Brutale Tat in Esslingen - Die Behörden sind dem Vater des erschossenen Luca S. eine umfassende Aufklärung schuldig
Es lässt sich kaum etwas Schlimmeres für einen Vater vorstellen, als das eigene Kind beerdigen zu müssen. Am Mittwoch musste Rolf Seufferle genau das auf dem Ebershaldenfriedhof in Esslingen tun. Sein Sohn Luca fiel einer Gewalttat zum Opfer, mutmaßlich erschoss ein Mieter den 31-Jährigen, der wie der Vater im selben Haus lebte und richtete eine selbst gebaute Waffe danach gegen sich selbst. Das Haus brannte er zuvor nieder.
Auch Wochen nach der Tat ist die Frage unbeantwortet, ob die Behörden im Vorfeld Schlimmeres hätten verhindern können. Denn nicht nur Seufferle ging nach eigener Aussage zur Polizei, als er mitbekam, dass der Mieter Waffen besaß und damit gedroht haben soll, seinen Sohn umzubringen, sein Haus abzufackeln.
Mutmaßlicher Täter wurde als „tickende Zeitbombe“ angesehen
Neuen Erkenntnissen nach wandte sich auch ein Stuttgarter Anwalt an die Polizei, aus dem Umfeld einer ehemaligen Vermieterin wird der Mann außerdem als „tickende Zeitbombe“ beschrieben – er fantasierte wohl schon vor dreißig Jahren davon, auch ihr Haus anzuzünden.
Es verdichten sich die Indizien, dass man die Drohungen des Mieters ernster hätte nehmen müssen.
Für Nichtjuristen kaum nachvollziehbar
Das soll das Verhalten der zuständigen Staatsanwaltschaft und Polizei keineswegs vorverurteilen. Auch wenn die Gefahr, die vom Täter ausging, offenbar falsch eingeschätzt wurde, liegt es dennoch im Bereich des Möglichen, dass die Behörden aus Verfahrenssicht richtig gehandelt haben.
Denn obwohl die Ereignisse Am Kronenhof schlimmstmöglich endeten, ist es auch richtig, unbescholtene Bürger nicht dem Denunziantentum auszusetzen und an entsprechenden Hürden für Wohnungsdurchsuchungen festzuhalten.
Doch sind diese vielleicht zu hoch? Im Fall des Luca S. mag eventuell gelten, dass ein durch die Staatsanwaltschaft angeordnetes Eilverfahren für eine Durchsuchung nicht gebilligt werden konnte, da Rolf Seufferle erst nach drei Monaten durch Dritte erfuhr, dass sein Mieter mit seinen Waffen geprahlt haben soll und welche sinistren Pläne er offenbar hegte.
Mehrere Menschen warnten vor dem mutmaßlichen Täter
Der lange Zeitraum zwischen Drohung und Anzeige führte möglicherweise zu der Einschätzung, dass eben keine Gefahr im Verzug herrsche. Schaut man sich aber das Gesamtbild an, ist es zumindest als Nichtjurist kaum nachvollziehbar, wie die Behörden untätig bleiben konnten.
Mehrere Menschen in unterschiedlichen Zusammenhängen warnten schließlich vor dem mutmaßlichen Täter.
Fehlerkultur statt Kultur des Aussitzens
Ob diese unterschiedlichen Quellen irgendwo zusammenliefen und dennoch nicht gehandelt wurde, untersucht derzeit die Staatsanwaltschaft Heilbronn – aus Gründen der Objektivität. Ein Ergebnis konnte sie auch nach der Beerdigung von Luca S. nicht vorlegen.
Der Rechtsstaat ist es dem Vater schuldig, den Ermittlungen zu etwaigen Behördenversäumnissen höchste Priorität einzuräumen, ganz gleich, zu welchem Ergebnis er kommt. Wie sonst soll es Rolf Seufferle gelingen, Abschied zu nehmen?
Aber auch für persönlich Nichtbetroffene ist es wichtig, jetzt ein Signal zu bekommen, dass im Behördenapparat eine Fehlerkultur mit Vorbildcharakter herrscht.
Die zentrale Frage, ob die Behörden alles in diesem Fall Mögliche unternommen haben, muss am Ende beantwortet werden.
Von Sascha Maier
Das Original zu diesem Beitrag "Die Behörden sind dem Vater eine umfassende Aufklärung schuldig" stammt von Stuttgarter Zeitung.