicksal, sondern können durch verschiedene Maßnahmen gelindert werden. Ob durch hormonelle Therapie, natürliche Mittel, psychologische Unterstützung oder Lebensstiländerungen – es gibt zahlreiche Wege, um diese Zeit des Umbruchs besser zu bewältigen. Wichtig ist, dass Frauen offen über ihre Beschwerden sprechen und sich Unterstützung holen, um diese Lebensphase möglichst ausgeglichen und positiv zu erleben.
Über Dr. med. univ. Matyas Galffy
Dr. med. univ. Matyas Galffy ist Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie Personzentrierter Psychotherapeut. Er studierte Humanmedizin und Klinische Neurowissenschaften an der Medizinischen Universität Innsbruck und absolvierte dort seine Facharztausbildung mit Schwerpunkt Psychosomatik. Neben einer Spezialisierung in fachspezifischer psychosomatischer Medizin hält der unter anderem Diplome in Palliativmedizin und spezieller Schmerztherapie. Zuletzt war er als ärztlicher Leiter der Spezialsprechstunde für Angst- und Zwangsstörungen an der Universitätsklinik Innsbruck tätig. Seither ist er als niedergelassener Arzt in Tirol und Niederösterreich tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Angststörungen, Schmerzstörungen und Psychotraumatologie.
Wichtiger Hinweis: Die hier bereitgestellten Informationen dienen nur zu allgemeinen Informationszwecken und ersetzen nicht die professionelle Beratung und Behandlung durch einen Arzt. Bei Verdacht auf ernsthafte gesundheitliche Probleme oder bei anhaltenden Beschwerden sollten Sie immer einen Arzt aufsuchen.