FPÖ-Chaos in Österreich: Nur diese Optionen können Kanzler Kickl noch verhindern

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Verhandlungen zwischen demokratischen Parteien in Österreich sind gescheitert. Droht der Alpenrepublik nun ein Kanzler Herbert Kickl von der FPÖ?

Wien – Österreich steckt in einer Regierungskrise. Am Wochenende, gut drei Monate nach der Nationalratswahl im September 2024, scheiterten Koalitionsgespräche zwischen der konservativen ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen NEOS. Der amtierende Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer kündigte wegen des Scheiterns seinen Rückzug in den kommenden Tagen an. Sein Nachfolger an der ÖVP-Spitze, Christian Stocker, will jetzt mit der Rechtsaußen-Partei FPÖ verhandeln, die als stärkste Kraft aus der Nationalratswahl hervorgegangen war, obwohl auch er dies stets ausgeschlossen hatte.

FPÖ-Kanzler Kickl, Neuwahlen, Experten-Regierung: Diese Optionen bleiben in Österreich

FPÖ-Chef Herbert Kickl wird am Montagvormittag zu einem Gespräch beim Bundespräsidenten Alexander van der Bellen erwartet. Letzterer hat in dieser Situation einige Möglichkeiten. Diese Szenarien könnten nun auf die Alpenrepublik zukommen: eine FPÖ-ÖVP-Koalition unter Kanzler Kickl, Neuwahlen, eine Experten- oder Minderheitsregierung bis hin zum Rücktritt des Bundespräsidenten. Ein Überblick für die nächsten Wochen.

Regierungskrise in Österreich: Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP – Einigkeit in Wirtschaftsfragen

Eine von Kickl geführte FPÖ-ÖVP-Koalition, könnte, so schreibt die liberale Tageszeitung Standard, „sehr bald“ Realität werden. Österreichs Medienlandschaft geht davon aus, dass Kickl am Montag vom Bundespräsidenten symbolisch den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Dann würde Kickls FPÖ wohl in Gespräche mit der ÖVP gehen. Schnellen Konsens könnte es in Wirtschaftsfragen geben, da die Programme der Parteien hier beinahe deckungsgleich sind: Steuersenkungen für Unternehmen, teils Rückbau von Arbeitnehmerrechten und Senkung der Sozialabgaben.

FPÖ und ÖVP in Österreich: Einig in Migrationspolitik – Streitpotential in der EU- und Außenpolitik

Auch in der Migrations- und Asylpolitik setzen beide Parteien in Österreich auf Abschottung. Strittig werden könnten außenpolitische Fragen, da die FPÖ Russland sehr freundlich und der EU sehr ablehnend gegenübersteht und die Unterstützung der Ukraine ablehnt. Sollte eine solche Koalition zustande kommen, befürchten Beobachter aufgrund von Kickls Äußerungen in der Vergangenheit und der Erfahrung der vergangenen FPÖ-Regierungsbeteiligung Gefahren für Frauen und Minderheiten, den Rechtsstaat sowie die Medienfreiheit. Bundespräsident van der Bellen betonte diese „Grundfesten des Zusammenlebens“ in einem Statement am Sonntag. In den vergangenen Monaten ließ er immer wieder durchblicken, dass er Kickl nicht zum Kanzler ernennen will.

Neuwahlen in Österreich? Noch höherer Sieg der FPÖ wahrscheinlich

Verfassungsrechtlich bliebe van der Bellen die Option, Neuwahlen auf Antrag der jetzigen Bundesregierung aus ÖVP und Grünen anzusetzen. Das dürfte allerdings kaum im Interesse der ÖVP sein, die dem aktuellen Umfragetrend der Nachrichtenagentur APA zufolge mit deutlichen Verlusten zu rechnen hätte. Die FPÖ hingegen könnte ihr Ergebnis gegenüber der Wahl noch auf etwa 35 Prozent der Stimmen verbessern. Im Herbst erreichte sie noch knapp 29 Prozent. Die ÖVP kam auf 26 Prozent auf den zweiten Platz.

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FPÖ-Chef Herbert Kickl könnte schon bald Österreichs Bundeskanzler sein. © Helmut Fohringer/APA/dpa

Experten-Regierung in Österreich gegen FPÖ nach Scheitern der Verhandlungen möglich?

Theoretisch könnte van der Bellen mit den demokratischen Parteien im Nationalrat abseits der FPÖ noch eine Kompromissregierung finden. Diese könnte entweder eine Minderheitsregierung von ÖVP oder SPÖ oder eine Experten-Regierung sein. Verfassungsrechtlich braucht eine österreichische Bundesregierung nach der Ernennung durch den Bundespräsidenten grundsätzlich keine eigene Mehrheit im Parlament, solange es keine gegen sie gibt.

Trotzdem sind Minderheitsregierungen unüblich. Eine Experten- oder Beamtenregierung, wie es sie nach dem Bruch der letzten ÖVP-FPÖ-Koalition 2019 für ein halbes Jahr gab, schien daher wahrscheinlicher. Anders als 2019 müsste diese Regierung wohl allerdings politische Entscheidungen treffen, da eine milliardenschwere Haushaltslücke geschlossen werden soll. Und spätestens im Streit darüber könnte sich auch eine Mehrheit gegen ein solches Kabinett finden.

Letzter Ausweg Rücktritt? Österreichs Bundespräsident will keinen FPÖ-Kanzler ernennen

Sollten sich FPÖ und die ÖVP einig werden, könnte es sein, dass van der Bellen in die Situation gerät, Kickl als Kanzler ernennen zu müssen. Schlussendlich könnte er dies nur verhindern, in dem er zurücktritt, was in Neuwahlen des Amtes münden würde. Im vergangenen Jahr sprach Kickl unter anderem von „Fahndungslisten“ auf der er politische Gegner gesammelt habe und forderte stets, dass Österreich den Weg Viktor Orbáns in Ungarn beschreiten solle. Dort vollzog Langzeit-Premier Orbán bereits 2011 per Verfassungsreform den autoritären Staatsumbau. Die FPÖ als Partei wurde in den 1950er-Jahren von Altnazis gegründet und ist eng mit völkischen Burschenschaften verbunden. (kb)

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